Die Kraft des Mondes: Mythos oder Tatsache?
Inhalt
- Erde ohne Mond
- Schlaflabor
- Innere Uhr
- Babyboom bei Vollmond
- Diät-Booster
- Mond-Haarschnitt
- Erfahrungswissen nutzen: Mondexpertin im Interview
Der Mond fasziniert die Menschheit seit jeher. In vielen Kulturen wurde er als Gottheit verehrt, stand für Weisheit und Veränderung. Über Jahrhunderte hinweg ent- standen Mondkalender, die den Rhythmus des Himmelskörpers in die Lebensplanung der Menschen integrierten. Viele schreiben ihm bis heute besondere Kräfte zu: vom schlechten Schlaf bei Vollmond bis hin zu besserer Wundheilung bei abnehmendem Mond. Doch hat der nächtliche Begleiter tatsächlich Einfluss auf den Menschen? Die Meinungen gehen auseinander, auch die Wissenschaft ist sich uneins.
Erde ohne Mond
Fest steht: Die Anziehungskraft zwischen Erde und Mond ist für die Gezeiten, also für Flut und Ebbe, verantwortlich. Doch sein Einfluss geht weit darüber hinaus. So verlangsamt der Mond auch die Erdrotation, und seit Millionen von Jahren bremst er die Erde aus. Laut NASA verlängert sich ein Tag dadurch um rund 2,3 Millisekunden pro Jahrhundert. Zudem stabilisiert der Mond die Erdachse. Ohne ihn käme es zu chaotischen Schwankungen, die Klima und Jahreszeiten ins Wanken bringen würden. Die Erde ohne Mond? Vermutlich ein unangenehmer Ort mit extremen Wetter- und Temperaturbedingungen, die Tage wären deutlich kürzer. Das würde den lebenswichtigen Tag-Nacht-Rhythmus durcheinanderbringen und die Evolution verlangsamen.
Schlaflabor
Doch der Mond hat nicht nur Einfluss auf die Erde als Ganzes, er könnte auch unseren Alltag bestimmen. Eine gängige Annahme: Schlafstörungen bei Vollmond. Viele Menschen berichten von unruhigem Schlaf, wenn der Mond voll am Himmel steht. Die Wissenschaft hat sich diesem Thema mehrfach gewidmet – meist konnte kein Zusammenhang entdeckt werden. Eine Ausnahme ist die Studie von Christian Cajochen (Basel, 2013), der im Labor einen Einfluss auf Tiefschlafphasen und Melatoninspiegel entdeckte. Auch neuere Untersuchungen (2021) aus den USA und Argentinien liefern Hinweise, die den Mondgläubigen Rückenwind geben: Drei bis fünf Nächte vor Vollmond gingen mit Sensoren ausgestattete Probanden später schlafen und schliefen kürzer. Als kausaler Beweis gilt das aber nicht, auch Faktoren wie Lichtverschmutzung oder psychologische Erwartungshaltung könnten eine Rolle spielen.
Innere Uhr
Nicht nur unsere Schlafqualität, sondern möglicherweise auch unser innerer Rhythmus wird von dem Himmelskörper beeinflusst. Der Zyklus des Mondes (29,5 Tage) stimmt zwar nicht genau mit dem weiblichen (28 Tage) überein, dürfte aber dennoch ein Taktgeber sein. Forscher rund um Neurobiologin Charlotte Förster (Würzburg, 2021) haben jahrzehntelange Menstruationstagebücher ausgewertet. Das Ergebnis: Bei vielen Frauen, vor allem unter 35, beginnt die Periode häufiger bei Neu- oder Vollmond. Bei älteren Frauen und Nachteulen nimmt die Synchronisation ab. Das schwankende Mondlicht könnte also tatsächlich einen Einfluss auf den Biorhythmus haben.
Babyboom bei Vollmond
Mehr Geburten bei Vollmond? Hört man zwar oft, stimmt laut statistischen Analysen aber nicht. Widerlegt wurde auch, dass der Mond Einfluss auf den direkten Verlauf von Operationen hat. Forschende aus Innsbruck haben über zehn Jahre hinweg Kniegelenksoperationen ausgewertet. Egal in welcher Mondphase operiert wurde, es ist nicht zu mehr oder weniger Komplikationen, Blutungen und Schmerzen gekommen. Mondexperten wie Johanna Paungger-Poppe entgegnen, dass in der Medizin häufig nur auf die direkte Operationssituation geachtet wird – und nicht auf Spät- und Langzeitfolgen. In einem sind sich Wissenschaft und Mondanhänger einig: Akute Operationen dürfen keinesfalls aufgeschoben werden.
Diät-Booster
Nicht nur im medizinischen Bereich wird der Mond gerne als Katalysator für Veränderungen betrachtet. Eine Diät im Einklang mit den Mondphasen verspricht Gewichtsverlust: durch Fasten bei Neumond oder fettarmer Kost bei Vollmond. Anhänger schwören auf den Effekt, doch wissenschaftlich belegt ist der Einfluss auf den Stoffwechsel nicht – widerlegt aber auch nicht.
Mond-Haarschnitt
Ähnlich verhält es sich mit der Annahme, dass Haare bei zunehmendem Mond schneller und kräftiger nachwachsen, bei abnehmendem Mond langsamer, dafür aber dichter. Viele Menschen berichten von positiven Erfahrungen, doch nennenswerte Studien fehlen. Wer an diese Methode glaubt und sich dabei wohlfühlt, kann sie selbstverständlich weiterhin praktizieren – schaden wird es sicherlich nicht. „Mondwissen ist Erfahrungswissen. Probiert man es nicht aus, versteht man es nicht. Und das kann ich gut nachvollziehen“, so Paungger-Poppe.
Erfahrungswissen nutzen: Mondexpertin im Interview
Johanna Paungger-Poppe kam einst als siebtes von zwölf Kindern in einer Tiroler Bauernfamilie zur Welt. Seit jeher lebt sie nach den Mondphasen und gibt gemeinsam mit ihrem Mann Thomas Poppe ihr Wissen rund um den Mond als Autorin und Vortragende weiter. Ihre gemeinsamen Publikationen wurden in über 24 Sprachen übersetzt und mehr als 14 Millionen Mal verkauft.
Sie sind in einer Bauernfamilie aufgewachsen und leben seit Kindertagen nach dem Mondkalender. In welchen Angelegenheiten vertrauen Sie darauf?
Paungger-Poppe: Im Garten hilft er dabei, zu entscheiden, wann der beste Zeitpunkt zum Pflanzen ist. Der Mondzyklus kann auch genutzt werden, um besser auf den Körper zu achten: beim Essen und Wohlbefinden.
Was sagen Sie Kritikern, die meinen, es gibt keine wissenschaftlichen Belege?
Paungger-Poppe: Jeder darf glauben, was er will. Mir wäre es zu anstrengend, das Erfahrungswissen nicht zu nützen. Die Wissenschaft schaut oft nur auf kurzfristige Ergebnisse – etwa bei Operationen. Da- bei zeigen sich die Unterschiede oft erst später: mehr Blutungen, schlechtere Narbenbildung bei ungünstigen Mondphasen. Wer den Einfluss nie aus- probiert hat, kann ihn schwer nachvollziehen. Und ganz ehrlich: Kritiker sind mir oft lieber als fanatische Anhänger.
Und umgekehrt – wo sehen Sie die Grenzen des Mondeinflusses?
Paungger-Poppe: Rituale, bei denen ums Feuer getanzt wird oder man glaubt, eine Schale bei Vollmond bringe Geldsegen – reiner Aberglaube. Auch Angst vor „falschen“ Mondphasen halte ich für übertrieben.