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Betriebliche Kinderbetreuung
Oberösterreichs Unternehmen setzen auf eigenen betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen für ihre Mitarbeiter.
Oberösterreichs Unternehmen setzen auf eigenen betriebliche Kinderbetreuungseinrichtungen für ihre Mitarbeiter.
OÖG

Betriebliche Kinderbetreuung: Oö. Unternehmen preschen vor

22.03.2022 um 15:40, Verena Schwarzinger
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Wohin mit dem Nachwuchs, wenn Mama und Papa berufstätig sind? Wie Arbeits- und Fachkräfte binden, wenn familiäre Rahmenbedingungen fehlen? Keine Kapazitäten, zu kurze Öffnungszeiten und hohe Extrakosten lassen Arbeitgeber die Kinderbetreuung ihrer Mitarbeiter immer öfter selbst in die Hand nehmen.

Die Kosten für eine regelmäßige Kinderbetreuung vor allem auch am Nachmittag sind hoch. Die immer flexibler werdenden Arbeitszeiten der Eltern können in Krabbelstuben und Kindergärten nicht abgedeckt werden. Die Einrichtungen verfügen über zu geringe Kapazitäten. Qualifizierte Fachkräfte, die die Betriebe so notwendig bräuchten, lehnen Angebote aufgrund einer unzureichenden Kinderbetreuung ab. Frauen bleiben in Teilzeitjobs, dies wirkt sich negativ auf die Absicherung im Alter und ihre finanzielle Unabhängigkeit aus.

OÖ im Bundesländerranking abgeschlagen

In Oberösterreich waren laut Arbeiterkammer 2020/2021 nur 23,1 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren in einer vollzeittauglichen Betreuung. Lediglich 4,6 Prozent des Nachwuchses unter drei Jahren wurden in Krabbelstuben betreut. Aktuell sind 65.027 Kinder in den oö. Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen zur Aufsicht. „In den vergangenen fünf Jahren wurden 4.600 neue Krabbelstuben-, Kindergarten- und Hortplätze geschaffen. 150 zusätzliche Krabbelstubengruppen wurden für U3-Jährige eingerichtet, da hier auch die Nachfrage am kräftigsten wächst“, berichtet Christine Haberlander, Landesrätin für Bildung, Frauen und Gesundheit. Doch dieses Engagement kann die immer stärker steigende Nachfrage nicht abfangen. Die fehlende Betreuung für die Kleinen, damit beide Elternteile arbeiten gehen können, regeln aufgrund fehlender Plätze, von zu wenig Personal, zu hohen Kosten und zu unflexiblen Betreuungszeiten immer mehr oö. Unternehmen selbst.

Kinder- und elternfreundlich

Zurzeit neun, in den nächsten Monaten 14 Kinder im Alter von ein bis drei Jahren tanzen, singen, spielen und toben in FABIs Kindernest, der betrieblichen Kinderbetreuungseinrichtung des Unternehmens Fabasoft in Linz. „Die betriebliche Betreuung gibt den Eltern das beruhigende Gefühl, den Nachwuchs sicher aufgehoben und optimal betreut zu wissen, ohne zusätzlichen Weg, da die Betreuung direkt im Haus stattfindet. FABIs Kindernest richtet sich auch an die Bedürfnisse der Fabasoft-Teammitglieder hinsichtlich Öffnungszeiten“, sagt Helmut Fallmann, Mitglied des Vorstandes der Fabasoft AG. Die Betreuung steht ausschließlich Fabasoft-Beschäftigten zur Verfügung – unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit. Das Interesse ist groß und die Zahl der Kinder wächst stetig. Das Unternehmen nutzt die Chance des attraktiven Benefits für bestehende und potenzielle Mitarbeiter und wurde aktuell als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifiziert.

Ohne zusätzlichen Weg sichern wir eine Betreuung direkt im Haus zu den Arbeitszeiten der Eltern.

Starker Benefit für Fachkräfte

Eine halbe Autostunde entfernt in Wels dringt das Lachen von 38 Kindern aus einer Kindergarten- und zwei Krabbelgruppen durch die Räumlichkeiten am Betriebsgelände der Kellner & Kunz AG. Die aus der Sommerbetreuung heraus entwickelte ganzjährige Betriebskinderstätte RECA minis orientiert sich an den Arbeitszeitmodellen der Eltern. „Die Kinderbetreuung ist zweifelsfrei ein großer Anreiz, bei uns arbeiten zu wollen. Wir sprechen damit auch gezielt Teilzeitkräfte und Wiedereinsteigerinnen an. Beruf und Familie schließen sich bei uns nicht aus“, sagt Astrid Siegel, Vorstand der Kellner & Kunz AG, und ergänzt: „Der Jobmarkt ist heiß umkämpft. Es wird immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Speziell im Raum Wels stehen wir in starker Konkurrenz mit großen internationalen Betrieben. Der Wertewandel tut sein Übriges. Deshalb schaffen wir ein Umfeld, das die richtigen Mitarbeiter anzieht.“ Träger der beiden Einrichtungen bei Fabasoft und Kellner & Kunz ist das Diakoniewerk Oberösterreich mit fachkundigem Personal.

Es ist schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Deshalb schaffen wir ein anziehendes Umfeld.

SFK in Kirchham bietet den Mitarbeitern eine Tagesmutterbetreuung für Kinder unter drei Jahren an. In den Sommerferien kommen auch Schulkinder in deren Obhut. Die Finanzierung gelingt durch einkommensabhängige Beiträge der Mitarbeiter und ein großes Stück des Kuchens aus dem Unternehmensbudget.

Am Rande der Öffnungszeiten

Ein Beschäftigungsverhältnis im Handel oder in einem Krankenhaus nimmt in puncto Arbeitszeiten nochmals ganz andere Dimensionen an – frühmorgens, abends, nachts und am Wochenende werden die helfenden Hände gebraucht. Der betriebliche Kindergarten der Plus- City ist daher unter der Woche bis 18.30 oder gar bis 21.30 geöffnet. Für viele Eltern der 3.500 Mitarbeiter stellt die flexible Kinderbetreuungseinrichtung, geführt von den Kinderfreunden in Kooperation mit der Aktion Tagesmütter, eine enorme Erleichterung dar. Das Klinikum Rohrbach bieten ebenso eine ganzjährige Betriebstagesstätte. „Ein Drittel unserer Mitarbeiter ist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Sowohl die Berufsfelder der Pflege als auch der Medizin sind ,sehr weiblich‘ geworden. Eigene Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind das Um und Auf, wenn es um die Arbeitsplatz- bzw. Ausbildungswahl geht. Dank der flexiblen Kinderbetreuung wird auch die Rückkehr unserer Mitarbeiter nach der Karenz begünstigt“, so Leopold Preining, Kaufmännischer Direktor im Klinikum Rohrbach. Um die aktuell zehn Kinder im Alter von ein bis drei Jahren und im Sommer von zwei bis zwölf Jahren sorgen sich Fachkräfte des oö. Familienbundes.

Kinderbetreuung ist das Um und Auf, wenn es um Arbeitsplatz und Ausbildungswahl geht.

Vorbild einmal mehr Skandinavien

In Sachen Vereinbarkeit von Familie und Karriere sind wieder einmal die skandinavischen Länder voran. In Schweden wurde bereits vor einem halben Jahrhundert erkannt, dass der akute Fachkräftemangel und der Einstieg der Frauen am Arbeitsmarkt nur durch eine flächendeckende und kostengünstige Kinderbetreuung gefördert werden kann. 80 Prozent der Schwedinnen sind erwerbstätig, in Österreich lediglich 68 Prozent der Frauen. Die oberösterreichische Landespolitik verspricht für 2022 einen weiteren Ausbau der Kinderbetreuung und parkt dafür ein Volumen von 256 Millionen Euro. Mit diesem Geld sollen 480 zusätzliche Krabbelstuben- und 173 weitere Kindergartenplätze geschaffen werden. Auch für Schüler werden 46 neue Hortplätze am Nachmittag ermöglicht.

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