Direkt zum Inhalt
Porträt des Gründers mit Fuchs-Figur
Schlaue Füchse unter sich: Sven Voth und das Higgins-Markenzeichen
Schlaue Füchse unter sich: Sven Voth und das Higgins-Markenzeichen
Higgins/Elmas Imeri

Higgins-Boss Sven Voth: Mr. Snipes will's wieder wissen

18.11.2025 um 14:00, Andrea Schröder
min read
Nach 800 Snipes-Stores startet Sven Voth, 52, mit Higgins neu durch. Warum er an das Konzept glaubt – und welche Rolle sein Sinn für Gerechtigkeit dabei spielt.

Herr Voth, viele Menschen hätten nach einem Erfolg wie Snipes einfach einen Gang zurückgeschaltet. Warum haben Sie sich entschieden, noch einmal von vorne zu beginnen?
Voth: Die Neugier, ein neues Konzept unter völlig anderen Voraussetzungen zu entwickeln, war zu groß. Als ich Snipes gründete, hatte ich kein Netzwerk, kaum Kapital und keinerlei Erfahrung. Ende der Reise standen 800 Stores in zwölf Ländern und fast zwei Milliarden Euro Umsatz. Heute starte ich mit allem, was mir damals fehlte: Erfahrung, Kapital, Kontakte. Gleichzeitig befinden wir uns erneut an einem Wendepunkt. So wie E-Commerce und Social Media damals die Handelswelt verändert haben, wird es jetzt die künstliche Intelligenz tun – vermutlich noch einschneidender.

Dazu kommt, dass die Lebensrealität heute eine andere ist. Alles ist teurer geworden, die Menschen haben weniger Kaufkraft. Sie überlegen, ob ein 300-Euro-T-Shirt zeitgemäß ist oder ob die Winterjacke vom Vorjahr nicht reicht.

Sven Voth

Snipes war ein Lifestyle-Produkt, ein Statussymbol. Higgins ist ein Bedarfskonzept. Wir bieten das an, was Menschen wirklich brauchen – nur eben zu Preisen, die wieder erreichbar sind.

Porträt
Sven Voth zieht auf großen Marketing-Events das Publikum in seinen Bann.

Sie sprechen häufig über Purpose. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Voth: Meine Jahre in den USA haben mich in dieser Hinsicht geprägt. Dort wird jeder CEO unmittelbar gefragt: „Was tun Sie für die Community?“ In Europa findet dieser Gedanke erst langsam statt. In amerikanischen Städten sieht man Armut, Obdachlosigkeit, Drogenprobleme und psychische Krisen ungefiltert. Unsere Stores lagen mittendrin – und man erkennt schnell, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen, sonst funktioniert das Umfeld nicht.
Ich wollte Purpose nie künstlich erfinden. Ich musste ihn erleben. Und ich habe ihn gefunden, als ich begonnen habe, ganz konkret zu helfen: Schulrucksäcke für Kinder zu finanzieren, Computer-Labs für jene aufzubauen, die keinen Zugang zu digitaler Bildung haben. Das hat mich tief geprägt.
Außerdem spüre ich selbst, wie teuer Alltag geworden ist. Ein einfacher Familienausflug kann an der Kasse zur Belastung werden. 

 

Viele Eltern können ihren Kindern Dinge nicht mehr ermöglichen, die früher selbstverständlich waren. Diese Ungerechtigkeit motiviert mich, ein Konzept zu schaffen, das real entlastet.

Sven Voth

Warum haben Sie sich entschieden, Higgins ausgerechnet in Österreich zu starten?
Voth: Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich meinen Wohnort frei wählen. Durch die Familie meiner Frau haben wir eine Verbindung nach Österreich, ich habe bereits viele Snipes-Filialen hier eröffnet und wir waren oft in Wien. Die Stadt ist für uns ideal.
Wirtschaftlich ist Österreich ein sehr guter Startmarkt. Mit knapp neun Millionen Einwohnern erzeugen zehn Filialeröffnungen sofort große Aufmerksamkeit. In Deutschland würde so etwas kaum wahrgenommen werden. Und Österreich ist modisch etwas langsamer unterwegs – das erleichtert den Einstieg.

Trotz aller Erfahrung muss ich sagen: Die aktuelle Kaufzurückhaltung ist eine der schwierigsten Phasen, die ich erlebt habe – und ich habe als Händler 9/11, Lehman und die Pandemie mitgemacht.

Sven Voth

Dennoch sind wir mit den ersten Zahlen sehr zufrieden. Die wichtigsten KPIs stimmen, aber wir brauchen natürlich viel Frequenz, weil unsere Preislage niedrig ist.

Der Fuchs ist das zentrale Symbol von Higgins, ebenso das kräftige Grün. Was hat es damit auf sich?
Voth: Der Fuchs steht für Cleverness: Schlaufuchs, Sparfuchs – es ist ein Tier, mit dem man sofort etwas Positives verbindet. Zufällig wurde er in Österreich auch noch zum „Tier des Jahres“ gewählt. Ich selbst liebe Füchse, bei uns im Garten laufen regelmäßig welche herum.
Grün entstand aus dem Look unseres Logos, das an amerikanische College-Schriftzüge erinnert. Wir haben verschiedene Farben ausprobiert, doch Grün funktionierte sofort. Orange war bereits Snipes, also wollten wir bewusst etwas Neues.
Der Fuchs ist zudem ein idealer Träger für unsere Community-Aktivierungen. Er bringt bei den Vienna Vikings den Ball aufs Feld, taucht bei Events im Prater auf, begleitet Schatzjagden oder filmt, wie Produkte für Higgins ausgewählt werden. Unser Marketing soll nahbar und spielerisch sein – und gleichzeitig vermitteln, wie wir arbeiten.

Fast Fashion steht zunehmend in der Kritik. Wie positioniert sich Higgins in dieser Debatte?
Voth: Unsere Kundinnen und Kunden führen keine theoretische Debatte über Fast Fashion. Sie müssen Kinder einkleiden, die ständig wachsen, sie brauchen Hausschuhe, Regenjacken, Stiefel, Basics – und sie müssen das bezahlen können. Wir bedienen echten Bedarf und ersetzen keine kurzfristige Trendjagd.
Gleichzeitig sehen wir, dass Menschen weiterhin Marken tragen möchten. Ein Markenlogo gibt vielen ein Gefühl von Zugehörigkeit oder Selbstbewusstsein. Nur können sich viele Markenprodukte nicht mehr leisten. Deshalb haben wir mit den Brands gesprochen: Wir brauchen keine aufwendigen Materialien, keine Verzierungen. Ein gutes Basic mit Logo reicht, damit Menschen sich wieder etwas leisten können, das vorher außer Reichweite war.

Sie verzichten bewusst auf E-Commerce. Warum?
Voth: Weil Online-Handel im niedrigen Preissegment kaum profitabel zu betreiben ist. SEA-Kosten sind inzwischen teurer als Premium-Lagen in Innenstädten. Retouren zerstören die Marge, und bei unseren Preisen ist das Porto oft höher als der Artikel.
Außerdem widerspricht ein reiner Online-Ansatz unserem Kern: Wir wollen echte Begegnung.

Innenansicht eines Higgins Stores
Coole Mode für die ganze Familie zu erschwinglichen Preisen: das Higgins Konzept

Unsere Filialen sind so gewählt, dass Kundinnen und Kunden mindestens drei Stunden kostenlos parken können. Das ist unsere Art von Convenience – nah am Alltag, nah an den Familien.

Sven Voth

Welche Eigenschaften müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Higgins mitbringen?
Voth: Sie müssen Menschen mögen – wirklich. Bei uns kommt jede Kundin und jeder Kunde herein, mit völlig unterschiedlichen Bedürfnissen. Wer damit nicht umgehen will, wird nicht glücklich bei uns.
Wir haben in extrem kurzer Zeit rund 60 Personen eingestellt. Natürlich passt nicht jeder perfekt, deshalb rekrutieren wir nach. Wir wirken durch unsere Medienpräsenz älter als wir sind – dabei sind wir erst seit wenigen Monaten am Markt. Das Tempo, das wir vorgeben, muss man mögen.

Wie sieht Ihre Vision für Higgins aus?
Voth: Mein wichtigstes Ziel ist, dass Menschen sagen: „Wir treffen uns um 16 Uhr bei Higgins.“ Dieser Satz war für Snipes entscheidend. Wenn ein Unternehmen im Alltag einer Community verankert ist, kommt der Rest von allein: Umsatz, Marge, Expansion.
Wir wollen ein täglicher Anlaufpunkt werden. Nicht nur, wenn jemand gezielt shoppen möchte, sondern wenn man etwas braucht – eine Mütze, ein T-Shirt, Kinderstiefel. Higgins soll da sein, wo die Menschen leben: fußläufig erreichbar, mit kostenlosen Parkmöglichkeiten, als Teil des Alltags.
Wenn alles so funktioniert, wie wir es planen, stehen wir in fünf Jahren in mehreren Ländern und betreiben einige hundert Stores. Wir machen das nicht, um auf zehn Filialen zu kommen, sondern weil wir überzeugt sind, dass dieses Konzept in vielen Märkten relevant ist.

more