Kein falscher Pessimismus
CHEFINFO: Viele Menschen können mit dem Begriff „Private Equity“ wenig anfangen. Wie würden Sie ihn in wenigen Worten erklären?
Gernot Hofer: Private Equity ist nichts anderes als der englische Begriff für Beteiligungskapital. In den meisten Fällen reichen Private Equity Fonds Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Gelder aus, die dann eine Gesellschafterrolle begründen. Das bedeutet, dass Private-Equity-Investoren sehr oft als Gesellschafter am Tisch sitzen und eine wesentlich langfristigere und nachhaltigere Sichtweise auf Investitionsentscheidungen haben. Das zwingt uns, stärker unternehmerisch zu denken und zu handeln. Private Equity ist heute weniger Finanztechnik, sondern mehr operative Wertschöpfung. Mit unseren Modellen schaffen wir aus Kapital echten volkswirtschaftlichen Nutzen. Kapital per se ist ja nicht produktiv. Erst die sinnvolle Allokation in zukunftsweisende Geschäftsmodelle hat gesellschaftlichen Nutzen. Unsere Aufgabe ist es, das Kapital unserer Investoren bestmöglich in Wertschöpfung zu bringen.
Die Invest AG wurde 1994 gegründet. Wie viele Beteiligungen gab und gibt es bzw. über wie viel Kapital sprechen wir da?
Hofer: Aktuell haben wir 53 Portfolio-Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtportfolio-Umsatz von ca. 15,5 Milliarden Euro. Sie beschäftigen rund 135.000 Menschen. Seit unserer Gründung haben wir 945 Millionen Euro in 230 Beteiligungen investiert. Unser Fondsvolumen beträgt aktuell 500 Millionen Euro.
Welche Unternehmen haben Sie dabei im Fokus, sprich müssen sie auch zum Kapitalgeber passen?
Hofer: Der Fokus liegt auf mittelständischen Unternehmen mit stabilem Cashflow und Transformationspotenzial, also dort, wo Kapital, Know-how und Geschwindigkeit echten Mehrwert schaffen. Wir besinnen uns auf das, was wir können. Gleichzeitig wissen wir aber auch, wo wir bewusst auf unseren Führungsanspruch verzichten. Wir sind schließlich ein Finanzpartner auf Zeit, der zur Seite steht, wenn es um strategische und langfristige Entscheidungen geht. Wir mischen uns typischerweise nur wenig ins operative Kerngeschäft ein, weil wir auf unsere Partner vertrauen. Diese wiederum schätzen unsere Erfahrungen und unser starkes Netzwerk. Etwa das Netzwerk unserer Kapitalgeber, die ausschließlich aus dem Raiffeisen-Netzwerk stammen. Daraus ergibt sich der hohe Anspruch an unser unternehmerisches Verständnis und Standortbewusstsein. Wir wollen Bewährtes bewahren und unsere Partner gleichzeitig auf die nächste Wachstumsstufe heben, etwa durch Digitalisierung, Internationalisierung oder Nachfolgethematiken. Dank unserer „Evergreen-Struktur“ sind wir Eigenkapitalgeber, der auf die Partner keinen Exit-Druck ausübt. Der ideale Zeitpunkt unseres Ausstiegs wird ganz pragmatisch mit dem Unternehmen festgelegt.
Es sind wohl nicht alle Investitionen ein Volltreffer. Private Equity impliziert ein gewisses Risiko. Wie gehen Sie mit Fehlinvestitionen um?
Hofer: Sich ändernde Rahmenbedingungen sind Teil des Wirtschaftens. Unser Eigenkapital trägt mit unseren Partnern dieses unternehmerische Risiko. Wichtig ist, sich rasch und ehrlich an neue Rahmenbedingungen anzupassen und konsequent sowie partnerschaftlich in die Neuausrichtung zu gehen. Aus über 230 getätigten Unternehmensbeteiligungen haben wir wertvolle Erfahrungen sammeln können. Diese Erfahrungskurve stellen wir unseren Unternehmen zur Verfügung. Was für viele Unternehmer Neuland ist, ist für uns womöglich eine Standardsituation.
Die vergangenen Jahre waren von einigen Herausforderungen gekennzeichnet. Wie sind Sie diesen begegnet?
Hofer: Dass die allgemeine Großwetterlage etwas eingetrübt ist, ist hinlänglich bekannt, auch die Lieferketten-Verwerfungen aufgrund der Covid-Krise, gestiegene Rohstoff- und Energiepreise aufgrund des Ukraine-Russland-Krieges bis zum Fachkräftemangel. Genau in diesen Momenten trennt sich die Spreu vom Weizen – Qualität, auch auf Gesellschafterebene, wird sichtbar. Unser Anspruch ist es, besonnen und bedacht, aber entschlossen unsere Beteiligungsunternehmen zu unterstützen. Gleichzeitig möchte ich vor falschem Pessimismus warnen. Die vergangenen Jahre haben, trotz der Entwicklungen, gezeigt, dass Volkswirtschaften resilient sind und dass wir ausgezeichnete Unternehmen und Mitarbeiter in Österreich haben. Wer die aktuelle Zeit dafür verwendet, eine genaue Strategie und Struktur zu erarbeiten, wird gestärkt aus dieser Phase hervorgehen. Es gilt der Grundsatz „Never waste a good crisis“.
Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel. Wo sehen Sie die heimische Wirtschaft in fünf Jahren?
Hofer: Wir werden die Talsohle bald durchschritten haben. Dann werden wir in vielen – nicht allen – Sektoren wieder wesentliches Wachstum sehen. Umso wichtiger ist es, schon jetzt die richtigen Investitionen, seien es Anlagen oder Firmenzukäufe, zu tätigen, um vom kommenden Wachstumsschub voll profitieren zu können. Investitionen haben wesentliche Vorlaufzeiten, um wirksam sein zu können. Gute Unternehmen nutzen diese Phase bereits, um sich neu aufzustellen.