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Kapitalmarkt
Langfristig gesehen macht sich ein Engagement an der Börse bezahlt.
Langfristig gesehen macht sich ein Engagement an der Börse bezahlt.
peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus

„Börse enorm wichtig für Unternehmen“

28.12.2022 um 11:20, Klaus Schobesberger
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Wie wär’s mit etwas mehr Patriotismus im Depot? Wie trifft die Zinswende Anleger und Firmen? Fragen und Antworten zum heimischen Kapitalmarkt und zur Performance oberösterreichischer Börsenunternehmen.

Voestalpine, Pierer Mobility (KTM), Lenzing, AMAG oder FACC: Oberösterreichische börsennotierte Top-300-Unternehmen sind Eckpfeiler der heimischen Wirtschaft. Sie sichern Arbeitsplätze und Wertschöpfung und treiben Innovatio­nen voran. Österreichweit entfallen rund 12 Prozent der Produktionsleistung (oder 88,7 Milliarden Euro) auf Unternehmen, die an der Börse vertreten sind. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Österreich ist direkt oder indirekt mit diesen Unternehmen verknüpft, rechnete das Industriewissenschaftliche Institut (IWI) kürzlich vor. 71 österreichische Unternehmen zählte man Mitte 2022 an der Wiener Börse, im Jahr 2015 waren es noch 90 Firmen. Der Anlass für diesen rückläufigen Trend der letzten Jahre liegt für den Wertpapier-Chef der VKB-Bank, Christian Burger, auch an den niedrigen Zinsen für Fremdkapital: „Das ist sicher der Grund, ­warum sich der eine oder andere von der ­Börse verabschiedet hat. Dank der Nullzinspolitik konnte man sich billig Geld beschaffen und vermied zudem den Einfluss von Aktionären im Unternehmen.“ Mit dem Ende der Nullzinspolitik ­könnte die Börse wieder attraktiver für heimische Firmen werden, sagt Burger im Gespräch mit CHEFINFO.

CHEFINFO: Steigende Zinsen, hohe Inflation, Wirtschaftsabschwung: Welche Strategien verfolgen Anleger in diesen Zeiten?

Christian Burger: Antizyklisch zu investieren und sich breit aufzustellen sind derzeit große Themen. Gefragt in den Depots sind globale Player, die attraktive Dividenden und eine Wachstumsstory aufweisen. Dazu zählen Evergreens wie Nestlé, ­Apple oder die international gut aufgestellte Deutsche Telekom. Auch heimische Börsenunternehmen wie die Österreichische Post sind solide Dividendenzahler und entwickeln sich weiter.

Spiegelt sich ein gewisser Patriotismus in den Aktiendepots österreichischer Anleger wider?

Burger: Definitiv ja. Das gesteigerte Interesse liegt auch darin begründet, dass Investoren aus der Region über Aktivitäten von Unternehmen wie die voestalpine sehr gut informiert werden. Da genügt am Morgen schon ein Blick in die Zeitung.

Christian Burger
Christian Burger, Leiter Veranlagung VKB-Bank

Mit den steigenden Zinsen wird der Anreiz, sich Kapital von der Börse zu holen, wieder größer.

Die voestalpine AG erwirtschaftet 15 Milliarden Euro Jahresumsatz, die Marktkapitalisierung liegt bei rund fünf Milliarden Euro. Warum schwächelt der Stahlkonzern an der Börse?

Burger: Für Schwächen an der Börse kann es für Konzerne mehrere ­Gründe geben. Die Gewinnentwicklung spielt ebenso eine Rolle wie auch das Wettbewerbsumfeld, das bei der ­voestalpine traditionell hart ist. Zusätzlich kommen ein schwaches Marktumfeld und die Zurückhaltung größerer Investoren hinzu. Vor allem die USA sind stark vertreten am heimischen Börsenmarkt. Wien wird als Tor zu Osteuropa gesehen und österreichische Unternehmen werden mit in diesen Topf geworfen, obwohl sie oft kein oder nur wenig Ost-Engagement haben.

Was könnte sich auf den Kurs positiv auswirken – Innovationen?

Burger: Natürlich, die voestalpine ist ein Vorreiter bei grünem Stahl, das bei Investoren sehr positiv gesehen wird! Aber das ist ein langfristiges Projekt. Aufgrund der hohen Energiekosten könnte sich dieser Transformationsprozess verzögern. Grundlegend ist weiterhin eine gute Nachfrage in den wesentlichen Marktsegmenten zu sehen. Eine Frage ist auch, wie es mit den Investitio­nen weitergeht. Der gestiegene Leitzins der Zentralbanken versetzt der Konjunktur in der EU einen zusätzlichen Dämpfer. Das macht es auch etwas schwieriger. Wenn Menschen im Sparmodus sind, dann wirkt sich das negativ auf die Autoindustrie oder Bauwirtschaft aus. ­Diese Entwicklung könnte einen gewissen Druck auf die Industrie ausüben. Positiv aus Sicht der Anleger ist zu bemerken, dass die Hausaufgaben erledigt wurden. Vom verlustbringenden Werk in Corpus ­Christi, im US-Bundesstaat Texas, hat sich die voestalpine großteils verabschiedet. Auch hinsichtlich Versorgung mit Rohstoffen hat man sich neu organisiert und die Lieferketten neu aufgestellt.

Voestalpine AG
Die voestalpine als Pionier bei grünem Stahl: Aktuell machen hohe Energiekosten und steigende Zinsen das Markt­umfeld schwieriger.

Ein neues Schwergewicht an der Wiener Börse ist die Pierer Mobility AG. Der Konzern rund um die Motorradmarke KTM setzt auf E-Bikes und Zukäufe – aktuell schnappte man sich die Kultmarke MV Agusta. Zutaten für eine gute Wachstumsstory?

Burger: Auf jeden Fall. Zweirad und Elektromobilität sind ein Megatrend. KTM ist eine weltweit bekannte Motorradmarke mit Zugkraft und mit E-Mobility signalisiert man: Wir glauben an die Zukunft der erneuerbaren Energien. Hier wird der politische Faktor eine große Rolle spielen: Wie weit wird E-Mobilität weiterhin gefördert? Wie sieht es mit den Ressourcen aus, wenn die Energiepreise auf einem höheren Level bleiben?

Bei Pierer Mobility und anderen wird die Aktienmehrheit von den Unternehmern oder Gründern gehalten. Eine österreichische Spezialität?

Burger: Das ist generell bei vielen österreichischen Familienunternehmen an der Börse der Fall: Der große Anteil ist im Eigenbesitz und der Streubesitz ist überschaubar. Das ist ein Wermutstropfen für Anleger. Denn je mehr Aktien im Umlauf sind, desto interessanter ist das Unternehmen für Investoren.

KTM Race
KTM ist das Zugpferd der Pierer Mobility AG. Das Unternehmen ist in Frankfurt, Zürich und Wien gelistet.

In den letzten Jahren haben sich mehr Firmen von der Börse zurückgezogen, als neu gelistet wurden.

Burger: Der österreichische Markt wird überwiegend von KMUs dominiert. Nichtsdestotrotz ist die Wiener ­Börse eine enorm wichtige Plattform für Unternehmen, um sich Kapital zu holen und im internationalen Konzert mitzuspielen. Dass sich Unternehmen von der Börse zurückgezogen haben, lag auch an der langjährigen Niedrigzinsphase. Dank der Nullzinspolitik konnte man sich billig Geld beschaffen und vermied den Einfluss von Aktionären im Unternehmen. Doch die Ära des billigen Geldes ist jetzt vorbei. Mit den steigenden Zinsen wird der Anreiz, sich Kapital von der Börse zu holen, wieder größer. Daher werden wir in der Zukunft sicher noch den einen oder anderen Börsengang erleben.

Antizyklisch zu investieren und sich breit aufzustellen sind derzeit große Themen.

An der Wiener Börse sind namhafte Unternehmen gelistet. Wie beurteilen Sie den Finanzplatz Österreich?

Burger: Die Wiener Börse hat sich international als sicherer und stabiler Finanzplatz etabliert. Die hohe wirtschaftliche und generell politische Stabilität schaffen zusammen mit der guten Lage im Zentrum Europas einen optimalen Ausgangspunkt. Die Transparenz und die streng geregelten Finanzmärkte bieten eine zusätzliche Sicherheit für den Investor.

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