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Läufer hält sich auf einer mit Laub bedeckten Wegstrecke sein Knie
Schmerzen beim Sport? Immer mehr Hobbyathleten ignorieren die Warnsignale des Körpers.
Schmerzen beim Sport? Immer mehr Hobbyathleten ignorieren die Warnsignale des Körpers.
istock.com/m-gucci

Mit Schmerzmittel: Doping im Hobbysport

29.10.2025 um 10:40, Rudolf Grüner
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Riskanter Trend: Immer mehr Hobbysportler greifen bedenkenlos in den Medikamentenschrank – mit teils gefährlichen Folgen für Gesundheit und Leistung.

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Samstagmorgen, die Laufschuhe stehen bereit. Der Kopf dröhnt, das Knie schmerzt. Eigentlich ein klarer Fall für eine Pause. Doch viele Hobbysportler entscheiden sich in solchen Situationen anders: Eine „Ibu“ soll’s richten – und schon geht es wieder raus auf die Strecke. Das Problem wird weggedrückt, das Tempo noch einmal gesteigert. Denn der Marathon-Termin steht, da darf auch der Körper nicht ins Wanken kommen.

Erschreckend hoher Einsatz

Eine aktuelle Umfrage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) zeigt, dass dieses Verhalten längst kein Einzelfall ist. 39 Prozent der befragten sportlich Aktiven gaben an, bereits Schmerzmittel im Zusammenhang mit Sport eingenommen zu haben.

Gefährliche Routine

Besonders alarmierend: Knapp ein Drittel nimmt Medikamente sogar regelmäßig oder jedes Mal vor der sportlichen Aktivität. "Schmerzmittel sind wichtige Medikamente – selbstverständlich haben sie ihre medizinische Berechtigung", sagt Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Fachbereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV. Problematisch werde es jedoch, wenn eine unreflektierte Selbstmedikation erfolgt oder Tabletten und Co. ohne medizinische Notwendigkeit eingesetzt werden – "etwa, um trotz Schmerzen weitertrainieren zu können."

Nebenwirkungen

Besonders eindringlich warnt auch Dr. Robert Fritz vor den gesundheitlichen Folgen einer regelmäßigen Einnahme: "Die Risiken sind erheblich – sowohl kurzfristig als auch langfristig."  Und: "Sie hängen vom Wirkstoff, der Dosis und der Häufigkeit ab", so der Wiener Sportmediziner im Gespräch mit Weekend. Kurzfristig können Schmerzmittel Überlastungen verschleiern. Zudem werden Muskeln, Sehnen und Gelenke weiter über ihre Toleranz hinaus belastet, was zu Rissen, Brüchen oder chronischen Schäden führen könne, so der Mediziner nachdrücklich. "Die Maskierung von Schmerzen bei Fortführung des Trainings verleitet dazu, Verletzungen zu verschleppen – mit verzögerter Heilung und bleibenden Schäden am Bewegungsapparat", erklärt Fritz.

Hobbyfussballer im blauen Trikot hält einen Ball in seinen Händen
Besonders im Mannschaftssport steigt der Druck, auch unter Schmerzen am Ball zu bleiben.

Weitere Risiken

Darüber hinaus sind Magen-Darm-Beschwerden bei NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac keine Seltenheit. Im schlimmsten Fall drohen Blutungen oder Geschwüre. Unter körperlicher Belastung steige zudem das Risiko einer Überlastung der Nieren. "Im Ausdauersport kann es in Kombination mit Flüssigkeitsmangel sogar bis zum akuten Nierenversagen kommen", sagt Fritz. Auch Herz-Kreislauf-Risiken wie Bluthochdruck, Rhythmusstörungen oder Herzinfarkte seien dokumentiert.

Gefahr: Abhängigkeit

Langfristig drohen noch gravierendere Folgen: chronische Organschäden an Nieren, Magen oder Leber, ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch eine veränderte Schmerzverarbeitung. "Paradoxerweise können durch dauerhafte Einnahme mehr oder chronische Schmerzen entstehen", warnt der Experte. Zudem bestehe die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit: Viele gewöhnten sich an das Gefühl, "schmerzfrei leistungsfähig" zu sein – mit der Folge, dass aus gelegentlichem Gebrauch Missbrauch werde.

Handlungsbedarf

Damit sich riskante Routinen nicht weiter verfestigen, befürwortet der Fachmann eine deutlich stärkere Aufklärungsarbeit. Diese dürfe nicht allein den Ärztinnen und Ärzten überlassen werden. Sportwissenschafter und Trainer seien hier ebenso gefragt wie Fachgesellschaften und Verbände.  Die Nationale Anti-Doping Agentur Austria (NADA) betreibt bereits intensiv Aufklärung auf unterschiedlichen Ebenen. Fritz: "Nur so lassen sich hartnäckige Mythen rund um Schmerzmittelgebrauch im Sport wirksam durchbrechen."

Schmerzen managen

Sein Appell an alle Hobbysportlerinnen und Hobbysportler: "Schmerzen nicht verdrängen, sondern ernst nehmen – und sich informieren, bevor die Tablette zur Trainingsroutine wird." Als Orientierung für Sporttreibende nennt Fritz einfache, aber wirksame Regeln: Auf Schmerzsignale hören und Belastung reduzieren. Bei akuten Schmerzen pausieren, anstatt weiter zu trainieren. Schmerzursachen ärztlich abklären lassen, vor allem bei wiederholten oder anhaltenden Beschwerden. "Durch zahlreiche Alternativen können Schmerzen oft wirksam gelindert werden – ganz ohne die Risiken und Nebenwirkungen klassischer Schmerzmittel", so der Sportmediziner.

Drei Fragen an Dr. Robert Fritz

Dr. Robert Fritz mit einem Stethoskop um den Hals
Dr. Robert Fritz im Talk

Warum greifen immer mehr Hobbysportler zur Tablette?
Die Angst vor möglichen Schmerzen steht hier im Vordergrund. Oft kommt noch Druck aus dem Team dazu. Der Schmerzmittelmissbrauch ist gerade im Fußball sehr hoch. 

Welche Gefahren sind damit verbunden? 
Die Einnahme von Medikamenten erhöht die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen während des Trainings deutlich. Schmerzsignale, die ein Zeichen einer Überlastung sein können, werden reduziert und dadurch Kontrollmechanismen ausgeschaltet. 

Welche Alternativen empfehlen Sie bei Schmerzen?
Strategien können Kältepackungen und Wärmeanwendungen sein. Auch Massagen und Faszientherapien fördern die Durchblutung, beschleunigen die Regeneration und helfen bei Verspannungen oder muskulären Problemen. Pflanzliche Mittel können entzündungshemmend wirken. Darüber hinaus werden Akupunktur, Stoßwellentherapie und Elektrotherapie zur Schmerztherapie individuell – und erfolgreich – eingesetzt.
 

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