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Auch wenn die Zahlen in den Vorstandsetagen noch bescheiden ausfallen: Gefühlt ist die Zeitwende da.
Auch wenn die Zahlen in den Vorstandsetagen noch bescheiden ausfallen: Gefühlt ist die Zeitwende da.
ISMAGILOV / ISTOCK / GETTY IMAGES PLUS

Frauen in Führungsposition

19.10.2023 um 08:01, Klaus Schobesberger
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Viele Geldinstitute fördern den Kulturwandel bewusst und holen Frauen in die Leitungsgremien. CHEFINFO holt einige neue Top-Managerinnen vor den Vorhang.

Es ist inzwischen unübersehbar: In die Vorstandsetagen heimischer Banken kommt Bewegung. Das Sesselrücken ist nicht nur dem anstehenden Generationswechsel geschuldet, sondern auch einem Kulturwandel in den Geldinstituten selbst:
Mehr und mehr Frauen übernehmen Vorstandsmandate von ihren männlichen Vorgängern. Der wohl beachtenswerteste Wechsel in der Führungsriege einer heimischen Bank ging im Mai dieses Jahres über die Bühne, als die erst 36-jährige Isabella Lehner dem Oberbank-Urgestein Josef Weißl nach seinem altersbedingten Ausscheiden in seiner Vorstandsfunktion folgte. Dass so etwas nicht auf Zuruf passiert, schon gar nicht in einer börsennotierten Bank, liegt auf der Hand. Vor fast fünf Jahren lancierte die Oberbank das „Gender Balance Project“ und hat sich damit selbst eine verpflichtende Frauenquote auferlegt. Das Ziel: Im Jahr 2030 will das Geldhaus 40 Prozent weibliche Führungskräfte beschäftigen. Mit aktuell 27 Prozent liege man derzeit gut auf Kurs, um dieses Ziel zu erreichen. Kein Zufall ist auch, dass die Wahl des Aufsichtsrats auf Lehner fiel. Die Oberösterreicherin legte nach ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften eine Blitzkarriere hin. In nur zwölf Jahren schaffte sie es von der Praktikantin in den Vorstand – ein doch ziemlich einmaliger Vorgang für österreichische Verhältnisse. Im Interview mit CHEFINFO erklärt die Neo-Vorständin, welche Eigenschaften ihr dabei geholfen haben: Eine ordentliche Portion Hartnäckigkeit und eine Fachexpertise, die sie sich über die Jahre vor allem im Digitalbereich angeeignet hat.

 

Frauen in höheren Etagen

Mutige, neue Wege gefragt
Eine gewisse Beharrlichkeit ist auch Silvia Richter auf ihrem Weg in lichte Höhen der Finanzbranche nicht abzusprechen. Die 53-jährige Bankerin rückte Mitte des Jahres als erste Frau in den Vorstand der Zürcher Kantonalbank Österreich auf – eine 100-prozentige Tochter der Zürcher Kantonalbank mit Sitz in Zürich. Die gebürtige Wienerin ist seit 2015 Teil des Bankhauses und baute das Private Banking in der Bundeshauptstadt erfolgreich auf. Ihre ungewöhnliche Karriere hat bereits mit 17 Jahren in der Hotellerie begonnen, erzählte sie der „Presse“. Dort habe sie den respektvollen Umgang mit Kunden von der Pike auf gelernt. Ihr Wunsch nach Selbstständigkeit, Ungebundenheit und neuen Herausforderungen führte sie mit 24 Jahren als Assistentin zur US-Investmentbank Merrill Lynch, wo sie sich ihre ersten Sporen in der Bankenwelt verdient hat. Die größte Hürde damals für sie: als Frau in dieser Männerwelt der Finanzdienstleister überhaupt ernst genommen zu werden. Abgebracht hat sie das von ihrem Weg nicht, im Gegenteil – es war ein Ansporn. Die nächsten Stationen waren die deutsche Privatbank Sal. Oppenheim und Bank Hottinger, wo sie mit 36 Jahren in den Vorstand eingezogen ist. Richter sieht sich als „Leitwölfin“, die das Tempo vorgibt – das gilt auch in ihrer neuen Funktion als oberste Private Bankerin der Zürcher Kantonalbank, wo der langfristige Vermögenszuwachs der Kunden im Vordergrund steht.

Silvia Richter
Silvia Richter rückte im Juli in den Vorstand der Zürcher Kantonalbank Österreich auf.

Frauenkarrieren: Alles, was Recht ist
Aus Rückschlägen lernen und nicht aufgeben, ist auch das Motto von Sigrid Burkowski, die wie Silvia Richter Anfang Juli mit Vorstands-Agen- den betraut wurde – und zwar in der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Burkowskis Metier ist nicht das Private Banking, sondern das Recht. Die ausgewiesene Expertin in den Bereichen Compliance und Geldwäschebekämpfung ist ein gutes Beispiel dafür, wie Frauen mit Fachwissen und Beharrlichkeit in ihrer Karriere punkten können. In kaum einem anderen Bereich – mit Ausnahme der IT und Digitalisierung – hat es derart große Veränderungen im Bankgeschäft gegeben. Als Burkowski 1996 in der RLB OÖ startete, brachte der europäische Regulator gerade das erste Wertpapieraufsichtsgesetz heraus. Heute füllen die Regularien und Verordnungen ein ganzes Zimmer. Nach der Jahrtausendwende flatterten die ersten Geldwäscheregelungen ins Haus. Banken übernehmen staatliche Aufgaben, die mit ihrem Kerngeschäft nichts mehr zu tun haben. „Wir nehmen viele öffentliche Leistungen inzwischen umsonst wahr“, sagt Burkowski. Banken sitzen an den Konten, kennen die Zahlungsströme, screenen Kunden nach auffälligen Geldbewegungen. Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mussten Banken innerhalb kürzester Zeit elf Sanktionspakete der EU umsetzen. Ein neuer Themenbereich ist die Nachhaltigkeit. Getrieben durch den Green Deal der EU erhalten Banken als Intermediäre eine besondere Rolle in dieser Transformation. Etwa im Bereich der Finanzierungen vor dem Hintergrund der Klimakrise. „Wir müssen künftig bei unseren Krediten sehr viel stärker mögliche Naturkatastrophen berücksichtigen als bisher“, sagt Burkowski. Mit ihrem Aufstieg wurde der Frauenanteil im Vorstand der RLB OÖ verdoppelt. „Es hat sich in den letzten Jahren einiges getan und in vielen Branchen ist eindeutig ein Nachholeffekt zu bemerken – auch bei den Banken“, sagt Burkowski im Interview.

50 Prozent

„Keine berauschende Entwicklung“
Ein genauerer Blick auf die Zahlen zeigt, dass es in Österreich noch ein weiter Weg zu einer halbwegs ausgeglichenen Balance von Frauen und Männern in Top-Positionen der Finanzbranche ist. „Bei Bank-Vorstandspositionen geht es in Österreich nur langsam voran“, sagt VKB- Vorständin Maria Steiner. Obwohl insgesamt bei den Belegschaften zwischen den Geschlechtern Ausgewogenheit in den heimischen Bankinstituten herrscht, gibt es bei Führungsfunktionen Aufholbedarf. Laut einer internen Befragung des österreichischen Bankenverbands stieg die Zahl der weiblichen Vorstände von 6 Prozent im Jahr 2010 auf 14 Prozent im Jahr 2022. „Das ist keine berauschende Entwicklung. Andere Länder schneiden deutlich besser ab, allen voran Norwegen, wo die Hälfte aller Bankvorstände weiblich ist“, sagt Steiner. Ziel des Bankenverbands ist es, den Frauenanteil in den Bankvorständen auf zumindest 20 Prozent zu erhöhen. In Aufsichtsräten sitzen im Schnitt 30 Prozent Frauen, ein ähnlicher Wert wird für die Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene angegeben, die in Österreichs Banken in Frauenhand sind.

14 Prozent

Und die Quote wirkt doch
Eine Stichproben-Untersuchung der Ratingagentur DBRS Morningstar bei 43 europäischen Banken zeigte, dass sich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten im Jahr 2021 bei durchschnittlich 37 Prozent einpendelte. Auf Vorstandsebene liegt der Frauenanteil bei 26 Prozent. Das Länderranking führt wenig überraschend Norwegen mit einem Frauenanteil von 50 Prozent an. Auf den hinteren Rängen rangieren Spanien mit 14 Prozent und Deutschland mit 16 Prozent. Nur fünf der 43 Banken haben einen weiblichen CEO, darunter das norwegische Finanzdienstleistungsunternehmen DNB und die Bank of Ireland. Diese Zahlen decken sich in etwa mit einer Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2021, wonach der Frauenanteil in den Vorstandsgremien der 50 größten börsennotierten Banken in Europa bei 22 Prozent liegt.

Interessantes Phänomen: Je mehr Frauen einen Vorstandsposten in europäischen börsennotierten Konzernen bekleiden, desto geringer ist die Chance für andere Frauen, berufen zu werden. Zwei Frauen schaffen es maximal in die Chefetage, danach ist meist Schluss. Das ist das Ergebnis einer Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die Autoren haben damit erstmals empirisch einen „Sättigungseffekt“ beim Thema Diversität in europäischen börsennotierten Konzernen nachgewiesen. Die Studie geht davon aus, dass es in Deutschland meist schon „nach einer Frau eine Art Sättigungseffekt gibt“. Das dürfte auch für Österreich zutreffen – zumindest gemessen an den aktuellen Zahlen: Von 188 Vorstandpositionen in heimischen Börsenunternehmen sind nur 17 weiblich besetzt (9 Prozent). Bei Aufsichtsräten herrscht in Österreich wie in Frankreich oder Italien hingegen eine verpflichtende Quote. Hier liegt der Frauenanteil ähnlich hoch wie im Bankenbereich – nämlich bei 29 Prozent.

Michaela Keplinger-Mitterlehner

Sich für eine Top-Position zu entscheiden war immer schon eine Herausforderung, das gilt für Männer und Frauen.

Michaela Keplinger-Mitterlehner, Generaldirektor-Stellvertreterin RLB OÖ

Vorbilder und Systemveränderer
Die heimische Finanzbranche glänzt dafür mit Frauen, die Klischees brechen und das System verändert haben. Maria Schaumayer (1931– 2013) bezeichnete sich selbst als „Eisbrecherin“ für Frauen. Die Ökonomin war von 1990 bis 1995 Präsidentin der Oesterreichischen Nationalbank – in dieser Funktion war sie die erste Frau weltweit. Auch in der EZB sitzt mit Christine Lagarde die erste Frau an der Spitze. Als Pionierin in Oberösterreich gilt Michaela Keplinger-Mitterlehner, die seit 2007 im Vorstand der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich sitzt. Davor war die studierte Historikerin und Philosophin Landesdirektorin der Bank Austria für Oberösterreich und Salzburg. „Es war anfangs ungewöhnlich, dass ich in vielen Sitzungen die einzige Frau war, aber man gewöhnte sich auch an diese Rolle und dieses System“, sagt Keplinger-Mitterlehner. Geändert hat sich, dass Frauen heute in vielen Bereichen aktiv gesucht und in Gremien sichtbar gemacht werden. Die Managerin ist auch Spartenobfrau der Sparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer OÖ: „Es ist paradox, dass sich das Präsidium aus drei Frauen und einem Mann zusammensetzt.“ Was auch in Ordnung sei, weil Frauen bei Bildungsabschlüssen im Hochschulbereich inzwischen Männer zahlenmäßig überholt haben.

 

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