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Korinna Schumann spricht über das Lohntransparenz-Gesetz, im Hintergrund Aktenordner mit der Aufschrift „Lohn“ und „Gehalt“.
Arbeitsministerin Korinna Schumann will mit dem neuen Lohntransparenz-Gesetz Schluss mit Gehaltsgeheimnissen machen
Arbeitsministerin Korinna Schumann will mit dem neuen Lohntransparenz-Gesetz Schluss mit Gehaltsgeheimnissen machen
sasirin pamai / iStock | Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com

Lohntransparenz: Schumann will ALLE Gehälter offenlegen

30.10.2025 um 15:15, Stefanie Hermann
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Ab 2026 müssen Firmen alle Gehälter offenlegen. Die EU zwingt Österreich zu Transparenz. Das sorgt für Druck, Hoffnung und Kritik zugleich.

Arbeitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) hat eine der größten Veränderungen des österreichischen Arbeitsmarkts angekündigt: In allen Betrieben sollen künftig die Gehälter offengelegt werden. „Wir wollen weg vom Prinzip ‚Über Geld spricht man nicht‘ hin zu einer offenen und fairen Gesprächskultur in den Betrieben“, erklärt Schumann. Beschäftigte sollen künftig das Recht haben, Auskunft über die durchschnittliche Bezahlung von Kolleginnen und Kollegen mit gleichwertiger Arbeit zu verlangen. Schweigeklauseln über Gehälter sollen verboten werden.

Unternehmen werden verpflichtet, bereits in Stellenanzeigen umfassende Angaben über das Entgelt zu machen. Anders als bisher soll das nicht nur Mindestgehälter betreffen, sondern auch Gehaltsspannen und Einstiegsentgelte. Zudem dürfen Arbeitgeber künftig nicht mehr nach der Bezahlung in früheren Dienstverhältnissen fragen.

EU-Richtlinie setzt den Rahmen

Hintergrund für die kommende Gesetzesänderung ist die EU-Lohntransparenzrichtlinie, die im Jahr 2023 beschlossen wurde. Bis 7. Juni 2026 muss sie in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, auch in Österreich. Ziel ist es, den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ verbindlich zu machen und Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen zu verringern. Noch immer verdienen Frauen deutlich weniger als Männer – und das, obwohl Gleichbehandlung seit Jahrzehnten gesetzlich verankert ist.

Die Umsetzung verläuft europaweit nur schleppend. Auch in Österreich ging bislang wenig voran. Schumann will den Gesetzesentwurf im ersten Quartal 2026 in Begutachtung schicken.

Allianz für Lohntransparenz drängt auf Tempo

Druck kommt nun von der Allianz für Lohntransparenz Neu, einem breiten Bündnis aus der Arbeiterkammer (AK), dem Österreichischen Städtebund, dem ÖGB und dem Netzwerk Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Die Allianz fordert eine effektive Umsetzung der EU-Vorgaben und will die Politik dabei aktiv begleiten.

„Viele können nur vermuten, ob sie von Lohndiskriminierung betroffen sind. Nur wenn Ungleichheiten aufgedeckt werden, können sie auch bekämpft werden“, sagte Eva-Maria Burger von der AK. Die Allianz verlangt mehr Transparenz über alle Entgeltbestandteile – inklusive Überzahlungen – und den Zugang zu Einkommensberichten auch in kleineren Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten. Zudem müsse die geplante Monitoringstelle ausreichend Ressourcen erhalten, um als Servicestelle für Unternehmen und Betriebsräte zu fungieren.

Über Geld spricht man (noch) nicht

Wie dringend ein Kulturwandel ist, zeigt eine Umfrage von L&R Sozialforschung unter 2.514 Beschäftigten in Österreich: 59 Prozent sprechen im Betrieb nicht über ihr Gehalt, ein Drittel weiß gar nicht, was Kolleginnen und Kollegen verdienen. Unter jenen, die über Einkommen reden, tun das 81 Prozent mit Kolleginnen und Kollegen, 34 Prozent auch mit Vorgesetzten.

Die Mehrheit wünscht sich mehr Offenheit: 91 Prozent der Befragten wollen Informationen über Überzahlungen im Unternehmen, 90 Prozent erwarten, dass sich das Management aktiv für gleiche Bezahlung einsetzt.

Der Gender Pay Gap bleibt groß

Dass nicht über Gehalt gesprochen wird, ist vor allem für Frauen ein Nachteil. Trotz aller Bemühungen zählt Österreich beim Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern zu den Schlusslichtern in der EU. Der Gender Pay Gap liegt laut Statistik Austria bei 18,3 Prozent pro Stunde und bei 16,3 Prozent bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigten. In Zahlen bedeutet das: Frauen arbeiten ab dem Equal Pay Day, der heuer auf den 2. November 2025 fällt, statistisch gesehen „gratis“.

Rund ein Drittel der Lohnlücke ist durch objektive Faktoren erklärbar, etwa durch Unterschiede bei Branchen, Positionen oder Arbeitszeiten. Zwei Drittel gelten als „nicht erklärbar“. Man geht hier von potenziell struktureller Benachteiligung aus. „Durch die Lohntransparenz erwarten wir neue Daten zum nicht erklärbaren Teil“, betont Burger.

Wirtschaft warnt vor Bürokratie und Frust

Nicht alle begrüßen die neuen Transparenzregeln. In der Wirtschaft mehren sich kritische Stimmen. Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) bezeichnet die EU-Richtlinie als „gut gemeint, aber das Gegenteil von gut“. Sie bringe „mehr Bürokratie“ und greife „tief in Lohnstrukturen ein“.

Wenn alle Gehälter offenliegen, könnten Leistungsträger unter Druck geraten, weil Unternehmen gezwungen wären, Unterschiede ständig zu rechtfertigen. „Es ist für Unternehmen schwieriger, Leistungsträgern mehr zu zahlen, wenn die anderen Kollegen dasselbe fordern“, so Gleißner. Studien hätten gezeigt, dass Transparenz den Gender Pay Gap tatsächlich verringere, aber oft zu einer Nivellierung der Einkommen nach unten führe.

Quellen und weiterführende Informationen

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