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Gerd Müller (li.) mit Franz Beckenbauer
Gerd Müller (li.) mit Franz Beckenbauer
Peter Kneffel / dpa / picturedesk com

Der "Bomber der Nation" ist tot: Das machte Gerd Müller so besonders

16.08.2021 um 11:06, Philipp Eitzinger
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Ohne Gerd Müller gäbe es den FC Bayern in seiner heutigen Form nicht. Franz Beckenbauer wäre nicht so ein Star geworden, Deutschland 1974 nicht Weltmeister, wenn der größte Torjäger der deutschen Geschichte nicht gewesen wäre. Nun ist er gestorben.

68 Tore in 62 Länderspielen. Europameister 1972, Weltmeister 1974, Europacup-Sieger 1967 und 1974 und 1975 und 1976, vielfacher Deutscher Meister: Gerd Müller sammelte die großen Titel wie nur wenige sonst – sein langjähriger Freund und Bayern-Teamkollege Franz Beckenbauer und Müller trugen den deutschen Fußball in ungeahnte Höhen.

Ein ganz normaler Mensch

Aber was war so besonders an Gerd Müller? Denn er verbreitete nicht die Grandezza eines Beckenbauer, nicht den Rebellengeist eines Günther Netzer, nicht den Lausbuben-Charme eines Sepp Maier. Er war kein Provokateur wie Paul Breitner, kein typisch-deutsch-humorloser Wadelbeißer wie Berti Vogts.

Müller war ein Typ wie du und ich. "Er hat sich immer, auch im Urlaub, benommen wie der Herr Maier, Müller, Huber. Immer freundlich, jeden Foto-Wunsch erfüllt, ohne Murren, und wenn es der fünfhundertste an dem Tag war - völlig egal", beschrieb es Paul Breitner. Star-Allüren waren dem 1945 in Schwaben geborenen Müller immer völlig fremd. Mit seiner Frau Uschi war er 54 Jahre verheiratet.

Dass er neben seinen schillernden Teamkollegen die Behandlung von ihm als Person aus ärmlichen Verhältnissen ohne öffentliche Ambitionen immer als etwas abschätzig empfand, hat Müller sicher auch angetrieben - eben um es allen zu beweisen.

 

"Kleines, dickes Müller" als ultimativer Torjäger

Dafür war er auf dem Feld der ultimative Stürmer. Seine relativ kurzen Beine verliehen Müller nicht nur einen tiefen Körperschwerpunkt und damit Vorteile in Sachen Wendigkeit, wie es in unzähligen seiner Tore zu sehen war. Sie verliehen ihm auch den Spitznamen "kleines, dickes Müller", geprägt von seinem einstigen Trainer Zlatko Cajkovski.

Sein Instikt war sprichwörtlich. Er erkannte Torchancen, lange bevor sie sich ergaben. Wann immer es etwas zu holen gab, Müller stand da. Der zum geflügelten Wort gewordene Spruch "Es hat gemüllert" hat sich der heutige Bayern-Star Thomas Müller (mit dem Gerd nicht verwandt ist) zum Vorbild genommen und seinen Twitter-Handle so genannt (esmuellert_).

Seine 365 Tore in 14 Jahren Bundesliga sind noch immer Rekord, seine 40 Treffer in der Saison 1971/72 waren es bis vor drei Monaten, als Robert Lewandowski diese Bestmarke verbesserte.

Absturz und Rehabilitation

Im Frühjahr 1979 ging der damals 33-Jährige Müller in die USA und ließ seine Karriere dort mit einem gut bezahlten Engagement in Florida ausklingen. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn folgte aber der Absturz: In seiner neuen Tätigkeit als prominenter Chef eines Restaurants fühlte sich Müller unwohl, der Alkohol wurde immer mehr zu einem Thema. Im Herbst 1991 griffen ihm seine ehemaligen Teamkollegen wie Hoeneß und Beckenbauer unter die Arme, einer Entziehungskur folgte die Anstellung als Nachwuchs-Trainer beim FC Bayern. So bekam Müller sein Leben wieder in den Griff und konnte seine große Erfahrung an junge Spieler weitergeben.

Seit rund sechs Jahren lebte der an Demenz erkrankte Gerd Müller in einem Pflegeheim. Nun ist er im Alter von 75 Jahren verstorben.

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