David gegen Goliath
Inhalt
- Keine Bestpreisgarantie mehr
- Reisebüro-Renaissance
- Insiderwissen
- Pauschal beurteilt
- Neue Kommunikationswege
- Online-König
s war wohl eine der profitabelsten Akquisitionen in der Geschichte. 2005 kaufte die amerikanische Priceline Group ihren niederländischen Mitbewerber „Booking.com“ um 133 Millionen US-Dollar. Während Priceline noch wenige Jahre zuvor tiefrote Zahlen geschrieben hatte, sollte Booking.com alles verändern. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die Buchungsplattform 21,37 Milliarden US-Dollar. Im zweiten und dritten Quartal des vergangenen Jahres – den stärksten Urlaubsmonaten – wurden über Booking.com 563 Millionen Übernachtungen gebucht. Der Mutterkonzern Priceline – von diesem Erfolg in den Schatten gestellt – änderte bereits 2018 seinen Namen zu Booking Holdings. Der Vorstoß des Internet-Giganten ließ die Tourismusbranche erzittern. Während Konsumenten von der erhöhten Vergleichbarkeit von Hotels profitierten, hatten Hoteliers und Reisebüros oftmals mit dem Buchungs-Moloch zu kämpfen. Doch in vielen Bereichen haben sich Gegentrends entwickelt.
Keine Bestpreisgarantie mehr
Booking.com hat in Europa eine enorme Vormachtstellung. Der Marktanteil bei Online-Buchungsportalen liegt bei über 70 Prozent. Bedenkt man, dass 2023 europaweit fast ein Drittel der Hotelbuchungen im Internet stattfand, ergibt sich, dass rund jede fünfte Hotelbuchung über Booking.com abgefertigt wurde. Allerdings emanzipierten sich die Hotels in den vergangenen Jahren auch. Vor allem Kettenhotels konnten ihre Buchungen über eigene Websites in den letzten Jahren steigern. Diese Option der direkten Buchung gewinnt mit einem neuen Urteil zusätzlich an Bedeutung. Denn der Europäische Gerichtshof hat im vergangenen Herbst eine Entscheidung zu den Bestpreisklauseln gefällt. Booking.com hat jahrelang darauf bestanden, dass Hotels ihre Zimmer nicht günstiger anbieten dürfen, als Booking.com es tut. Den 60 klagenden Hotels wurde recht gegeben, Bestpreisklauseln wären nicht vom Kartellverbot ausgenommen.

Reisebüro-Renaissance
Für Kunden haben Booking.com,
Expedia und Co. auch Verbesserungen gebracht. So wurde zum Beispiel das Zusammenstellen von Individualreisen durch Online-Portale vereinfacht. Und während man ursprünglich lediglich Hotelbuchungen über Booking.com erledigen konnte, ist das Portfolio heute viel größer. Man möchte glauben, dass Reisebüros dadurch das Wasser abgegraben wird. Doch spätestens Corona hat einen Gegentrend eingeläutet, erzählt Gregor Kadanka, Obmann im Fachverband der Reisebüros der Wirtschaftskammer Österreich und Geschäftsführer der Mondial Gruppe. „Die Reisenden hatten mit ihren Reisebüros einen Ansprechpartner, der sie bei den pandemiebedingten Reiseeinschränkungen umfassend unterstützte.“ Auch die Streiks bei Fluglinien-Angestellten im vergangenen Jahr haben das Vertrauen in stationäre Reisebüros gefestigt. Eine Studie der Statistik Austria zum Reiseverhalten zeigt, dass der Anteil an Reisen, die im Reisebüro oder bei einem Reiseveranstalter gebucht wurden, kontinuierlich steigt und das Niveau von 2019 bereits überholt wurde. Auch Felix König, Geschäftsführer der Reisewelt, spricht von einer „Renaissance der Reisebüros“. „Seit Corona wissen wir, Reisen ist ein Grundbedürfnis“, erzählt er. Die Reiselaune wurde auch von der Teuerung nicht getrübt. Für 41 Prozent der Reisenden ist der Preis nicht ausschlaggebend, so König. Und für die restlichen Reisebegeisterten finden sich Lösungen, denn auch Reisebüros können beispielsweise mit Ticket-Kontingenten in manchen Fällen günstiger sein. „Wir wissen von schlauen Kunden, die vorher online nach Flügen recherchieren und dann zu uns kommen, um die Online-Angebote mit unseren Preisen zu vergleichen.“

Insiderwissen
In manchen Bereichen haben die Reisebüros schlichtweg die Nase vorn. „Gerade in anspruchsvollen Segmenten wie Luxus-, Abenteuer- oder Geschäftsreisen bieten Reisebüros Mehrwert, den Online-Riesen nicht liefern können“, meint Kadanka, „je ferner die Reiseziele liegen und je individueller und anspruchsvoller Reisen sind, desto eher lassen sich die Kunden vom Reisebüro beraten.“ Genau hier fühlen sich kleinere Reisebüros mit Spezialisierung wohl. So beispielsweise Lets go Africa Reisen GmbH in Hellmonsödt. Vor 28 Jahren wanderte Gabriele Nowak nach Kenia aus. In der Millionenstadt Nairobi wurde das Unternehmen Sunworld Safaris geboren. Um den DACH-Raum besser betreuen zu können, folgte 2010 „Lets go Africa“. Geschäftsführer des Reisebüros ist ihr Bruder Christian Nowak. Nach Beratung werden Individualreisen ab zwei Personen geplant. Nowak betont, dass man als Reisebüro einiges zu bieten hat, was die Online-Plattformen nicht können. So haben sein Team und er Fachwissen, das sie an die Kunden weitergeben können. „Beispielsweise, welche Nationalparks eignen sich zu welcher Jahreszeit. Im Netz findet man oft sehr viele Informationen, ein großer Teil davon ist aber veraltet.“ Dieses Insiderwissen hebt auch König hervor. Seine Mitarbeiter sind oft auf Agentenreisen und sehen die Destinationen mit eigenen Augen. „Wenn ich drei Hotels nebeneinander habe, macht das den Unterschied, welches ich blind empfehle und welches womöglich eher nicht.“

Pauschal beurteilt
Reisebüro-Spezialisten wie Nowak sehen in Booking.com keine große Konkurrenz. Denn auf der Online-Plattform werden Einzelleistungen und keine Pauschalreisen angeboten. Und eben jene Buchungen von Einzelleistungen bergen Gefahren. Denn der Reiseveranstalter ist für die Erbringung aller Leistungen verantwortlich, die Teil der Pauschalreise sind. König illustriert diese Problematik mit einem Beispiel: „Wenn ein Kunde nach Dubai fliegt und dort eine Kreuzfahrt antritt und das getrennt bucht und der Flug fällt aus, muss der Kunde die Kreuzfahrt dennoch zahlen.“ Bei Pauschalreisen gibt es hingegen einen Leistungsträger, der die Verantwortung trägt und im (Aus-)Fall das Geld zurückerstattet. Außerdem kann bei Pauschalreisen auch ein Schadenersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude reklamiert werden. Die Erfahrung zeigt zwar, dass auch Booking.com häufig Kulanz den Vorzug gibt, auf der sicheren Seite ist man jedoch bei Pauschalreisen.

Neue Kommunikationswege
Auch Reisebüros bieten immer mehr digital an. „Kunden lassen sich gerne online inspirieren und informieren sich oft schon im Vorfeld ausführlich über ihr nächstes Reiseziel“, weiß Kadanka. König sieht die Reisewelt-Website ebenfalls in erster Linie als Inspirationsquelle. „Ich habe die Online-Angebote schon immer positiv gesehen“, verrät er, „denn wenn die Kunden schon gut informiert zu uns kommen, verkürzt sich die Beratungszeit.“ Die meisten Kunden der Reisewelt kommen weiterhin ins Reisebüro, aber Beratungen verlagern sich auch auf andere Kommunikationswege, so König. „Mit Corona ist es auch bei uns ein Trend geworden, sich per Videocall oder telefonisch beraten zu lassen.“ Christian Nowak hingegen bekommt die meisten seiner Kunden nicht zu Gesicht: „92 Prozent der Buchungen entstehen bei uns auf Basis von E-Mail und Telefon. Davon entfallen fast 70 Prozent auf Deutschland.“ Das stationäre Reisebüro ist für Lets go Africa nur ein Nebenschauplatz. „Der Hauptgrund ist, dass Spezialisten nicht an jeder Ecke zu finden sind und somit die Örtlichkeit nicht wichtig ist.“

Online-König
Booking.com hat sich ein Monopol aufgebaut, das im digitalen Raum unüberwindbar scheint. Selbst Airbnb, dem beim Börsengang von manchen Experten mehr Wachstumspotenzial nachgesagt wurde, kommt nicht an das niederländische Unternehmen heran. Airbnb-Aktien haben in den letzten drei Jahren 17,9 Prozentpunkte verloren, während Booking.com-Aktien um 88,8 Prozentpunkte zugelegt haben. Aber auch beim Marktführer verlangsamt sich das Wachstum. Die Hotellerie und Reisebüros gewinnen beim Urlaubbuchen wieder an Bedeutung. Gut so, denn auch wenn Online-Plattformen viele Vorteile mit sich gebracht haben, ein belebter Wettbewerb ist für die vielen reiselustigen Europäer wünschenswert.
