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Jasmine Chansri, Volkshilfe OÖ
Jasmine Chansri ist Geschäftsführerin der Volkshilfe OÖ.
Jasmine Chansri ist Geschäftsführerin der Volkshilfe OÖ.
Mec Greenie

„Eines der ersten migrantischen Kinder auf der Landstraße“

26.04.2022 um 00:00, Verena Schwarzinger
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Von der Schülervertreterin aus dem Franckviertel zum Jura-Studium in Graz bis hin zur Geschäftsführerin der Volkshilfe Oberösterreich: Jasmine Chansri nimmt die soziale Partizipation der Gesellschaft ins Visier.

Jasmine Chansri ist Halbthailänderin, ihre Mutter Österreicherin und ihr Vater Thailänder. In Linz geboren, lernte sie bereits sehr früh, wie es sich anfühlt, wenn man nicht die volle Bandbreite an Chancen im Leben vor sich hat. „Geprägt haben mich meine alleinerziehende Mutter, meine Kindheit im damals berüchtigten Franckviertel und die Tatsache, dass mein Vater trotz akademischer Ausbildung in Österreich nicht Fuß fassen konnte. Daher habe ich auch Jus studiert“, sagt die heute 42-Jährige und erinnert sich daran, eines der ersten migrantischen Kinder auf der Linzer Landstraße gewesen zu sein.

Zu Menschen, die es nicht leicht im Leben haben, eine Brücke zu bauen, dafür trat die Linzerin bereits im Alter von zehn Jahren in der Schülervertretung ein. Und sie tut es heute einmal mehr als Geschäftsführerin der Volkshilfe OÖ. Mit 1. Juli 2021, dem ersten Tag als neue NGO-Leiterin, schließt sich damit ein Kreis. „In Zeiten, in denen Menschen durch Pandemie, Inflation und aktuell dem Krieg die Teilnahme an der Gesellschaft erschwert oder gar verwehrt wird, sind NGOs wie die Volkshilfe unabdingbar. Wir sind die Ergänzung zur Privatwirtschaft und Politik, um die Grundversorgung der Gesellschaft zu erhalten“, so Chansri. Die Volkshilfe wurde nach dem 2. Weltkrieg im Jahr 1947 als Unterstützung für Österreicher in Nöten gegründet. Daraus entwickelte sich die Kern-DNA, nämlich Menschen zu helfen.

Hilfe, die ankommt

Unterstützung und Migration erfahren in diesen Wochen wieder einmal einen neuen Stellenwert. Seit Wochen, nicht einmal 500 Kilometer von Österreichs Grenze entfernt, steht militärische Gewalt auf der Tagesordnung. Das Engagement von allen Seiten für die Ukraine ist enorm. „Der große Unterschied zur Flüchtlingswelle 2015 ist, dass nun der Krieg unmittelbar vor der Haustür stattfindet. Das macht die Betroffenheit groß. Aber alle haben die Situation auch unterschätzt. Das Thema Atomkraft erhält nach der Katastrophe in Tschernobyl, an die ich mich gut erinnern kann, ebenso einen anderen Stellenwert“, erklärt Chansri ihre persönliche Meinung. Die Volkshilfe unterstützt an allen Ecken und Enden. Finanziert werden diese Leistungen von EU, Bund, Land und dem Steuerzahler. „Das Land Oberösterreich hat die Volkshilfe beauftragt, die Sachspendenlogistik durchzuführen. Gemeinsam mit einer Transportfirma aus Pasching schicken wir stets neue LKW-Lieferungen direkt ins Kriegsgebiet oder an die Grenze zur Ukraine. Hier kommen Frauen mit Kindern völlig verzweifelt und erschöpft mit nur einem Plastiksack an“, schildert Jasmine Chansri die Situation.

Die in St. Georgen im Attergau aufgenommenen Waisenkinder aus der Ukraine werden von MitarbeiterInnen der Volkshilfe betreut und es werden weitere Unterkünfte für die Flüchtlinge organisiert, die sie nach maximal drei Nächten in den Notschlafstätten beziehen können. Die meisten Geflüchteten wollen jedoch, sobald es möglich ist und Frieden einkehrt, rasch zurück in die Ukraine. In Österreich erhalten die ukrainischen Flüchtlinge vollen Zugang zum Arbeitsmarkt, was auch dem nationalen Fachkräftemangel - wenn auch eventuell nur auf Zeit - entgegenwirken soll. Strategien und Konzepte werden vom Land Oberösterreich, dem AMS Oberösterreich und der Privatwirtschaft vorangetrieben.

Perspektivenwechsel gefordert

Einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern verzeichnet auch die Volkshilfe OÖ selbst. Aktuell sind rund 1700 MitarbeiterInnen in 33 Berufsfeldern von Gesundheit und Pflege, über Arbeitsmarktpolitik, der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung bis hin zur Migrationsarbeit tätig. Doch die Pandemie und das negative Image im Bereich Pflege treiben den Verantwortlichen Sorgenfalten auf die Stirn. Denn die Betreuung der Menschen muss sichergestellt werden, was bald nicht mehr möglich sein wird. „Es müssen die Rahmenbedingungen attraktiver werden. Dabei geht es aber nicht nur um Geld, sondern auch um die Sinnhaftigkeit des Berufs. Und es müssen auch Quereinstiege finanziert werden“, fordert Chansri.

Jasmine Chansri wurde am 6. März 1980 in Linz geboren. Bereits in der Schule und in ihrer Jugend bei der Sozialistischen Jugend OÖ engagierte sich die Halbthailänderin für soziale benachteiligte Mitmenschen. Sie studierte Rechtswissenschaften in Graz und trat 2003 in den Oberösterreichischen Landtag ein. Seit 1. Juli 2021 ist Jasmine Chansri Geschäftsführerin der Volkshilfe OÖ.

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