Josef Grünwidl: Wer ist der neue Erzbischof von Wien?
- Vom Weinviertel in die Hauptstadt der Kirche
- Wie tickt Josef Grünwidl
- Grünwidls Standpunkt zu Zölibat und Frauen in der Kirche
- Grünwidl wollte nie Erzbischof werden
- Wann Grünwidl auf Schönborn folgt
Josef Grünwidl dürfte als neuer Erzbischof von Wien dauerhaft in den Wiener Stephansdom ziehen. Kardinal Christoph Schönborn hat sich zu seinem 80. Geburtstag im Jänner in den Ruhestand verabschiedet. Seitdem leitet Grünwidl die Erzdiözese bereits interimistisch als apostolischer Administrator. Der Ministerrat wird die Entscheidung des Papstes am Donnerstag in einem Umlaufbeschluss bestätigen. Aber wie tickt der 62-jährige Theologe aus Hollabrunn?
Vom Weinviertel in die Hauptstadt der Kirche
Geboren 1963 in Hollabrunn, wuchs Josef Grünwidl in einem katholischen Elternhaus auf. Nach der Matura trat er ins Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. Parallel dazu absolvierte er ein Orgelstudium im Konzertfach an der Musikuniversität Wien. Musik wurde für ihn, wie er später sagte, zum „Lebensmittel und Weg zu Gott“.
Seine Weihe empfing er 1988 im Stephansdom aus den Händen von Kardinal Franz König, ein prägender Wendepunkt in seinem Leben, wie er später betonte. Früh zeigte sich seine Liebe zur Seelsorge und zu den Menschen. Grünwidl arbeitete zunächst als Kaplan auf dem Land, bevor er nach Wien zurückkehrte.
1993 holte ihn der frisch ernannte Erzbischof Christoph Schönborn als Sekretär in die Bischofskurie. Fünf Jahre lang diente er als enger Mitarbeiter und lernte die Mechanismen der Kirche aus nächster Nähe kennen. Nach seiner Tätigkeit im Ordinariat übernahm er verschiedene Pfarren, später wurde er Dechant und schließlich geschäftsführender Vorsitzender des Wiener Priesterrats.
Wie tickt Josef Grünwidl
Wer Josef Grünwidl begegnet, erlebt einen Mann ohne große Gesten, aber mit klarer innerer Linie. Seine Kollegen beschreiben ihn als verbindlich, loyal und bedacht. Grünwidl gilt als jemand, der lieber zuhört als spricht. Er zitiert gern den Humoristen Loriot, dessen „freundliche Ironie“ ihn durch schwierige Zeiten getragen habe. Sein von den Benediktinern übernommenes Lebensmotto „Bete, arbeite und lies“ spiegelt seine ruhige Lebensweise wider. In der Kirche gilt er als volksnah, aber nicht populistisch. Als passionierter Seelsorger mit Sinn für Alltägliches und einer Abneigung gegen Machtkämpfe ist er ganz nach dem Geschmack von Papst Leo XIV.: hemdsärmeliger Typ, der lieber handelt als redet. Grünwidl über sich selbst gegenüber dem ORF: „Ich sehe meine Aufgabe darin, zuzuhören und gemeinsam Wege zu suchen.“
Grünwidls Standpunkt zu Zölibat und Frauen in der Kirche
Auch wenn Grünwidl als „leise“ gilt, sorgen seine nicht ganz konservativen Ansichten für umso größeren Wirbel. Kirchlich treu verankert, schreckt der 62-Jährige nicht davor zurück, eigene und durchaus eigenwillige Positionen zu vertreten. So hält er es für zeitgemäß, Priestern die Wahl zu lassen. „Männer, die Priester werden wollen, sollen sich frei entscheiden können, ob sie das in der zölibatären Lebensform oder mit Familie tun“, so Grünwidl, der sich offen für die freiwillige Ehelosigkeit ausspricht. Das Zölibat bleibe „eine wertvolle Lebensform, aber keine Voraussetzung für den Dienst am Altar“.
Auch zur Rolle der Frauen in der Kirche vertritt Grünwidl eine klare Haltung. „Wenn man sich das Leben in den Pfarren ansieht, merkt man, dass es ohne Frauen nicht gehen würde“, ist Grünwidl, der mehr Mitbestimmung auf allen Ebenen will, überzeugt. Zur Weihefrage äußert er sich behutsam, aber eindeutig. Er sagte, es gebe kaum mehr Verständnis dafür, warum Frauen aufgrund ihres Geschlechts vom Priesteramt ausgeschlossen seien. In seiner Diözese will er Frauen fördern und stärker einbinden.
Grünwidl wollte nie Erzbischof werden
Bereits seit zehn Monaten ist die Stelle im Wiener Stephansdom vakant, lange hat sich Grünwidl geziert. Noch im Sommer betonte er gegenüber den „NÖN“, er wolle das Amt nicht übernehmen. Im April hat er in der ZIB 2 aber auch durchblicken lassen, dass er sich nicht mit Händen und Füßen dagegen wehren werde. „Ich wurde in der vergangenen Zeit mehrmals daran erinnert, dass ich in der Kirche auch Gehorsam gelobt habe. Wenn es wirklich so sein sollte, werde ich schauen, wie ich mich entscheide.“ Trotzdem war es ein langer Weg.
„Ich sehe mich nicht in dieser Aufgabe“, erklärte Grünwidl in seiner Predigt zu Maria Himmelfahrt. „Diese Entscheidung wird der Papst treffen.“ Jetzt hat der Papst entschieden, und Wien erhält einen Erzbischof, der dieses Amt ursprünglich gar nicht wollte. Auf Grünwidl kommt eine doppelte Herausforderung zu: Er muss das Erbe Schönborns antreten und gleichzeitig seine eigene Linie finden. Weggefährten sind überzeugt, dass er das mit Ruhe und Gelassenheit schaffen wird.
Wann Grünwidl auf Schönborn folgt
Die Ernennung eines Wiener Erzbischofs ist ein seltener Vorgang. Christoph Schönborn hatte das Amt über drei Jahrzehnte inne. Der Vatikan muss dazu, wie zu Zeiten der Monarchie vorgeschrieben, den Namen des Kandidaten der Bundesregierung mitteilen. Da keine Einwände „allgemein politischer Natur“ erhoben wurden, steht der Bestellung nun nichts mehr im Wege. Nach der offiziellen Veröffentlichung im vatikanischen „Bollettino“ wird die Pummerin zur Ernennung von Wiens neuem Oberhirten läuten. Grünwidl wird vor seiner Amtsübernahme noch die Bischofsweihe empfangen, die Erzbischof Franz Lackner aus Salzburg leiten wird. Spätestens vor dem Advent soll er offiziell sein Amt antreten können.