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Peter C. Mayr

Mr. & Mrs. Mahlzeit

18.11.2025 um 10:19, Klaus Schobesberger
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Aufstieg. Der Selfmade-Mann aus dem Mühlviertel rettet Weingüter, betreibt Gesundheitshotels und beliefert Diskonter mit Millionen Fertiggerichten.

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Es ist der jüngste Coup des Selfmademans aus dem Mühlviertel: Im September rettete Wolfgang Hochreiter das mit 3,8 Millionen Euro überschuldete Weingut Anton Bauer aus der Insolvenz. Der mehrfach ausgezeichnete Weinmacher produziert nun seine edlen Tropfen unter dem Schirm des befreundeten Unternehmers aus Bad Leonfelden, dessen Firmengruppe zu den größten Lebensmittel- und Convenience-Unternehmen Österreichs zählt. 350 Millionen Euro Umsatz erreicht das ­Unternehmen heuer als industrieller Zulieferer für die größten Tiefkühl-Pizzabäcker Deutschlands oder für die beiden ­bekannten Lebensmitteldiskonter. Wer eine ­Lasagne, eine Pasta oder einen Hotdog aus dem Kühlregal holt, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Hochreiter-Produkten in Berührung, ohne dass sein Name aufscheint. Zu seinem Reich zählen auch Gesundheits­hotels mit 500  Mitarbeitern und 200.000  Nächtigungen im Jahr. Immer öfter an ­seiner Seite in der Öffentlichkeit: seine Frau Petra, die den gesamten Einkauf für die Reha- und Hotelbereiche ­verantwortet. Als „Mr. & Mrs. Mahlzeit“ stehen sie an der Spitze eines Familienimperiums, das sich als Arbeitgeber und ­Investor zu einem echten Macht­faktor entwickelt hat – und ohne das in der Region nichts mehr läuft. „Petra ist ein wesentlicher Pfeiler für mich – absolut entscheidend, damit es im Geschäfts­leben rundläuft“, sagt Hochreiter.

Italienische Fertiggerichte haben der traditionellen Küche längst den Rang in der Beliebtheit abgelaufen.

Größter Salami-Erzeuger Europas

Die Wein-Aktivitäten sind die neue Spielwiese eines Erfolgsmenschen, der in seinem Leben Außergewöhnliches erreicht hat. Der 56-jährige Unternehmer versteht sich als Anpacker und Investor – eine Spezies, die in der ­tristen Stillstands-Stimmung ­gefragter denn je ist. „Wenn ein Geschäftsfeld uns zusagt, es zu unserem Portfolio passt, dann steigen wir ein. Ob am Ende alles gelingt, das bleibt immer abzuwarten“, sagt Hochreiter im Interview (siehe S. 20). Dabei hat alles vor mehr als 30 Jahren in einem sehr beschaulichen Rahmen begonnen. Als jüngstes von vier Geschwistern übernahm er 1992 – nach einer Lehre bei Nothhaft in Linz – die väterliche Metzgerei samt Gastwirtschaft in Bad Leonfelden mit gerade einmal drei Mitarbeitern. Heute beschäftigt das Unternehmen inklusive der Reha-Zentren insgesamt 1.300  Menschen. Auf 86.000  Quadrat­metern Fläche in Bad Leonfelden, Reichenthal und Perg wird fast rund um die Uhr produziert. In seiner Nische kann dem Kühlkost-König niemand das Wasser reichen. Hochreiter ist der größte Salami-Erzeuger und der zweitgrößte Produzent von ­Lasagne in ­Europa –  mehr als 1.200 Paletten verlassen jede Woche das Condeli-Werk in Reichenthal. Rund eine Million Pasta-­Gerichte läuft pro Monat im ehemaligen Manner-Werk in Perg vom Band. Auch sonst bleibt alles in der Familie: Seinem Bruder Josef, einem bekannten Orthopäden, und ihm gehört mehrheitlich das Gesundheitszentrum „Vortuna“ und das Viersternehotel Auszeit. Gottfried, der andere Bruder, studierte Jus und baute 19 Jahre an der Seite von Wolfgang die Unternehmensgruppe mit auf. Und Schwester Helga führt mit ihrer Familie das Fastenhotel „Brunnwald“ in Bad Leonfelden.
 

Lernen von US-Prinzipien

Dass sich alles so entwickelt hat, war nicht die Folge eines strategisch ausgeklügelten Businessplans, sondern aus der Not heraus geboren, erzählt Hochreiter. Nachdem 1997 wegen der Hygiene­vorschriften in der EU ein Neubau errichtet wurde, kam eine schwere Durststrecke. „Es war das klassische Insolvenzthema. Zuerst sagten die Banken: ‚Passt schon, investiert nur‘, dann hatten wir plötzlich viel zu hohe Schulden im Verhältnis zum Umsatz. Aber wir schafften es, im Export Fuß zu fassen.“ Zwei Pioniere gaben Hochreiter in der Krise Orientierung. Zum einen „Pizza Mann“-Gründer Adolf Platzl, der nach einem USA-Aufenthalt seine Franchise-Kette in Österreich aufzog. „Er hat uns die Chance gegeben, Salami und Schinken zu liefern“, sagt Hochreiter. „Und dann dachten wir: Wenn das in Österreich klappt, ­warum nicht auch für die großen Tiefkühlpizza-Hersteller in Deutschland? So haben wir es geschafft.“ Seit 2001 wird jedes Jahr erweitert – und Hochreiter baute damit kontinuierlich seinen Industriezweig aus. Als Mentor, betriebswirtschaftlichen Ziehvater und guten Freund bezeichnet Hochreiter den Linzer Handelspionier Hans Rohregger. Auch er studierte die Entwicklung in den USA, die damals bei der Selbstbedienung Österreich um Lichtjahre voraus waren. Rohregger, der mit dem „Maximarkt“ 1969 den ersten ­Verbrauchermarkt Österreichs schuf, verriet Hochreiter sein Motto: „Lieber 95  Prozent gleich als 100  Prozent gar nicht.“ Wer rasch handelt, muss auch Rückschläge verkraften. Für alle Restaurants einer schwedischen ­Möbelkette sollten europaweit Hotdogs geliefert werden. Es wurde in Anlagen investiert und dann platzte der Deal. „Ich vergleiche das als leidenschaftlicher Jäger gerne mit der Jagd: Ein Schuss geht daneben, du nimmst es hin und gehst weiter“, sagt Hochreiter, der sich selbst als „harten Geschäftsmann mit Herz“ bezeichnet.
 

Der 2021 in Bad Leonfelden eröffnete Hochreiter Campus. Investitionssumme: rund sieben Millionen Euro.

Lasagne statt Veggie-Burger

Der Boom der Fertiggerichte ­spielte Hochreiter perfekt in die Hände. „2012 wurden wir gefragt, ob wir Lasagne produzieren könnten. Ich sagte sofort zu. Das Fleisch als Grundstoff hatten wir im Griff – den Rest haben wir uns blitzschnell angeeignet. So kam alles ins Rollen.“ Die Mühlviertler agieren ausschließlich im Einzelhandel, und das durchgängig im Private-Label-Segment: Sie entwickeln und verkaufen Produkte, die exklusiv unter der Marke eines Händlers vertrieben werden. Das bedeutet sichere Abnahme­mengen, stabile Preise – und keine ­teuren Marketingkampagnen für eigene Marken. Genau in die Aufbauphase der Lasagne-­Produktion platzte der Pferde­fleischskandal. „Wir hatten fünfeinhalb Millionen investiert und plötzlich stand alles still – der Markt war wie leer gefegt“, erinnert sich Hochreiter. Doch genau diese Krise wurde zum Sprungbrett. „Wir haben sie genutzt und uns positioniert: ‚Wir produzieren die sicherste Lasagne der Welt‘.“ Jedes Stück Fleisch wird vor der Verarbeitung visuell geprüft, auf Fremdkörper gescannt. „Das ist die Philosophie, die uns befähigt, die große Industrie zu beliefern.“ Und die klassische kleine Fleischhauerei? Die ist fast ganz verschwunden. Man müsse nur einen Eurospar betreten, um das zu sehen. Mit dem Aufkommen von Fleisch- und Wurstsortimenten im Großhandel erging es den Metzgern wie den Bäckern: Der Handwerksbetrieb ist fast ausgestorben. „Unsere Zunft muss sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass nun tolle Direktvermarkter in diese Fußstapfen treten und einen super Job machen“, sagt Hochreiter. Er erinnert daran, dass es in den 1960er Jahren in Linz noch 160 Metzgereien gab. Und der Veggie-­Trend? „Ja, wir haben vegetarische 
Varianten – allerdings laufen die nur in sehr begrenztem Umfang. Die Nachfrage ist gering. Bei unserer Bio-Zulassung in Bad Leonfelden denken wir sogar darüber nach, sie aufzugeben, weil die Mengen so stark zurückgehen.“ 

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