War nicht Teil meiner Lebensplanung
CHEFINFO: Haben Sie die Entscheidung, in die Politik zu wechseln, schon bereut?
Martin Winkler: Ich habe die Entscheidung nicht bereut und bin mit voller Freude und Ehre an der Sache. Vor einem Jahr hätte ich eine politische Funktion noch abgelehnt, da es nicht Teil meiner Lebensplanung war. Doch im Leben führt der Zufall oft Regie. Als junger Berufseinsteiger schlug ich einen guten Karriereweg bei der voestalpine ein und wurde für das Unternehmen in Wien tätig. Dort wurde mir am Abend oft langweilig und ich traf mich oft mit alten Freunden von der Sozialistischen Jugend (SJ), die mich überredeten, Bundesvorsitzender zu werden. Obwohl mein Chef damals meinte, ich sei „komplett wahnsinnig geworden“, machte ich das zwei Jahre lang. Dann habe ich wieder nach einem Job außerhalb der Politik gesucht, da ich nicht Berufspolitiker werden wollte. Ich landete bei SLG und hatte dort einen sehr guten Start. Als die voestalpine mich dann mit einem attraktiven Angebot lockte, reagierten die Eigentümer von SLG mit einem Gegenangebot: „Wir verkaufen dir ein Viertel der Firma“ (Anm.: das Treasury-Beratungsunternehmen Schwabe, Ley & Greiner SLG). Ich hatte weder eine Eigentumswohnung noch ein Auto. Wie sollte ich mir da Firmenanteile kaufen? Es ging mit großem Risiko und war ein Erfolg. So durfte ich in den vergangenen mehr als 30 Jahren spannende Projekte in der Industrie, für Banken und Notenbanken begleiten.
Wie wurden Sie dann zum Kandidaten für den SPÖ-Landesvorsitz?
Winkler: Alois Stöger hat mich kontaktiert. Das war für mich sehr überraschend, denn ich war 35 Jahre in Wien. Doch es war ein guter Schritt. Eine Heimkehr. Ich bin wieder zu Hause. Derzeit durchquere ich ganz Oberösterreich und gehe da buchstäblich von Tür zu Tür. Das geht nur, wenn man die Menschen mag und umgekehrt.
Nicht wenige Politik-Quereinsteiger haben entnervt aufgegeben. Wie gehen Sie Ihre Aufgabe an?
Winkler: Ich habe mich immer ehrenamtlich engagiert und dort erlebt man oft, wie lange es dauert, bis man sich Vertrauen erarbeitet. In der Wirtschaft ist alles auf Effizienz und auf ein Jahresergebnis getrimmt. Bei zukunftsweisenden Infrastrukturprojekten geht es um Generationen. Zudem war für mich in der Wirtschaft Vertraulichkeit das Gebot der Stunde. Jetzt stehe ich komplett in der Öffentlichkeit. Das muss man wollen und können. Ich glaube, dass ich das durchaus kann, auch wenn es eine sehr große Umstellung ist. Dazu kommt die Zeit. Als Geschäftsführer und Miteigentümer eines mittelständischen Betriebs wird einem auch nicht langweilig, aber in der Politik gibt es eine Sechstagewoche mit wenig Pausen und viel Zeit im Auto. Es gibt also nur mehr einen Familientag.
Was möchten Sie konkret bewegen?
Winkler: Die größte Herausforderung ist die Energieunabhängigkeit, nicht nur in Oberösterreich, sondern in ganz Europa. Wir müssen massive Weichen in die richtige Richtung stellen. Wir brauchen PV-Wind-Kombikraftwerke, große Pump- und Batteriespeicher sowie den dazugehörigen Netzausbau. Wir haben ideale Voraussetzungen mit Sonne, Wind, Bergen und Wasser, die wir maximal nutzen müssen. Dazu will ich auch private Investoren motivieren. So etwas wie in Sandl mit großen privaten Investitionen darf man nicht verhindern, denn teure Energie verteuert unsere Produkte. Wir haben es uns vordergründig gemütlich eingerichtet: Flüssiggas kommt aus den USA oder Katar, doch damit bleibt die Abhängigkeit. Das gilt es zu ändern. PV kann nur zu rund 30 Prozent des Jahres Strom produzieren. In Kombination mit Wind erreicht man eine Netzlast von 80 Prozent. Das zahlt sich also schneller zurück und wir müssen nicht so viel ins Netz investieren. Dazu brauchen wir Speicher. Batteriespeicher reichen für Minuten oder Stunden, Pumpspeicherkraftwerke reichen für Tage und Wochen. Warum brauchen wir das? Wir haben in Europa nach wie vor das beste Manufacturing-Know-how der Welt, China holt stark auf, die USA sind nur in wenigen Schlüsselindustrien wettbewerbsfähig. Nun müssen wir es schaffen, dieses Know-how mit KI zu kombinieren und KI benötigt sehr viel Energie. Wir entscheiden also heute Themen für unsere Kinder und Enkelkinder.
Dennoch braucht gerade die Politik sehr lange für Entscheidungen. Wie beschleunigt man das?
Winkler: Das liegt an einem regelbasierten System in langen Friedenszeiten. Es ist ein überlegenes System, aber es wird immer weiter- und weiterentwickelt und irgendwann geht dann nichts mehr. Das führt dann dazu, dass 27 Jahre über eine Donaubrücke in Mauthausen diskutiert wird. Die Bereitschaft und die Einsicht sind aber da, dass unser Wohlstand gefährdet ist, wenn wir nicht in wichtige Infrastruktur investieren, etwa in eine 20-kV-Leitung durchs Mühlviertel.
Können Sie mit dem Begriff „Lifestyle-Teilzeit“ etwas anfangen?
Winkler: Nicht wirklich. Der Hauptgrund für Teilzeit ist die Kinderbetreuung. Gerade in Oberösterreich sind wir beim Thema „Nachmittagsbetreuung“ Schlusslicht in Österreich. In meinem Unternehmen haben wir viele Arbeitszeitmodelle etabliert, damit wir die großen Talente halten konnten. Ich glaube auch nicht, dass die jungen Menschen faul sind.