Der Kult ums "Kameel"
Inhalt
- Vom Sohn zum Nachfolger
- Ästhet und Perfektionist
- Erfolgsgeheimnisse
- Schwierige Gäste
- Väter und Söhne
- Das Schwarze Kameel in Zahlen
1618 A.D.: Der Dreißigjährige Krieg beginnt, Ferdinand II. wird gekrönt – und Johann B. Cameel gründet am Standort Bognergasse eine Gewürzhandlung. Zwei Jahrhunderte später tritt Familie Stiebitz auf den Plan, sie wird im Weinhandel erfolgreich und schließlich Hoflieferant. 1901 errichtet man das Gebäude neu. 1951 geht das Weinhaus mit Stehbar in den Besitz der heutigen Eigentümer, der Gastronomenfamilie Friese über.
Vom Sohn zum Nachfolger
Peter Friese (geb. 1957) half schon als Teenager, damals noch Lehrling im „Bristol“, im elterlichen Betrieb und übernahm ihn schließlich. Das Restaurant Beletage sowie die Bar Campari (ebenfalls im Ersten) sind seine Erfindung. Mit Frau Christina hat er zwei Söhne.

Ästhet und Perfektionist
Begeisterung ist bei ihm keine Pose, sondern ein Charakterzug. Das soeben besuchte Hotel in Venedig – so schön! Der opulente Blumenschmuck, die Gemälde, das Mobiliar: „Eine Wohltat für die Seele.“ Einer wie Peter Friese will nicht irgendein Lokal führen, es muss ein besonders schönes Lokal sein.
Nicht nur die Substanz wie die Stehbar aus massivem Holz und die glänzenden Luster entsprechen diesem Ideal: Im Regal liegen die Schokoladetafeln in farblicher Harmonie. Pinke Pfingstrosen zieren die Tische, jede perfekt aufgeblüht. Und die Blumentöpfe aus italienischer Keramik im Schanigarten: alle hübsch in Reih und Glied. Perfekt oder gar nicht Peter Friese hat ein genaues Auge, und eine Angewohnheit:
Am Abend, wenn es schon ruhig ist, setze ich mich hin und notiere auf kleinen Zetteln, was mir auffällt. Dabei suche ich mir immer einen anderen Platz.
Erfolgsgeheimnisse
Der Gastronom weiter: „Erst dann bemerkst du die verblühte Blume, das Bild, dass man anders platzieren muss. Ich mache alles immer so lang, bis es perfekt ist. Für mich perfekt “ Merke: Erst ein Wechsel der Perspektive lenkt den Blick auf das Detail. Dieser Blick - und jahrzehntelange Hingabe an den Betrieb - erklären den Erfolg des "Kameel".
Früher habe ich jeden Tag in der Früh aufgesperrt und am Abend zu. Es hat gar kein anderer den Schlüssel
gehabt.

Schwierige Gäste
Peter Friese spricht mit leiser Stimme. Die lauten Töne liegen ihm nicht so. Das gilt auch für die Gäste. Jene, die sich ganz besonders wichtig nehmen, sind ihm unangenehm. „Es muss immer noch mehr, noch besser sein. Natürlich hat man den Kaffee oder das Glas Wein schon irgendwo getrunken, wo es noch toller war, in Paris oder in Monaco.“ Pause. „Wir können mit diesen Gästen auch gar nicht so gut umgehen,“ sagt er dann, und meint wohl: Und wir wollen auch nicht.
Väter und Söhne
Wie viele Vertreter seiner Zunft hat Friese eine Doppelrolle inne: Gastronom und Unternehmer: In welcher fühlt er sich wohler? Er lacht. „Wenn ich nicht gleichzeitig der Eigentümer wäre: Als Geschäftsführer würde ich mich entlassen.“ Werden sich die zwei Söhne ebenfalls für die Hospitality-Branche entscheiden (Friese: „ein Milliardenmarkt“), einmal das „Kameel“ lenken? Der Kult-Gastronom dazu: „Ich kann ihnen Möglichkeiten eröffnen, etwa durch Kontakte in der Branche. Aber letztendlich müssen sie selbst performen. Ich kann ihnen den Weg ebnen, aber nicht alles abnehmen.“

Mein Vater hat stets darauf geschaut, dass ich arbeite. Ich habe auch etwas dafür bekommen. Mir ist es dadurch immer gut gegangen
Das Schwarze Kameel in Zahlen
- Mehr als 200 Sitzplätze, davon allein 120 im großen Schanigarten zum „Sehen und Gesehen werden“.
- Rund 200 Mitarbeitende. Einige überprüfen ausschließlich Brötchen-Bestellungen auf Richtigkeit.
- 20+ Millionen Euro. Soviel Umsatz erwirtschaften die drei Standorte in etwa.
- 363 Tage geöffnet. Nur am 25. 12. und am 1. Jänner bleibt das Lokal geschlossen.