Österreich: Worauf wir stolz sind - und worauf nicht
- Nationalstolz mit Vorbehalten
- Identitätsträger: Kunst & Sport
- Zurückhaltung in Politik
- „Echte“ Österreicher
- Interview: "Stolz ist weniger politisch"
Stolz auf das eigene Land zu sein, scheint den Österreichern nicht immer leichtzufallen. Die Angst, als "zu patriotisch" oder gar "rechts" abgestempelt zu werden, ist nach wie vor vorhanden. Wie viel gelebter Nationalstolz ist mit unserer Vorgeschichte erlaubt? Studien zeigen ein differenziertes Bild: Laut einer Umfrage des Österreichischen Integrationsfonds (2024) haben 77 Prozent der Bevölkerung eine positive Grundhaltung zu ihrem Land. Ganze 81 Prozent geben sogar an, stolz auf Österreich zu sein.
Nationalstolz mit Vorbehalten
Wie tief dieser Stolz verwurzelt ist, untersuchte der Soziologe Markus Hadler (Universität Graz) im Sozialen Survey 2023. Das Ergebnis: eine starke Verbundenheit mit der Heimat. 74 Prozent der Befragten könnten sich nicht vorstellen, in einem anderen Land zu leben. „International liegt Österreich damit im Mittelfeld. Zum Vergleich: In den USA sind es etwa 90 Prozent, womit sie weltweit an der Spitze liegen“, erläutert Hadler. Parallel dazu wächst die Sorge um die kulturelle Identität. Mehr als die Hälfte spricht sich dafür aus, die Zuwanderung leicht oder deutlich zu reduzieren. Doch wenn es um die Verteidigung des Landes geht, wird die Sache plötzlich heikel. Laut einer Studie des Austrian Foreign Policy Panel Project (Universität Innsbruck, 2024) würden nur 14 Prozent der Österreicher im Ernstfall selbst zur Waffe greifen.
Identitätsträger: Kunst & Sport
Worauf sind die Österreicher besonders stolz? Die Antwort ist klar: Leistungen in Kunst und Literatur (85 %), Erfolge im Sport (83 %) und wirtschaftliche Errungenschaften (76 %). Kaum jemand scheut sich davor, das auch zu zeigen – man denke etwa an die vielen geschwungenen Fahnen bei der Ski-WM in Saalbach. Auch die bewegte Landesgeschichte erfüllt immerhin zwei Drittel mit Stolz.
Zurückhaltung in Politik
Doch ein Blick in die Politik trübt das Bild: In Sachen Demokratie sind die Meinungen geteilt, und auf den politischen Einfluss Österreichs in der Welt ist kaum jemand stolz. „Hier herrscht oft eine gewisse Zurückhaltung, da patriotische Äußerungen schnell mit politischen Strömungen in Verbindung gebracht werden können“, erläutert Hadler. Interessant ist auch die Altersverteilung: Während die Älteren (65+) ihren Nationalstolz deutlich zeigen, empfinden die 24- bis 44-Jährigen ihn am wenigsten.
„Echte“ Österreicher
Gemütlich, ein wenig grantig, in Lederhosen oder Dirndl, Biertrinker und Spitzen-Skifahrer – so in etwa stellt sich der Rest der Welt einen typischen Österreicher vor. Fragt man die Bevölkerung selbst, finden laut Studie folgende Merkmale Zustimmung. Ein „richtiger Österreicher“ müsse politische Institutionen und Gesetze achten (94 %), sich als Österreicher fühlen (84 %) und die Staatsbürgerschaft haben (81 %). Hierzulande geboren (62 %) oder Christ zu sein (24 %) scheint weniger wichtig zu sein. Denn drei Viertel der Studienteilnehmer sind immerhin der Ansicht, dass man auch durch Anstrengung ein „echter“ Österreicher werden kann.
Interview: "Stolz ist weniger politisch"
Markus Hadler, Soziologe, Universität Graz
Trauen sich Österreicher, auf ihr Land stolz zu sein?
Ja, durchaus. Die meisten Menschen in Österreich haben kein Problem damit, Stolz auf ihr Land zu empfinden. Der Stolz ist aber weniger politisch, sondern sportlich, kulturell und geografisch geprägt. Nur eine kleine Minderheit gibt an, dass es Dinge im heutigen Österreich gibt, für die sie sich schämen. Hier wurden Dinge wie schlechte Leistungen der Regierung, aber auch ein ausländerfeindlicher Diskurs bestimmter politischer Parteien genannt.
Wird der Nationalstolz in Österreich abnehmen, oder gibt es Anzeichen für eine Trendwende?
Betrachtet man Umfragen zu der Frage, was einen "richtigen Österreicher" ausmacht, zeigt sich ein klarer Wandel in den letzten 40 Jahren. Früher wurden Abstammung, Religion und Herkunft stärker betont, während heute Merkmale wie Rechtschaffenheit und das Einhalten von Gesetzen an Bedeutung gewonnen haben. Das zeigt, dass der Begriff von nationaler Identität in Österreich zunehmend auf gemeinsamen Leistungen statt auf Herkunft basiert.
Auf was sind Sie persönlich stolz?
Als Sozialforscher kann ich besonders stolz auf die bahnbrechende Marienthal-Studie von Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel aus den 1930er Jahren sein, die neue Maßstäbe in der empirischen Sozialforschung setzte und bis heute international anerkannt ist. Auch nach ihrer erzwungenen Emigration prägten diese drei österreichischen Wissenschaftler die Sozialpsychologie, Meinungsforschung und empirische Soziologie nachhaltig.