Hirscher wettert: "Spitzensportler sind Content-Kreateure"
Ob Marcel Hirscher nach seinem Kreuzbandriss im Dezember seine Karriere fortsetzt, bleibt unklar. Die Frage, ob er für die Niederlande an den Olympischen Spielen 2026 teilnehmen wird, ist weiterhin unbeantwortet. In seiner Kolumne für „The Red Bulletin“ äußert sich der 36-Jährige stattdessen kritisch über den Zustand des Spitzensports und gewährt damit tiefe Einblicke.
Vom Ideal zum Zweifel
Zunächst klingt der Text wie eine Hommage an den Sport. „Im innersten Kern ist Sport Bewegung und Begegnung. Er trägt ein wertvolles Set an Werten in sich – Disziplin, Fairness, Respekt, Teamgeist, Hingabe“, schreibt Hirscher. Er fragt: „Was wäre, wenn es keinen Sport mehr gäbe?“ Seine Antwort: „Der Menschheit würde etwas Essentielles fehlen.“ Doch der Ton wird schnell ernster. Für Hirscher ist der Sport nicht mehr nur ein Ort der Wertevermittlung. „Waren Athleten früher oft einer Instrumentalisierung durch politische Machtsysteme ausgesetzt, sind sie heute die Vorturner einer Hochleistungsgesellschaft und ihrer Marktwirtschaft“, schreibt er.
Sport als Geschäft
Der frühere Skistar sieht in heutigen Athleten vor allem wirtschaftlich denkende Einzelunternehmer. „In Wahrheit sind Spitzensportler 2025 Content-Kreateure, Marketingleiter, PR-Agenten in eigener Sache. Karrieren im Sport funktionieren wie Start-ups, entweder kommen mit dem Erfolg Investoren (Sponsoren) oder eben nicht.“
Eigene Wege
Auch seine Zeit beim ÖSV greift Hirscher auf. Gemeinsam mit seinem Vater Ferdinand habe er ein unabhängiges Betreuerteam aufgebaut, das ihm den nötigen Freiraum sicherte. Die damalige rot-weiß-rote Dominanz im Skisport sei ohne solche Strukturen kaum mehr erreichbar, stellt er fest.
System unter Kritik
Besonders deutlich wird Hirscher, wenn er über die Rolle der Sportverbände spricht. „Die Niederlassungsfreiheit ist, außer bei Doppelstaatsbürgern wie mir, eingegrenzt. Die meisten Sportarten sind national organisiert. Was erlaubt ist, bestimmen Monopolbetriebe, internationale und nationale Sportverbände, die als Gesetzgeber und Treuhänder der Sportbegeisterung fungieren und wie Konzerne funktionieren.“
Blick nach vorn
Trotz aller Kritik endet der Beitrag mit einem Appell. „Vielleicht ist gerade das der große, noch nicht ansatzweise genützte Hebel zur Zukunft des Spitzensports: seine Werte zur Währung zu machen statt die Währung zum Wert.“