Ziemlich beste Freunde
Inhalt
- Schule und Wirtschaft, eine Schicksalsgemeinschaft?
- Vision und Strategie
- Begeisterung entfesseln
- Leader ziehen alle mit
- Gesellschaftliche Nussschale
- Schulterschluss gefordert
- Kreativität, Ethik und die KI
Der große Philosoph Ludwig Wittgenstein sagte einst: „Wenn die Menschen nicht manchmal Dummheiten machten, geschähe überhaupt nichts Gescheites.“ Es war ein Plädoyer, um Neues auszuprobieren, innovativ zu sein und ein eventuelles Scheitern in Kauf zu nehmen. Nur so entsteht Innovation, nur so kann Fortschritt generiert werden. Diese Innovationskraft wird sehr oft der Wirtschaft, aber kaum dem Bildungssystem zugeschrieben. Ist das gerecht? Ein Besuch in Wittgensteins ehemaliger Schule, dem BRG Fadingerstraße in Linz, zeigt das Gegenteil. Seit dem Schuljahr 2022/23 gibt es dort den Schulzweig „Digitalisierung und Robotik“. Nicht der einzige Konnex der Schule zur Wirtschaftswelt, denn in den 175 Jahren ihres Bestehens gingen einige internationale Wirtschaftsgrößen wie der milliardenschwere Investor Gerhard Andlinger oder einer der einst größten Reeder der Welt Helmut Sohmen dort zur Schule. Auch nationale Unternehmer- und Managergrößen wie Christoph Leitl oder Erich Haider sind Absolventen.
Schule und Wirtschaft, eine Schicksalsgemeinschaft?
Sie könnten bestätigen, dass die Herausforderungen von Schulen und Unternehmen heute sehr ähnlich sind. Beide müssen sich immer schneller verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen und mit dem demografischen Wandel fertigwerden. Der bringt immer weniger Schüler so wie immer weniger junge Fachkräfte bzw. Mitarbeiter. Sowohl Schulen als auch Unternehmen müssen sich mit einer sich verändernden Kommunikation, der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und mit der digitalen Revolution auseinandersetzen. Schuldirektoren und CEOs bzw. Geschäftsführer haben daher oft sehr ähnliche Aufgaben und Herausforderungen. Die Parallelen sind unübersehbar.
Vision und Strategie
Sylvia Bäck ist Direktorin des Gymnasiums und bringt ihre Tätigkeit auf den Punkt: „Ich muss die Schule nicht nur führen und mich um Schüler und Eltern kümmern, sondern ich muss die Schule auch entwickeln.“ Christoph Knogler, CEO der KEBA Group AG, sieht Ähnlichkeiten zu seinem Job: „Es hängt viel an der verantwortlichen Person, egal ob in der Schule oder in einem Unternehmen. Es geht darum, welche Vision sie hat, welche Strategie sie verfolgt und schließlich, welche Maßnahmen sie setzt.“
Begeisterung entfesseln
Ähnlich wie Knogler, der mit CFO Andreas Schoberleitner einen Zweiervorstand bildet, ist auch Sylvia Bäck keine One-Woman-Show: „Das geht nur mit einem Team. Wir haben eine Steuerungsgruppe, in der mich Kollegen freiwillig begleiten. Das läuft mittlerweile großartig und hoch professionell ab und das, obwohl die Kollegen alles ehrenamtlich und zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit machen.“ Ein solches Engagement, gepaart mit Begeisterung, ist für Knogler entscheidend, um Impulse zu setzen, die es braucht, um das schlummernde Talent in jungen Leuten zu wecken. „Gerade junge Leute sind sehr interessiert. Sie zu begeistern, ist extrem wichtig und das ist nicht nur die Aufgabe der Schulen oder der Eltern, sondern der gesamten Gesellschaft.“
Leader ziehen alle mit
Während ein CEO bei einer neuen Strategie bzw. Vision alle Einheiten des Unternehmens, die Aufsichtsräte und die externen Stakeholder ins Boot holen muss, muss die Schulleitung Kinder, Eltern und ebenso Stakeholder wie Bildungsdirektion bzw. -ministerium mitnehmen. Bäck: „Man fördert die Schulautonomie durchaus und man lässt einiges zu – vor allem in der Oberstufe –, aber es ist gesamt gesehen dann doch ein eher kleinerer Rahmen, in dem man sich bewegen kann.“ Auch Knogler kennt diesen Gestaltungsspielraum. Während die Rahmenbedingungen sowohl in der Bildung als auch in der Wirtschaft vorgegeben sind – im unternehmerischen Umfeld wären das der Markt, die Regulatorien oder die Fachkräfte –, lässt sich der Gestaltungsspielraum, laut Knogler, vergrößern. Dazu muss es gelingen, „Vertrauen aufzubauen und Begeisterung zu entfachen. Wir sprechen von Selbstwirksamkeit. Diese haben Direktoren ebenso. Echte Leader ziehen andere Player mit“. Der KEBA CEO gibt aber zu, dass „der Spielraum in der Schule wohl ein wenig enger ist als unserer“. CEOs oder Geschäftsführer können etwa in das Wohlbefinden der Mitarbeiter investieren, „damit der Arbeitsplatz passt, es Kinderbetreuung gibt oder das Essen in der Kantine schmeckt“. Investitionen, die sich rechnen, so wie Investitionen in Bildung: „Bildung ist kein Kostenfaktor, sondern immer eine Investition in den Standort. Es sind Bildung und Forschung, die den Standort sichern, deshalb muss Wirtschafts-Know-how in die Lehrpläne.“
Gesellschaftliche Nussschale
Da muss ohnehin schon sehr viel Neues hinein, denn das Bildungssystem ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Society in a nutshell quasi: „Das beginnt bei der Sprache, der Kommunikation miteinander, geht über das Generationenthema und natürlich um Migration“, so Bäck. Migration ist eines der Megathemen für die Schule und die Wirtschaft. „Wie bringen wir die Menschen die Sprache so bei, dass sie gut leben können? Wie weit wollen sich die Menschen integrieren?“ Themen, die für die Wirtschaft und den Standort entscheidend sind. Selbst in der Fadingerstraße liegt der Migrationsanteil der Schüler bei 20 bis 30 Prozent, eine Quote, die weit unter der von NMS liegt. Unternehmen sind daher deutlich mehr gefordert, in Sprache und Integration zu investieren.
Schulterschluss gefordert
Und es geht für Sylvia Bäck „auch um die guten alten Werte, wie, dass die Kinder mit der Hand schreiben lernen“. Werte, welche die Direktorin schon am Anfang der Schullaufbahn ihrer Schützlinge klarmacht: „Ich lerne jedes Kind kennen und führe mit ihnen und den Eltern ein Aufnahmegespräch. Dort werden gleich die Basics geklärt, damit später keiner sagen kann: ‚Das wusste ich nicht.‘“ Einer dieser Werte sollte, so Knogler, „Leistung“ sein. „Es ist ganz wichtig, eine gewisse Leistungsorientierung zu vermitteln. Wir haben 28 Standorte in 16 Ländern und sehen natürlich Unterschiede, etwa wie ‚hungrig‘, sprich leistungsbereit die Leute sind.“ Das ist in Zukunft wohl noch wichtiger, wie Knogler meint: „Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn Wertschöpfung in einem Land generiert wird.“ Die Basis dessen sei die Vermittlung von Bildung. Doch der demografische Wandel fordere, so Knogler, auch von Bildungseinrichtungen mehr Kooperation bzw. eine Gesamtbetrachtung: „Nämlich sich zu fragen, was für Oberösterreich bzw. Österreich gut ist und nicht mehr zu sehr in Silos zu denken.“ Der CEO sieht auch schon einige gute Ansätze für einen „Schulterschluss“ zwischen Wirtschaft und Bildungseinrichtungen, sodass etwa „ein Rektor heute viel mehr Netzwerker in Richtung Wirtschaft“ ist.
Kreativität, Ethik und die KI
Zahlreiche gemeinsame Aktionen von Bildungseinrichtungen und Wirtschaftsorganisationen legen davon Zeugnis ab. Die Erfolge werden sichtbarer. „Die Oberstufe soll sich bei Fake News auskennen. Unser Robotik-Zweig kann das schon in der Unterstufe. Sie sind da schon sehr gut vorbereitet“, ist Bäck stolz auf ihre Schützlinge. Doch für die Direktorin geht es nicht nur um das Technische, sondern „auch um Ethik, Moral und die rechtliche Komponente. Das ist spannend, aber auch herausfordernd“. Vor allem, wenn es um KI geht: „Neusprachliche Schulen müssen sich möglicherweise umorientieren. Klassische Sprachvermittlung wird bei KI wohl obsolet werden. Naturwissenschaften, Informatik und Technik werden wir hingegen weit mehr brauchen.“ Knogler, CEO eines Unternehmens, das stark in KI investiert und an KI forscht, sieht das ähnlich: „KI wird alle Bereiche des Lebens verändern, so wie es das Internet davor tat. Doch man muss darüber nachdenken, was man in der Bildung zulässt. KI reproduziert etwas bereits Vorhandenes. Es ist daher extrem wichtig, dass jeder junge Mensch kreativ wird, sprich etwas Eigenes macht. Kreativität sollte nicht durch KI ersetzt werden.“ Deshalb sollte man KI im schulischen Einsatz regulieren. „Das ist eine Herausforderung. Es gibt bereits Studien von MIT und Co. aus der Gehirnforschung. Wird eine Aufgabe selbst oder wird sie mit KI gelöst, werden jeweils andere Gehirnareale angesprochen. Kreativität bzw. die Fähigkeit, selbst etwas zu lösen, ist wichtig für die Gehirnentwicklung, gerade für junge Leute.“ KI-Lernassistenten begrüßt Knogler hingegen dezidiert. „Als Lernpartner können sie bereichernd sein und gleichzeitig junge Leute auf ihr Berufsleben mit KI vorbereiten.“ Die Zukunft des Bildungssystems und damit schlussendlich auch die Wirtschaft werden davon abhängen, wie man auf die aktuellen Herausforderungen reagiert und welche Lösungen man findet. Oder wie Ludwig Wittgenstein meinte: „Revolutionär wird der sein, der sich selbst revolutionieren kann.“