Finanztipps von den TikTok-Stars
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Über 70 Stunden verbringen 16- bis 18-Jährige pro Woche online. Das geht aus der „Jugend-Digitalstudie“ der deutschen Postbank hervor. Besonders Social Media bestimmt das Leben zahlreicher junger Menschen. Schnell finden sich Vorbilder in Form von Influencern. Kein Wunder, dass jeder fünfte Jugendliche diesen Beruf gerne ergreifen würde. Sie begleiten junge Menschen in allen Bereichen des Lebens. Manche Internet-Stars kommentieren politische Trends, andere machen Make-up-Tutorials und wieder andere belehren 12-Jährige darüber, wie echte Männer zu sein hätten. Werden die Jungen älter, rückt plötzlich auch das Thema „Finanzen“ in den Mittelpunkt. Die Algorithmen der Social-Media-Seiten erschnüffeln dieses unausgeschöpfte Potenzial wie ein Schwein auf der Jagd nach Trüffeln. Steckt man erst einmal in der Schublade von Menschen im „investitionsfähigen Alter“, drängen sich ganz schnell die Beiträge von einer bestimmten Art von Internet-Persönlichkeiten auf: den Finfluencern.
Internet statt Bankberater
Zehn Jahre ist es her, als ein Twitter-Beitrag in Deutschland eine Debatte zur Bildungspolitik auslöste. Die Nutzerin Naina schrieb auf Twitter: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‚ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen‘.“ Österreich belegt in Sachen Finanzbildung aktuell einen Spitzenrang. Bei einer OECD-Studie landete Österreich auf Platz zwei von 40 untersuchten Industrieländern. Gleichzeitig kämpfen junge Menschen aber besonders stark gegen steigende Schulden. Das niederschwellige Online-Shopping-Angebot führt zu unkontrolliertem Konsum und die Privatpleiten steigen. Finanzbildung ist also etwas, das vor allem Jugendliche dringend Not haben. In der Vergangenheit suchte man dazu seinen Bankberater auf, jetzt klickt man sich ins Internet und lässt sich von sogenannten Finfluencern beraten. Finfluencer ist ein Kofferwort aus Finanzen und Influencer. Sie verbreiten ihre Inhalte zu Finanzthemen über soziale Netzwerke, wobei die Art und Qualität der Inhalte sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das Angebot kann von Tipps zum Sparen über Aktienanalysen bis hin zu Kryptowährungen oder Steuertricks reichen. Die Zielgruppe ist ein junges Publikum. Laut einer Studie der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat rund die Hälfte der 18- bis 45-Jährigen bereits Finanzinformationen von Influencern eingeholt. 60 Prozent betrachten soziale Medien sogar als gute Alternative zur professionellen Beratung. Laut BaFin spiegelt sich diese Finanzbildung auch im Anlageverhalten wider. So haben Social-Media-affine Nutzer in mehr Anlageklassen investiert. Man beobachtet, dass sie ihre Investments breiter streuen als jene, die soziale Medien nicht zur Recherche für Finanzthemen nutzen. Auffallend ist auch ein Zusammenhang zwischen TikTok, YouTube & Co. und Kryptowährungen. 43 Prozent der Social-Media-Nutzer, die in den vergangenen zwei Jahren Geld investierten, taten dies in Krypto. Dagegen lag die
Quote bei den Social-Media-Muffeln gerade einmal bei 25 Prozent.

Produkt-Vermittler
Die Erkenntnis, dass Finanzbildung gefragt ist, führte zum Aufstieg zahlreicher Finfluencer. Altruismus mag für manche eine Rolle spielen, aber auch sie wollen für ihre Arbeit bezahlt werden. Die Wege und Möglichkeiten sind dabei mannigfaltig. Bezahlte Coachings, Workshops und selbst geschriebene Bücher sind gängige Methoden, den eigenen Content zu Geld zu machen. Daneben nutzen sie das sogenannte „Affiliate-Marketing“. Dabei bieten Unternehmen ihren Vertriebspartnern – in diesem Fall Social-Media-Persönlichkeiten – Provisionen, wenn diese einen Abschluss vermitteln. Die BaFin-Studie zeigt, dass 57 Prozent der untersuchten Anleger Investments direkt über Affiliate-Links abschließen. Diese Form der Monetarisierung wird im Internet häufig in verschiedenen Kontexten verwendet und ist eine legitime Strategie. Allerdings bleibt in den meisten Fällen unklar, wie viel Geld die Influencer eigentlich für ihre Vermittlung bekommen. Eine weitere Schwierigkeit besteht außerdem darin, dass viele junge Menschen sich nicht bewusst sind, dass die Finfluencer überhaupt Provisionen durch ihren Kauf erhalten. Selbst 15 Prozent jener, die bereits über Affiliate-Links Finanzprodukte gekauft haben, gaben bei der BaFin-Studie an, nichts von Provisionen zu wissen.

Ohne Konzession
Aber auch für Social-Media-Stars gelten Regeln, denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) Österreich beobachtet daher die Aktivitäten von Finfluencern mit Argusaugen. Fiona Springer, stellvertretende Abteilungsleiterin für unerlaubten Geschäftsbetrieb, Marketmonitoring und Verbraucherinformation bei der Finanzmarktaufsicht, erklärt: „Die FMA führt regelmäßig Verfahren gegen Personen, die unerlaubt auch online Anlageberatung durchführen. Es werden dazu auch regelmäßig Investorenwarnungen auf der Homepage der FMA und im digitalen Amtsblatt kundgemacht.“ Eine Anlageberatung erfordert in Österreich eine Konzession der FMA. Doch wo verläuft die Grenze zwischen allgemeiner Finanzbildung und lizenzpflichtiger Beratung? Springer erläutert: „Eine konzessionspflichtige Anlageberatung liegt in der Regel dann vor, wenn einem Kunden eine konkrete persönliche Empfehlung für ein Geschäft mit Finanzinstrumenten gemacht wird, die ihn dann klar dazu veranlassen soll, dieser Empfehlung gemäß auch tatsächlich zu agieren.“ Das bedeutet, dass allgemeine Informationen oder Bildung über Finanzthemen erlaubt sind, solange sie nicht als persönliche Empfehlungen verstanden werden können. Die Unterscheidung ist für Zuseher aber oft nicht einfach, gibt auch Springer zu. Ihr Tipp: „Finfluencer sollten, um Missverständnisse zu vermeiden, deutlich klarmachen, dass sie keine konzessionspflichtigen Tätigkeiten erbringen.“

Klare Leitlinien
Doch was ist, wenn ein Influencer die Grenze zur Anlageberatung überschreitet, ohne die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen? Springer führt aus: „Bei entsprechend konkretem Verdacht auf unerlaubte Anlageberatung können je nach Sachlage verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Insbesondere die erwähnte Möglichkeit der Erlassung von Warnmeldungen ist ein effektives Mittel, um die Verbraucher vor unerlaubt tätigen Unternehmen zu warnen.“ Aber es können auch Untersagungs- und Verwaltungsstrafverfahren gegen unerlaubt tätige Unternehmen geführt werden. Daneben möchte die Finanzmarktaufsicht auch präventiv wirken: „Zur Prävention des unerlaubten Tätigwerdens ist die FMA derzeit in der Vorbereitung einer eigenen Dialog-Veranstaltung für Finfluencer. Dabei soll insbesondere die Abgrenzung der erlaubten und der unerlaubten Tätigkeit dargelegt und besprochen werden.“ Diese Initiative soll dazu beitragen, Finfluencern klare Leitlinien zu bieten und somit den Anlegerschutz zu stärken.

Zu gut, um wahr zu sein
Finfluencer können eine wertvolle Rolle in der Finanzbildung spielen, insbesondere für junge Menschen, die sich erstmals mit finanziellen Themen auseinandersetzen. Springer betont diesen Nutzen: „Finfluencer per se stellen kein Risiko für den Verbraucherschutz dar, insbesondere dann nicht, wenn sie objektive Finanzbildung verbreiten, das ist ja etwas Positives!“ Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn konkrete Empfehlungen ausgesprochen werden, ohne dass eine entsprechende Lizenz vorliegt. Verbraucher sollten stets kritisch hinterfragen, wer hinter den Informationen steht und welche Qualifikationen die Person mitbringt. Und auch, wenn die versprochenen Erfolge zu schön klingen, um wahr zu sein, sollten die Alarmglocken schrillen. Denn was viele junge Menschen anzieht, nutzen windige Finfluencer in ihren Videos als Requisiten. Schnelle Sportwägen, Luxus-Strandvillen und protzige Uhren werden bewusst in die Kamera gehalten. Viele träumen vom schnellen Geld – doch verlieren kann man es noch schneller.
