Große Trauer: Claus Peymann ist tot
- Vom Studententheater zum Regie‑Großmaul
- Theater als Sprengsatz: Peymanns wichtigste Etappen
- Wien: Skandale, Bernhard und ein bisschen Staatsfeind
- Peymann als Bühnenfigur
- Ein Deutscher verändert Österreichs Theater
- Wortgewaltiges Enfant Terrible
- Stimmen zum Abschied: Würdigungen für einen Unbequemen
- Abschied in Berlin, Ehrengrab in Wien?
Claus Peymann ist tot. Der streitbare Regisseur und langjährige Theaterintendant ist am Mittwoch, dem 16. Juli 2025, im Alter von 88 Jahren in Berlin-Köpenick verstorben. Bereits 2019 hatte er mit einer schweren Hirnhautentzündung zu kämpfen, zuletzt reichten die Kräfte nicht mehr. Seine letzte geplante Inszenierung in Wien musste abgesagt werden. Peymanns Tod erschütterte die deutschsprachige Theaterwelt. „Der große Zauberer des Theaters ist tot“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Vom Studententheater zum Regie‑Großmaul
Geboren wurde Peymann am 7. Juni 1937 als Klaus Eberhard Peymann in Bremen. Sein Weg führte über das Studententheater Hamburg ins Frankfurter Theater am Turm, wo er ab 1965 als Oberspielleiter erste Spuren hinterließ. Schon früh arbeitete er mit Peter Handke zusammen, brachte dessen „Publikumsbeschimpfung“ auf die Bühne. Es folgten Stationen in Stuttgart und Bochum, das unter seiner Leitung als bestes Theater Deutschlands galt. Zwischendurch versuchte er sich auch an der Mitbestimmungs‑Schaubühne in Berlin; ein Experiment, das nicht lange währte. Ein halbes Jahr später war er wieder weg. Der Einzelkämpfertyp vertrug sich nicht mit kollektiven Direktionsmodellen.
Theater als Sprengsatz: Peymanns wichtigste Etappen
Peymanns Theater war immer auch Kampf. Er wollte nicht nur Geschichten erzählen, sondern Wirkung entfalten. Seine Klassiker‑Inszenierungen in Stuttgart sorgten ebenso für Furore wie seine entschlossene Förderung moderner Autoren: Handke, Reinshagen, Turrini, Jelinek und allen voran Thomas Bernhard. Mit den Stücken des österreichischen Skandalautors war Peymann jahrzehntelang künstlerisch verbunden. 19 Mal wurde er mit seinen Produktionen zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Das Schauspielhaus Bochum verwandelte er in ein intellektuelles Kraftzentrum.
Wien: Skandale, Bernhard und ein bisschen Staatsfeind
1986 trat Peymann die Direktion des Burgtheaters an und rüttelte die Institution wach. Seine Eröffnungsinszenierung: „Der Theatermacher“ von Bernhard, ein bitterböses Stück über egomanische Theaterprinzipale. Nur zwei Jahre später sorgte die Uraufführung von „Heldenplatz“ für einen politisch‑medialen Skandal historischer Dimension. Rechte Politiker protestierten, Mist wurde vor dem Theater abgeladen, die „Krone“ lief Sturm. Peymann blieb standhaft. Insgesamt 252 Premieren, 51 Uraufführungen und ein bis heute diskutierter Theaterstil blieben von seiner Ära an der Burg.
Peymann als Bühnenfigur
Die Verbindung zwischen Claus Peymann und Thomas Bernhard war eine besonders enge. Bernhard schrieb gleich mehrere Stücke über seinen Intimregisseur: „Claus Peymann verlässt Bochum und geht als Burgtheaterdirektor nach Wien“, „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ sowie „Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese“. 2006 wurden die drei Dramolette im Rahmen der Wiener Festwochen mit Peymann selbst in der Hauptrolle aufgeführt.
Ein Deutscher verändert Österreichs Theater
Kein Regisseur hat das Wiener Theaterleben so nachhaltig geprägt wie Claus Peymann. Er brachte nicht nur neue Autoren und neue Schauspielgrößen, sondern vor allem eine neue Haltung. Plötzlich war Theater nicht mehr bloß Kunst, sondern Reibebaum, Denkraum, Angriff. Publikumslieblinge wie Gert Voss oder Kirsten Dene wurden zu Fixsternen am Wiener Theaterhimmel. Peymann selbst avancierte vom verhassten Piefke zur fast schon widerwillig bewunderten Institution. Auch Jahre nach seinem Abschied blieb sein Einfluss spürbar. Seine letzten Regiearbeiten in Wien – „Der König stirbt“, „Warten auf Godot“ – waren leise, aber konzentriert.
Wenn Sie wüssten, was für eine Scheiße ich hier erlebe! Man müsste dieses Theater von Christo verhüllen und abreißen lassen.
Wortgewaltiges Enfant Terrible
Für denkwürdige Momente sorgte Peymann auch abseits der Bühne. Ein Interview mit dem deutschen Star‑Interviewer André Müller, veröffentlicht in der „Zeit“ 1988, wird bis heute gerne zitiert. Peymann ließ seiner Frustration mit der Wiener Theaterrealität damals in gewohnt drastischen Worten freien Lauf: „Wenn Sie wüssten, was für eine Scheiße ich hier erlebe! Man müsste dieses Theater von Christo verhüllen und abreißen lassen.“
Stimmen zum Abschied: Würdigungen für einen Unbequemen
„Er hat das Theater über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt“, sagte Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann. SPÖ‑Kultursprecherin Auer sprach von einem „unermüdlichen Kämpfer für Theater als Ort der Auseinandersetzung“. Kulturstadträtin Kaup‑Hasler würdigte Peymanns Fähigkeit, „politisches Theater nachhaltig zu erschüttern“. Für Michael Ludwig war er „Neuerer und Moralist“. Und Kollegin Maria Happel nennt ihn im Ö1‑Morgenjournal „Ignorant und Wahnsinniger“ zugleich – als Kompliment.
Schauspielerin und spätere Akademiedirektorin Maria Happel erlebte Peymanns Arbeit als Ensemblemitglied besonders nah mit. Als er 2012 endlich den lange zuvor abgelehnten Nestroy‑Preis für sein Lebenswerk annahm, hielt sie die Laudatio: „Du bist beides, der Ignorant und der Wahnsinnige.“ Es war kein Spott, sondern ein Kompliment. Happel meinte damit die schonungslose Kompromisslosigkeit Peymanns, seine Fähigkeit, sich jeder Realität zu verweigern, wenn sie dem Theater nicht diente. Für sie stand fest: „Er war nicht bequem. Aber er war immer wahrhaftig.“
Abschied in Berlin, Ehrengrab in Wien?
Claus Peymann war Ehrenmitglied des Burgtheaters. Die Auszeichnung hätte ihm ein Ehrengrab in Wien ermöglicht. Der Theatermacher hatte sich bereits vor Jahren bewusst gegen die letzte Ruhe in Wien entschieden und ein Grab in Berlin gekauft. Die Stadt Wien zeigte sich trotzdem bereit, ihm die traditionelle Trauerfeier auf der Feststiege des Burgtheaters auszurichten. Ungeachtet des Begräbnisorts bleibt klar: Wien war Peymanns Bühne. Vielleicht mehr als jede andere Stadt.