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„Linz Tourismus“-Chefin Marie-Louise Schnurpfeil.
„Linz Tourismus“-Chefin Marie-Louise Schnurpfeil.
Linz Tourismus / Martin Stöbich

„Ende des Silo-Denkens“

24.04.2025 um 08:30, Klaus Schobesberger
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Linz ist nicht so eine starke touristische Marke wie Salzburg. Das sei aber auch ein Vorteil der Stadt, erklärt Linz Tourismus-Chefin Marie-Louise Schnurpfeil.

CHEFINFO: Sie wollen mit der neuen Kampagne auch verstärkt Einheimische ansprechen. Neigen wir dazu, das Gute vor der eigenen Haustür gering zu schätzen?
Marie-Louise Schnurpfeil: Bis zu einem gewissen Grad stimmt das, auch wenn es nicht nur auf Linz beschränkt ist. Der Oberösterreicher hat etwas in ihm Innewohnen­des, dass er glaubt, erst weit wegfahren zu müssen, um neue Eindrücke zu sammeln. Genau da setzen wir mit unserer aktuellen ­Markenphilosophie an. Wir bauen auf einer sehr soliden Marke Linz auf, die sich seit „Linz 2009 Kulturhauptstadt“ entwickelt hat. Wir haben uns immer in dem Spannungsfeld zwischen Kultur, Indus­trie und Natur bewegt und tun das auch weiterhin. Mit unserer Markenerzählung wollen wir bei Gästen, aber auch bei den Einheimischen die Neugier wecken.

In Salzburg oder Wien weiß der Besucher, was ihn erwartet, in Linz nicht. Ist das der Unterschied?
Schnurpfeil: In Linz trauen wir uns zu sagen, dass das Angebot so vielseitig ist, dass es immer wieder unentdeckte Facetten zu erforschen gibt. Das liegt daran, dass man von Linz nicht so ein klares Bild hat wie von Städten wie Salzburg oder Wien. Für diese etablierten Destinationen ist es auch schwieriger, aus diesem tradierten Bild auszubrechen. In Linz hingegen spüren wir, dass es immer noch neue Aspekte gibt, die hinzukommen – sei es im Bereich Innovation wie die Tabakfabrik oder ­andere Orte, die selbst für die Linzer noch nicht so bekannt sind. Wenn man hinter die Fassade blickt, gibt es in Linz also noch viel zu erkunden. Genau das sehen wir als unser Spielfeld für die Zukunft.

Mit der Destinationsstrategie 2030 und dem Claim „Take a risk, visit Linz“ wird die nächste Stufe gezündet. Warum Destinationsstrategie statt Tourismusstrategie?
Schnurpfeil: Es ist für uns wichtig, nicht mehr nur Tourismus isoliert in einem Silo zu betrachten, sondern ihn in einem ganzheitlichen, systemischen Ansatz zu denken und umzusetzen. Eine Stadt ist dann am attraktivsten, wenn sie für alle lebenswert und anziehend ist. Dafür ist es wichtig, die verschiedenen Bereiche und Akteure miteinander zu vernetzen – sei es die Stadtplanung, die Wirtschaft, die Veranstaltungsbranche oder die Wissenschaft. Nur im Zusammenspiel aller relevanten Faktoren kann eine Destination ihre volle Strahlkraft entfalten.


Welche Rolle spielen ausländische Studierende, internationale IT-Talente oder Expats in dieser Gesamtschau?
Schnurpfeil: Wir arbeiten intensiv an der Entwicklung eines Botschafterprogramms für die Destination Linz. Dafür haben wir uns als Tourismusverband mit den Hochschulen und der Stadt Linz zusammengesetzt. Das Ziel ist es, eine ­emotionale Bindung zu Studierenden, Professoren und Expats aufzubauen – auch wenn sie Linz wieder verlassen. Wir möchten eine Art Community schaffen und ein Empfehlungsmanagement aufbauen, um daraus wirtschaftliche Vorteile zu generieren. Viele Hochschulen organisieren zum Beispiel ihre eigenen „Welcome Weeks“. Da wollen wir ansetzen und Synergien schaffen – etwa mit Stadtführungen auf Englisch oder durch die gezielte Bewerbung der Linz-Card. So können wir diese Zielgruppe auf ihre erste Entdeckungsreise durch Linz schicken und ihr helfen, ihre Heimat auf Zeit besser kennenzulernen. Mit der Linz-Card ist der Eintritt in die Linzer Museen übrigens kostenlos – ein richtig starkes Angebot, um Lust auf die Kulturszene in Linz zu machen.    

Im Vorjahr zählte Linz das zweite Jahr in Folge mehr als eine Million Nächtigungen. Sind Nächtigungszahlen jene harte Währung, woran man als ­Tourismus-Chefin gemessen wird?
Schnurpfeil: Das ist die harte Währung, weil es auch das Klarste ist, das man messen kann. Für mich ist das aber nur ein kleiner Teil dessen, was man als Destination in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Attraktivität an Kennzahlen heranziehen muss. In gewisser Weise stehen wir mit der Destinationsstrategie erst am Anfang unserer Messungen. Mir geht es dabei um Themen wie Arbeitskräfte, Arbeitsplätze und direkte Wertschöpfung, die natürlich die Hotellerie und Gastronomie betreffen, aber auch nachgelagerte Branchen. Nicht jeder Bäcker, Lebensmittelhändler, Installateur oder Tischler sieht sich als Teil der Tourismusbranche, obwohl er es indirekt ist. Daher müssen wir auch aktiv in die Tourismus-Akzeptanz in diesen nachgelagerten Branchen investieren, um zu zeigen, dass Linz in den vergangenen Jahren auch für sie zur Tourismusstadt geworden ist.

Kulturverantwortliche bedauern die oftmals mangelnde Auslastung ihrer Häuser und machen es daran fest, dass Linz eben nicht ein ­Touristenziel wie Wien sei. Haben sie recht?
Schnurpfeil: Ich bin der Meinung, dass der Scheinwerfer falsch ausgerichtet ist. Wir unterscheiden uns vom ­Angebot gegenüber Wien oder Niederösterreich klar und müssen das aber auch konsequenter kommunizieren. Ein Beispiel: Ich saß bei einer Aufführung im Musik­theater neben einer Dame aus Wien, die ein Klimaticket und ein Abo für das Musiktheater in Linz hat. Sie fährt für eine Vorstellung mit dem Zug an und wieder zurück. Das mag jetzt wie ein Einzelfall klingen, aber ich denke, mit einer Fahrzeit von einer Stunde und 15 Minuten ist das Potenzial dafür durchaus vorhanden. 

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