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Angriff auf Kiew | Credit: Ukrinform / Action Press/Sipa / picturedesk.com
Die seit Montag laufenden Luftangriffe gegen Ziele in der Ukraine (hier in Kiew) erfolgen aus großer Entfernung.
Die seit Montag laufenden Luftangriffe gegen Ziele in der Ukraine (hier in Kiew) erfolgen aus großer Entfernung.
Ukrinform / Action Press/Sipa / picturedesk.com

Gehen den Russen demnächst die Raketen aus?

13.10.2022 um 14:37, Gert Damberger
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Nach Ansicht westlicher Militärexperten werden die russischen Vorräte an High Tech-Waffen bald zur Neige gehen.

Seit Montag greift Russland aus der Luft zivile Ziele wie Wohnhäuser oder Elektrizitätswerke in der gesamten Ukraine an – offiziell als Vergeltungsmaßnahme gegen den mutmaßlichen Anschlag auf die Krim-Brücke. Auch heute, Donnerstag, wurden wieder Luftschläge registriert. Der militärische Nutzen der Aktion dürfte sich in Grenzen halten. In erster Linie geht es darum, Stärke zu demonstrieren und die ukrainische Bevölkerung einzuschüchtern.

Aus sicherer Distanz

Zum Einsatz kommen ausschließlich Raketen, Marschflugkörper und so genannte „Kamikaze-Drohnen“ – also Flugkörper, die aus teils großer Distanz gestartet werden. Kampfflugzeuge oder Bomber wagen sich nicht in den ukrainischen Luftraum, weil Russland auch in fast acht Monaten Krieg nie die Luftherrschaft erringen konnte. Der „Nachteil“ dieser High-tech-Waffen liegt darin, dass sie nicht in Massen und unbegrenzt eingesetzt werden können – ihre Produktion ist aufwändig und irgendwann mal sind die Bestände erschöpft.

Stückpreis bis zu 13 Mio. Dollar

Die wichtigste, weil sehr treffgenaue russische Waffe sind die „Kalibr“-Marschflugkörper, die jeweils 500 Kilo Sprengstoff tragen können. Abgefeuert von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer können sie mit einer Reichweite von 1.500 Kilometern jeden Ort in der Ukraine erreichen. Sie fliegen in Bodennähe und suchen sich ihr Ziel selbst per GPS. Die Produktionskosten dürften nach Schätzungen westlicher Militärexperten bei etwa 6,5 Millionen Dollar liegen – pro Stück. Das „Center for European Policy Analysis“ schätzt, dass nur etwa 120 Einheiten pro Jahr hergestellt werden. Das heißt, dass im bisherigen Kriegsverlauf schon mehrere russische Jahresproduktionen verbraucht wurden und dass es schon bald knapp werden könnte. Noch teurer in der Herstellung sind die aus Flugzeugen gestarteten Marschflugkörper des Typs CH-101 und CH-555 mit einer Reichweite zwischen 1.500 und 5.000 Kilometern. Laut dem Magazin „Forbes“ kostet eine von Radar des Gegners kaum zu ortende CH-101 bis zu 13 Millionen (!) Dollar pro Stück.

Kalibr beim Start | Credit: Russian Defence Ministry / Tass / picturedesk.com
Hier wird ein Kalibr-Marschflugkörper von einer russischen Fregatte aus abgeschossen.

Es mangelt an Komponenten

Auch Kurzstreckenraketen vom Typ „Iskander“ (Reichweite: 500 Kilometer) setzen die Russen für Angriffe auf zivile und militärische Ziele ein. Ballistische Raketen haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Geschwindigkeit schwer abzufangen sind. Aber auch hier gilt: „Iskander“-Raketen sind kein Massenprodukt und nur einige Dutzend verlassen jedes Jahr die Werkshallen. Der ukrainische Geheimdienst schätzt, dass die Russen rund die Hälfte ihrer Raketen und bis zu 80 Prozent ihres Iskander-Arsenals bereits verbraucht haben. So einfach die Produktion von Präzisionswaffen hochzufahren, dürfte kaum möglich sein. In Russland fehlt es nämlich nicht nur an Fachkräften, sondern auch an Komponenten wie etwa Mikrochips. Die wurden früher im Ausland eingekauft, was jetzt aufgrund der Sanktionen ja nicht mehr möglich ist.

Iskander | Credit: Copyright-Hinweis: Yuri Smityuk / Tass / picturedesk.com
"Iskander"-Rakete: nach ukrainischen Schätzungen haben die Russen bereits 80 Prozent ihres  Bestands verbraucht.

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