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Friedrich Schneider
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Hermann Wakolbinger

"Preis unserer Freiheit wird gewaltig ansteigen“

24.02.2022 um 19:28, Klaus Schobesberger
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Friedrich Schneider gilt als einer der führenden Ökonomen im deutschsprachigen Raum. Im Interview spricht der emeritierte Professor über die Notwendigkeit harter Sanktionen gegen Russland und die Folgen für unsere Wirtschaft.

Was bedeutet die Invasion Russlands in die Ukraine für Europa?

Friedrich Schneider: Das ist eine Zäsur in Europa. Die Friedenszeit ist vorbei. Ich vermute, Putin wird erst aufhören, wenn die Ukraine ganz besetzt ist. Die Europäische Union muss jetzt in ihrer Reaktion sehr einig sein. Sie muss Sanktionen beschließen, die hart sind und "weh" tun. Will man Russland treffen, muss der Westen die meisten Wirtschaftsbeziehungen kappen. Schnell und radikal. Putin muss klar sein: Wenn er wieder Handel mit dem Westen treiben will, muss für die Ukraine eine Lösung gefunden werden. Erst dann ist der Westen auch bereit, Russland wieder stärker einzubinden. Meiner Meinung nach ist das die einzige vernünftige Möglichkeit, auf den Militärschlag Putins zu reagieren.
 
Sanktionen könnten auch für uns teuer werden …

Wirtschaftssanktionen, die Russland empfindlich treffen, treffen auch uns empfindlich. Das ist symmetrisch. Man soll hier keine Illusionen haben. Wenn beispielsweise die Gasversorgung eingeschränkt oder gestoppt wird oder die EU kein Gas mehr von Russland kauft, dann spüren wir das in Österreich sofort. Auch werden die meisten Nato-Staaten zusätzlich aufrüsten. Dieses Geld für höhere Verteidigungsausgaben fehlt dann an anderer Stelle. Eine weitere Konsequenz des Krieges werden Flüchtlingsströme aus der Ukraine sein. Das bedeutet, dass Österreich mit bis zu 100.000 Kriegsflüchtlingen rechnen muss, die es zu versorgen hat. Und: Höhere Energiepreise, höhere Zinsausgaben bedeuten, dass wir den Gürtel in Zukunft enger schnallen müssen. Der Preis für unsere Freiheit wird gewaltig ansteigen.
 
Es werden bereits historische Vergleiche mit 1939 und dem Überfall Hitlers auf Polen gezogen. Zurecht?

Die Situation ist mit damals nicht vergleichbar. Es sind heute Atomwaffen im Spiel und mit den Vereinigten Staaten steht eine ähnlich starke Militärmacht dem Aggressor gegenüber. Und wir haben als dritten Player China, der noch kaum erwähnt wurde. China kann an der Destabilisierung Europas kein Interesse haben, der Handelspartner ist für Peking zu wichtig. China kann auch an einem Machtzuwachs Putins kein Interesse haben. Die Achillesferse Putins ist die Wirtschaft, die nicht sonderlich stark ist. Wenn China nicht mitzieht, bekommt Putin gravierende Konsequenzen zu spüren.
 

China kann an der Destabilisierung Europas kein Interesse haben, der Handelspartner ist für Peking zu wichtig.

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