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Der größte Hafen Afrikas im süd- afrikanischen Durban ist Dreh- und Angelpunkt von Exportgütern.
Der größte Hafen Afrikas im süd- afrikanischen Durban ist Dreh- und Angelpunkt von Exportgütern.
THEGIFT777 / E+ / Getty images, ismagilov / iStock / Getty Images Plus

Diesseits von Afrika

14.10.2025 um 00:00, Jürgen Philipp
min read
Export-Neuland. Während Donald Trumps Zollpolitik den Exporteuren weltweit graue Haare bereitet, suchen andere nach Alternativen.

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Hand aufs Herz: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Afrika denken? Bürgerkriege? Seuchen? Armut? Die westlichen Vorurteile haften dem schwarzen Kontinent hartnäckig an, doch Afrika ist weit mehr. „Die Assoziation mit negativen Klischees aus der Vergangenheit ist keinesfalls hilfreich, wenn man in Afrika geschäftlich erfolgreich sein will“, sagt einer, der es wissen muss: Dietmar Schwank. Schwank ist WKO-Regionalmanager Afrika Nahost und macht eines klar: „Afrika ist ein Markt mit 1,4  Milliarden Menschen, der eine geradezu historische wirtschaftliche Beschleunigung erlebt. Der Kontinent zeichnet sich aber nicht nur durch Wachstumsraten aus, sondern auch durch Unternehmergeist, Erfolgswillen und eine punktuell recht dynamische Start­up- und Innovations­szene.“ Unterfüttert wird das mit imposanten Zahlen: „Es wird erwartet, dass Afrika im Jahr 2034 mit 1,1 Milliarden Menschen eine größere Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter haben wird als China oder Indien.“ Für österreichische Exporteure ergibt sich dadurch eine Chance, denn die industrielle Revolution steht dem Kontinent noch bevor, obwohl sich digitale Technologien bereits massiv verbreiten. Schwank bricht auch mit dem Armutsklischee: „Kaufkraft ist durchaus vorhanden: Bereits jetzt haben 50 Millionen afrikanische Haushalte ein Einkommen von jeweils mehr als 5.000  US-Dollar pro Jahr und können mindestens die Hälfte ihres Einkommens für Konsum ausgeben.“
 

Jenseits der Klischees

Dennoch ist nicht alles falsch an den ­gängigen Klischees: „Es gibt Herausforderungen. Immer noch sind die allermeisten Länder Afrikas von großen Defiziten in den Bereichen Bildung, Gesundheitssystem, Stromversorgung und Verkehrsinfrastruktur geprägt. Diese Defizite und Ineffizienzen in der öffentlichen Verwaltung schrecken viele Unternehmen ab, sich näher mit Afrika zu beschäftigen.“ Dabei sei der Aufholbedarf riesig, so Schwank, der in Afrika einen fruchtbaren Boden für neue Marktchancen und neue Ideen sieht. Der Experte erlebt das nicht nur selbst vor Ort, sondern das belegen auch die Zahlen. „Das BIP Afrikas wuchs 2024 laut United Nations ‚World Economic Situation and Prospects‘ (WESP) vom Jänner 2025 um 3,4  Prozent. 2025 wird das Wirtschaftswachstum laut UN auf 3,7 Prozent und 2026 auf ca. 4,0 Prozent prognostiziert. Afrika ist heute nach Asien die am zweitschnellsten wachsende Region der Welt.“
 

Afrika gilt auch bei der Telekommunikations­infrastruktur als „Leapfrog“.

Mehr als nur Norden und Süden

Österreich exportierte 2024 Waren und Dienstleistungen im Wert von 2,16 Milliarden Euro, etwa ein Sechstel des Wertes von Österreichs US-Exporten. Es scheint also noch viel Luft nach oben zu geben. Rund ein Viertel davon fiel auf Maschinenbauerzeugnisse (544  Mio.  Euro), ge­folgt von Baumwollerzeugnissen (270  Mio.  Euro), Elektronik, Lebensmitteln und Pharmazeutika. Nachfrage besteht ebenso nach Infrastruktur-Zulieferungen, Motoren, Energietechnik und Zulieferungen zur Automobilindustrie und in den Gesundheitssektor. „In einzelnen Ländern, vor allem Westafrikas, besteht außerdem ­traditionell hohe Nachfrage nach Web­stoffen und Stickerei-Erzeugnissen.“ Nicht ganz ein Drittel der Exporte auf den schwarzen Kontinent geht nach Südafrika (661  Mio. Euro). „Auf den weiteren Rängen folgen Ägypten (299 Mio. Euro), Marokko (238 Mio. Euro) und Algerien (176 Mio. Euro).“ Schwank sieht aber noch viel weiteres Potenzial: „Es gibt aus wirtschaftlicher Sicht längst nicht mehr nur den Norden und den Süden Afrikas. Besonderes Potenzial steckt heute in ­Westafrika, etwa Nigeria, Ghana, Côte d‘Ivoire, und in Ostafrika mit Kenia, Tansania oder Uganda.“
 

Produkte adaptieren

Um am Kontinent überhaupt erfolgreich zu sein, ist für Schwank ein „grundlegendes Überdenken der Marktbearbeitung erforderlich. Der afrikanische Markt erfordert maßgeschneiderte ­Produkte. Frugale Innovationen eröffnen neue ­Chancen. Gefragt sind robuste Produkte, die auf ihre Kernfunktionen beschränkt sind.“ Der Regionalmanager gibt zu bedenken, dass „in den einzelnen Ländern Afrikas sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen vorliegen. Politische Risiken oder Konfliktherde müssen mit bedacht werden“. Für den Markteinstieg in Afrika eignen sich daher überschaubare Märkte mit verhältnismäßig stabilen Rahmenbedingungen wie Côte d‘Ivoire, Ghana und Tansania. Um das Risiko der Exportfinanzierung zu minimieren, bietet die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) Deckungsmöglichkeiten für zahlreiche afrikanische Märkte an. „Für Ausfuhrgeschäfte gibt es zinsgünstige Finanzierungen. ­Unternehmen, die Investitionsgüter in bestimmten Sektoren nach Afrika liefern, können auf Finanzierungspakete der OeKB zurückgreifen, um den afrikanischen Abnehmern ein attraktives Gesamtpaket zu bieten. Ergänzend zum Direktweg nach Afrika unterstützt die WKÖ gemeinsam mit der OeKB auch Exporteure in Kooperationen mit Generalunternehmern in europäischen Drittländern bezüglich Projekten in Afrika.“ Das Bundesministerium für Finanzen hat weiters die African-Austrian SME Investment Facility (AAIF+) für ­kleine und ­mittelgroße Unternehmen, die in Afrika investieren wollen, ins Leben gerufen. Mit der Umsetzung wurde die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB) beauftragt. „Ziel des Instruments ist es, KMU aus Österreich oder der EU im Aufbau von Unternehmen oder in der Entwicklung von Projekten in Afrika zu unterstützen, um so vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen und nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.“
 

Afrika besteht nicht nur aus Norden und Süden. Viele Länder, wie die Cote d‘Ivoire, schaffen Technologie- und Wirtschaftszentren wie hier in der Hauptstadt Abidjan.

Afrikanische Leapfrogs

Dass sich Chancen für gute Geschäfte ­ergeben können, zeigt auch eine Afrika-Studie von McKinsey, welche die fünf großen Trends erfasst, die die wirtschaftliche Entwicklung und das Potenzial des Kontinents prägen. Erstens die Demo­grafie: Die Bevölkerung Afrikas wächst nicht nur rasch, sondern lebt auch zunehmend in Städten und verfügt über steigende Kaufkraft. Zweitens schreitet die Industrialisierung – zumindest in gewissen Regionen – inzwischen rasch voran. Dadurch besteht Bedarf an ausländischem Know-how und Kapital. Hohes Potenzial steckt für export­orientierte Betriebe darin, dass ­Afrika bestehende Infrastrukturmängel (­Verkehr, Gesundheit, Energie) beheben muss. Hinsichtlich des gewaltigen Ressourcen-Reichtums Afrikas besteht die Heraus­forderung, eine nachhaltige und umweltschonende Nutzung von Bergbau, Land- und Forstwirtschaft zu etablieren. Der fünfte Trend ist das sogenannte technologische „Leap­frogging“, also das Überspringen herkömmlicher Entwicklungsschritte durch die Einführung digitaler und mobiler Technologien. Afrikanische Länder eignen sich insofern als Testmarkt für die Anwendung solcher Technologien außerhalb der Industrieländer, etwa im Bankwesen.
 

Wer den Markteintritt in Afrika wagen will, dem rät Dietmar Schwank zu „überschaubaren Märkten mit verhältnismäßig stabilen Rahmenbedingungen wie Cote d‘Ivoire, Ghana und Tansania“.

Der Faktor China

Doch bei aller Euphorie: Während das Potenzial dieses wachsenden Markts in Österreich bzw. in Europa allgemein erst langsam entdeckt wird, hat es ein Global Player längst erkannt und genutzt: ­China. „Viele der ehrgeizigsten Infrastruktur­­entwicklungen Afrikas werden von China unterstützt. Chinesische Bauunternehmer machen fast die ­Hälfte des internationalen Markts in Afrika für Engineering, Beschaffung und Bau (EPC) aus.“ ­China nutzt ­seine marktbeherrschende Stellung natürlich aus und deckt sich rohstoff­seitig in Afrika ein. Das schafft auch eine gewisse Abhängigkeit. So ist China bei Bauxit, einem Rohstoff, der für die Aluminium­erzeugung benötigt wird, zu 86  Prozent von Importen aus Afrika, vor allem aus Guinea, abhängig. Die Côte d‘Ivoire (Elfenbeinküste) ist einer von ­Chinas Hauptlieferanten bei Nickel, und die Demokratische Republik Kongo sorgt dafür, dass China – obwohl selbst keine Vorkommen – weltgrößter Kobaltveredler der Welt ist. ­China kontrolliert 80  Prozent des Weltmarkts dank des kongolesischen Rohstoffs. Eine Wirtschaftspartnerschaft auf ­Augenhöhe ist das längst nicht mehr. Doch die braucht es, so Schwank: „Die koloniale Vergangenheit wird von den betreffenden Ländern unterschiedlich aufgearbeitet, bietet aber auch Chancen. Für österreichische Unternehmen sind zum Beispiel Drittstaatskooperationen mit Afrika ein Thema, die über Portugal oder auch Spanien laufen können. Die heimischen Unternehmen punkten mit Verlässlichkeit, Qualität, ­Flexibilität und sind in diversen Marktnischen erfolgreich.“ All diese Faktoren sind auch in ­Afrika gefragt – und das ganz ohne Zollchaos. 

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