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Reiferes Paar lacht gemeinsam auf der Couch | Credit: iStock.com/Inside Creative House
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Liebesglück in der zweiten Lebenshälfte - ist das möglich?

29.12.2022 um 00:42, Artikel von Passion-Autor: Valerie Vonroe
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Viele, die mit 50plus noch oder wieder auf Partnersuche sind, hoffen auf einen persönlichen Neuanfang. Aber wie gut stehen die Chancen, dass er auch gelingt? Eine persönliche Erfahrung.

Egal, wie alt man als Frau ist: In seinem Inneren bleibt man das kleine Mädchen, das geliebt werden möchte. Das wusste bereits Marilyn Monroe. Als "älteres" Mädchen, das ich bin, habe ich das Kapitel "Verliebtsein" für mich abgeschlossen. Anders wie einige meiner Freundinnen, die sich mit 50plus unbedingt noch einmal so richtig verlieben möchten - so wie früher. Und plötzlich anfangen, Dinge zu tun, die niemals zuvor möglich gewesen wären. Karin etwa, die selbst mit dem Lift in den Mezzanin fährt, schickt plötzlich Fotos mit ihrem Liebsten von gemeinsamen Bergwanderungen. Nachahmenswert? Nicht für mich, denke ich.

Liebe wie früher mit 50plus?

Liebe und Sex sind keineswegs an ein bestimmtes Alter gebunden und profitieren durchaus von der Reife und Erfahrung, die sich im Lauf der Jahre einstellen. Wenn auch die Unbekümmertheit von "damals" nicht mehr besteht. Woran das liegt? Damals war ich rank und schlank, und wenn es gefunkt hat, war ich mir tausendprozentig sicher, die Liebe meines Lebens gefunden zu haben - immer und immer wieder. Hindernisse gab es keine.

Die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, die immense Bewunderung - wer sehnt sich nicht danach? Für dieses Gefühl sind Frauen häufig bereit, alles zu tun, um ihm zu gefallen. Sie tun Dinge, die ihr eigentlich keinen Spaß machen. Bis das Leben dazwischenkommt - Krisen aller Arten, Veränderungen, Krankheiten. All das, was der Partner später ernüchtert "Wesensveränderung" nennt, wenn von der stets unbekümmerten Frau, in die er sich einst verliebt hat, nichts mehr übrig ist.

Der Druck, den sich Frauen in dieser Phase machen, steigt massiv. Weil sie spüren, dass sie es dauerhaft nicht mehr aufrechthalten können, ewig locker, leicht und fröhlich durchs Leben zu gehen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es kein Thema mehr ist, eine Familie zu gründen, Kinder zu kriegen oder sich eine Existenz aufzubauen. Man seine Bedürfnisse kennt und weiß, was man will, die eigenen Schwächen kennt und nicht mehr auf sich hereinfällt. Und Sex entspannter wird, weil Verhütung kein Thema mehr ist.

Hinzu kommt: Kompromisse will ich keine mehr, auch nicht die Altlasten eines Mannes therapieren. Vielleicht aber rede ich mir das auch nur ein, um mich vor Enttäuschungen und Verletzungen zu schützen. Leichtigkeit ohne Partner - das ist meine Devise. Mehr leben, weniger leiden (weil man liebt). Für sein eigenes Glück sorgen statt es von einem anderen Menschen zu erwarten. Glück ohne Beziehung erfahren.

Der Mann an der Bar

Dachte ich bis zu dem besagten Tag, als ich ihn an der Bar stehen sehe. Während "normalerweise" sofort irgendwelche störenden Details wie zu große Ohren oder zu kurze Haare den Mann ins Abseits befördern, ohne, dass er noch ein Wort gesprochen hat, kann ich diesmal kein Knock-out-Kriterium entdecken. Ich fühle nur eine immense Anziehung und die berühmten Schmetterlinge im Bauch. Mich überkommt die Angst: Wieder ein Märchen ohne Happy End? Sicher nicht in diesem Moment. Wir prosten uns zu, die Welt rundherum ist in Nebel gehüllt. Kein Gedanke an morgen, kein Plan, in welche Richtung es gehen soll.

Und plötzlich geht es mir nicht anders als meinen Freundinnen: Meine Aufmerksamkeit kreist nur um ihn, meine Alltagspflichten treten komplett in den Hintergrund, ich bin unkonzentriert, denn ich warte nur noch - auf die nächste Textnachricht, auf das nächste Treffen, auf ihn. Nie zuvor habe ich mein Smartphone so oft gecheckt wie diesmal. Vor jedem Treffen probiere ich zehn verschiedene Kombinationen durch, solange, bis ich mich perfekt fühle. Seine "Fehler", darunter auch manch taktlose Bemerkung ("Für dein Alter hast du eh eine ganz gute Figur ...") tue ich ab. Der Schlingel ...

Verliebtes reiferes Paar am Strand bei Sonnenuntergang | Credit: iStock.com/Jacob Ammentorp Lund
Liebe mit 50plus - nur eine Illusion?

Sex als Herausforderung

Mein Lampenfieber vor dem ersten Mal mit ihm ist unbeschreiblich groß. Werde ich seine Erwartungen erfüllen? Ich absolviere einige Probedurchgänge, wie ich mich lasziv meiner Spitzenunterwäsche entledige. Mein Leben ist aufregend wie nie, aber plötzlich sehr unruhig.

Was ich schon kenne: Schnell wird der Sex zur Routine. Neu für mich in einer Beziehung ist: zwischenzeitliche Potenzprobleme bei ihm. Ich zeige Verständnis. Auch Kuscheln macht mich glücklich. Bis mir klar wird, dass seine Erwartungen vielleicht doch in eine andere Richtung gehen; ich mich mehr anstrengen soll, damit er kann. Manchmal fühle ich mich deshalb schuldig und müde zugleich. Und immer wieder die nagende Frage: War ich für ihn einfach nur nicht sexy genug?

Und irgendwann werde ich krank, eine Erkältung - nichts weiter. Ungeschminkt und im Jogginganzug gehe ich in die Apotheke und begegne ihm dort zufällig. Er muss nichts sagen, damit ich verstehe, was er gerade denkt, als er mich von oben bis unten mustert: "Du schaust ja ungeschminkt ganz anders aus." Und in diesem Moment weiß ich genau: So fühlt es sich an, wenn die Phase der Verliebtheit vorüber ist, die rosarote Brille zerbricht. Es ist genau wie früher, es hat sich nichts geändert. Immer möchte man den Traum von der großen Liebe festhalten - vergeblich.

Reiferes Liebespaar beim Strandspaziergang | Credit: iStock.com/dmbaker
Hand in Hand durch die zweite Lebenshälfte

Liebe - eine Einladung zur Weiterentwicklung?

Prof. Dr. med. Dr. phil. Michael Lehofer, Psychiater und Vollprofi in Sachen Beziehungen, beschreibt das "ewige Dilemma" zwischen Mann und Frau so: Liebesbeziehungen sind erfüllt von einer großen Sehnsucht an Heilserwartung. Erfüllen sie sich nicht, fühlen wir eine große Leere. Sie können Kostproben des Paradieses sein, sind es aber nicht. Stattdessen schmerzliche Einladungen, sich weiterzuentwickeln. Nicht mehr als das? Nein, nicht, wenn es um mich geht.

Denn so ernüchternd meine letzte Erfahrung am Ende war: Ich gebe nicht auf, daran zu glauben - an eine liebevolle Beziehung mit einem nicht perfekten Mann - mit unbekanntem Ablaufdatum. Und sollte es mir noch einmal passieren, dass ich mich verliebe, werde ich es wieder zulassen. Die Monate des Hochgefühls sind es wert, und Enttäuschungen sind unvermeidlich – "that's life". Der Preis dafür ist hoch, keine Frage. Aber wer nicht bereit ist zu verlieren, kann auch nicht gewinnen. Schon allein deshalb bleibe ich Spielerin.

Zur Autorin

Mit ihren wohl überlegten Gedanken und praktischen Tipps liefert die in Wien lebende freie Autorin Valerie Vonroe wertvolle Anstöße für einen bewussteren Umgang mit den eigenen Potenzialen und Ressourcen – in jedweder Hinsicht.

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