"Deklarierter Antisemit": Wirbel um FPÖ-Ehrung
- Streit um Dinghofer-Symposium
- Historiker fordern Absage
- IKG kritisiert FPÖ
- Politische Folgen
- Reaktion der FPÖ
Im österreichischen Parlament entzündet sich ein Streit um das geplante Dinghofer-Symposium. Nationalratspräsident Walter Rosenkranz lädt für den 11. November zu einer Veranstaltung, die laut Kritikern einem Antisemiten und Nationalsozialisten gewidmet ist. Das Datum liegt unmittelbar nach dem Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome.
Streit um Dinghofer-Symposium
Auf der Homepage des Parlaments ist die Veranstaltung angekündigt: „Zensur und Ideologisierung – die Freiheit in Gefahr!“ Veranstalter sind der Nationalratspräsident und das Dinghofer-Institut. Im Rahmen der Veranstaltung werden die Franz-Dinghofer-Medaille und der Dinghofer-Medienpreis verliehen. Für Rosenkranz und die FPÖ ist Dinghofer eine historische Figur, die laut Partei „nicht die Anerkennung erhält, die sie verdient“.
Das Symposium ist seit Jahren umstritten. Franz Dinghofer, geboren 1873 in Ottensheim, war Linzer Bürgermeister, später Nationalratsabgeordneter, Justizminister, Vizekanzler und Dritter Präsident des Nationalrates. 1918 verkündete er als Präsident der provisorischen Nationalversammlung vom Balkon des Parlaments die Republik Deutschösterreich. Laut Bundesarchiv Berlin trat Dinghofer 1940 der NSDAP bei, nachdem er sich selbst um Aufnahme bemüht hatte.
Historiker fordern Absage
Mehrere renommierte Zeithistoriker richten einen offenen Brief an den Nationalratspräsidenten. Unterzeichner sind unter anderem Helmut Konrad und Oliver Rathkolb. Ihr Schreiben liegt mehreren Medien vor. Darin heißt es, das Parlament werde „zum Ort des ehrenden Erinnerns an einen deklarierten Antisemiten und Nationalsozialisten“. Dinghofer sei „ein Wegbereiter der Reichspogromnacht 1938 wie auch des Holocaust“ gewesen.
Die Historiker verweisen darauf, dass die Rolle Dinghofers bei der Gründung der Republik überbewertet werde. „Die Republik wurde nicht ‚ausgerufen‘, sondern beschlossen“, schreiben sie. Dinghofer sei ein Vertreter der Großdeutschen Volkspartei gewesen, deren Programm „einer aggressiven antisemitischen Hetzschrift gleicht“. Er habe sich auch persönlich als Antisemit bekannt. Der Zeitpunkt der Ehrung – einen Tag nach dem Gedenken an die Novemberpogrome – sei „erschreckend und unverständlich“.
IKG kritisiert FPÖ
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, schließt sich der Kritik an. Auf Anfrage der „Presse“ sagt er: „Die FPÖ huldigt einem rabiaten Antisemiten und Nationalsozialisten. Dass dies nicht in den einschlägigen Kellern, sondern im Hohen Haus erfolgt, ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit.“ Deutsch spricht von einer Partei, der Verantwortung fremd sei, und warnt, die FPÖ sei „eine politische Gefahr“.
Die IKG plant für den 10. November eine Gegenveranstaltung unter dem Titel „Light of Hope“ am Wiener Karmeliterplatz. Sie soll, so Deutsch, „ein Zeichen gegen Geschichtsvergessenheit und Antisemitismus“ setzen.
Politische Folgen
Auch aus den Reihen anderer Parteien kommt scharfe Kritik. Der grüne Abgeordnete Lukas Hammer nennt die Veranstaltung „eine Schande, die die Würde des Hohen Hauses beschädigt“. SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz fordert Verantwortung und Haltung. „Wer nur ein Mindestmaß an Gespür hat, gedenkt der Opfer – und nicht der Täter“, sagt ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak ergänzt: „Dem Ansehen des Hauses tut man sicher nichts Gutes, wenn dort, unmittelbar nach dem Gedenken an die Novemberpogrome, ein Symposium veranstaltet wird, das nach einem bekennenden Nationalsozialisten benannt ist.“
Der ehemalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) greift seinen Nachfolger offen an. Er spricht von einer „bewussten Provokation“. Dinghofer eigne sich „in keiner Weise zur Erörterung demokratischer Werte wie Freiheit“. Das Parlament dürfe „kein Ort für Geschichtsklitterung“ sein.
Reaktion der FPÖ
Die FPÖ weist die Vorwürfe entschieden zurück. Generalsekretär Christian Hafenecker spricht von einer „beispiellosen Geschichtsfälschung durch linke Historiker und Meinungsmacher“. Die Linke versuche, „einen der Architekten der Ersten Republik posthum zu vernichten“. Dinghofer sei, so Hafenecker, „ein Symbol nationaler Einigung über Parteigrenzen hinweg“ und zudem „ein Opfer der Nationalsozialisten“ gewesen. Seine NSDAP-Mitgliedschaft sei „nicht einwandfrei belegt“.
Trotz der anhaltenden Kritik hält Walter Rosenkranz an der Veranstaltung fest. Das Symposium bleibt im offiziellen Parlamentskalender. Es soll, wie angekündigt, am 11. November stattfinden.