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Christoph Badelt hält das jetzige System, in dem Länder und Gemeinden ihr Geld größtenteils über gemeinschaftliche Bundesabgaben erhalten, für nicht mehr zeitgemäß.
Christoph Badelt hält das jetzige System, in dem Länder und Gemeinden ihr Geld größtenteils über gemeinschaftliche Bundesabgaben erhalten, für nicht mehr zeitgemäß.
Christoph Badelt hält das jetzige System, in dem Länder und Gemeinden ihr Geld größtenteils über gemeinschaftliche Bundesabgaben erhalten, für nicht mehr zeitgemäß.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

"Man kann die Kuh nur einmal melken"

05.06.2025 um 15:33, Klaus Schobesberger
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Fiskalrats-Chef Christoph Badelt über die kurz- und langfristigen Maßnahmen der Budgetsanierung und die Sinnhaftigkeit, Staatsbeteiligungen zu versilbern.

Christoph Badelt (74) ist Präsident des Fiskalrats und damit oberster Schuldenwächter der Republik. Auf Einladung der Raiffeisenbank Wels und der Wirtschaftskammer Wels sprach der Wiener Wirtschaftswissenschaftler Ende Mai am „Unternehmer­abend“ vor rund 450 Gästen im Welser Stadttheater. CHEFINFO hat ihn vor der Veranstaltung zum Thema „Staatsfinanzen“ zum Interview gebeten.
 

CHEFINFO: Welche Budgetmaßnahmen überzeugen Sie, und wo sehen Sie noch Nachbesserungsbedarf?
Christoph Badelt: Zunächst ist es ein guter erster Schritt, dass der Wille zur Einsparung und Budgetkonsolidierung erkennbar ist. Allerdings gibt es noch einige Punkte, an denen hart gearbeitet werden muss, damit die geplanten Maßnahmen Realität werden. Zum einen müssen die Ministerien die angekündigten Einsparungen von über einer Milliarde Euro wirklich realisieren. Zum anderen geht es nicht nur um den Bundeshaushalt, sondern um den öffentlichen Sektor insgesamt inklusive Länder und Gemeinden. Entscheidend ist, dass das gesamte Budgetpaket so umgesetzt wird, wie es angekündigt wurde. Darüber hinaus braucht es auch strukturelle Maßnahmen, um die Budgetkonsolidierung in den kommenden Jahren fortführen zu können.

Die Forderungen nach einer Föderalismusreform sind nicht neu. Was muss sich ändern?
Badelt: Es führt wohl kein Weg daran vorbei, die Verantwortung für Ausgaben und Einnahmen schrittweise zusammenzuführen. Das derzeitige System, in dem Länder und Gemeinden ihr Geld größtenteils über gemeinschaftliche Bundesabgaben vom Bund erhalten und dann selbstständig ausgeben können, setzt die falschen Anreize. Zudem gehört radikal vereinfacht: bei den Subventionen, den unklaren Strukturen im Gesundheits­system und auch in der Bildung.

Wie bewerten Sie die kurzfristigen Einsparungen, wie das Aussetzen der Valorisierung bei Sozialleistungen?
Badelt: Diese Maßnahmen sind natürlich nicht nachhaltig. Die derzeitigen Budgetkonsolidierungsschritte dienen in erster Linie dazu, die aktuellen Haushaltslöcher zu schließen. Der tieferliegende strukturelle Trend, dass die Ausgaben stärker wachsen als die Einnahmen, wird mit ­dieser Reform jedoch nicht behoben.

Könnte Deutschlands Konjukturpakt unter dem neuen Kanzler Merz nicht positive Effekte auf unsere Konjunktur und damit auf das Budget haben?
Badelt: Eigentlich kommt es in dieser Situation gar nicht so sehr auf den neuen Bundeskanzler Merz an. Viel entscheidender ist der demokratiepolitisch heikle Trick, dass der alte Bundestag kurz vor Schluss noch dieses große Sondervermögen für Militärausgaben und Infra­struktur beschlossen hat. Nichtsdestotrotz erhoffen wir uns für Österreich zumindest einige moderate Impulse, vor allem im Infrastrukturbereich, von dieser Sonderfinanzierung in Deutschland.

Halten Sie angesichts der Budget­misere eine Reduktion von Staatsbeteiligungen für sinnvoll – zur Schaffung eines „Zukunftsfonds“, wie es Wifo-Chef Felbermayr vorgeschlagen hat?
Badelt: Felbermayr ist sicherlich ein Experte, der gerne etwas provokanter auftritt, um eine Debatte anzuregen. Aber er weiß natürlich auch, dass die Umsetzung solcher Ideen nicht ganz einfach ist und durchaus negative Auswirkungen haben kann. Grundsätzlich wäre ein Zukunftsfonds, aus dem Investitionen finanziert werden könnten, sicher eine gute Sache. Allerdings müsste dieser Fonds erst einmal mit Mitteln ausgestattet werden – und dafür gibt es nur begrenzte Möglichkeiten. Ich kann die Kuh nur einmal melken. Wenn man sich die Budget­prognosen ansieht, plant der ­Finanzminister bereits steigende Gewinnabschöpfungen von staatsnahen Unternehmen. Werden diese jedoch privatisiert, entfallen diese Gewinne dann natürlich. Ob man etwas privatisiert oder nicht, ist meiner Meinung nach daher in erster Linie eine ordnungspolitische Frage.

Kann Sepp Schellhorn als Staats­sekretär für Deregulierung beitragen, Druck aus dem Budget zu nehmen?
Badelt: Ich bin selbst sehr gespannt darauf, wie sich das entwickeln wird. Denn es gab in der Vergangenheit bereits mehrere Versuche, die Bürokratie abzubauen und Einsparungen zu erzielen – man denke nur an den früheren Rechnungshofpräsidenten Moser. Immer wieder haben Regierungsmitglieder den Versuch unternommen, hier wirklich Schwung in die Sache zu bringen. Schellhorn bringt sicher das Animo für diese Aufgabe mit. Ob es ihm jedoch gelingen wird, in der Praxis all die Widerstände im Verwaltungsalltag zu überwinden, kann man noch nicht abschätzen.

Laut Zahlen der Industriellenver­einigung sinkt die Arbeitsleistung in Österreich stärker als in anderen EU-Ländern – vor allem wegen der hohen Teilzeitquote. Wirtschaftsvertreter fordern mehr Anreize für ­Leistungswillige und steuerfreie Überstunden. Was sagen Sie dazu?
Badelt: Ich denke, das ist in der Tat ein gesamtgesellschaftliches Problem, dass das Arbeitsvolumen in Österreich nicht im gleichen Maße wächst wie die Zahl der Erwerbstätigen. Es ist einfach so, dass ­viele Menschen nur Teilzeit arbeiten. Dabei ist es stärker ein Thema bei Frauen als bei Männern. Das hängt natürlich auch mit der Kinderbetreuung zusammen, aber es lässt sich nicht darauf reduzieren.

Müssen wir in Zukunft mehr und ­länger arbeiten?
Badelt: Angesichts der demografischen Entwicklung brauchen wir sicherlich eine Ausweitung des gesamten Arbeitsvolumens – oder zumindest keinen Rückgang. Dieses zusätzliche Arbeitsvolumen kann auf verschiedene Arten erreicht werden: Zum einen durch mehr Beschäftigte, zum anderen durch eine Erhöhung der individuellen Arbeitszeiten. Und nicht zuletzt auch durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Wahrscheinlich wird es einer Kombination aus all diesen Faktoren bedürfen. Ich habe mich schon immer dafür ausgesprochen, das gesetzliche Pensionsalter anzuheben. Die Anhebung des Pensionsalters und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit Älterer sind eigentlich zwei Seiten derselben Medaille. Das wäre ein klassisches Beispiel dafür, wo man relativ nachhaltig etwas verändern könnte. 

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