"Vier Milliarden Euro sind ein massiver Wirtschaftsimpuls"
CHEFINFO: Gegenwärtig gibt es in vielen Staaten eine Abkehr vom Primat der Klimapolitik, auch in Österreich. Sehen Sie den Zeitplan für die grüne Radikalkur der Energie AG gefährdet?
Leonhard Schitter: Als Landesenergieversorger haben wir uns klar positioniert: Bis 2035 planen wir, Klimaneutralität und Unabhängigkeit zu erreichen. Dafür treiben wir den Ausbau erneuerbarer Energien wie Sonnen-, Wasser- und Windkraft voran und forcieren den Ausbau der Netze sowie der Netzinfrastruktur. Insgesamt investieren wir vier Milliarden Euro in diese Maßnahmen – ein massiver Wirtschaftsimpuls über die Grenzen von Oberösterreich hinaus. Ich glaube, dass auch eine künftige Bundesregierung sowie der Gesetzgeber diese klima- und energiepolitischen Ziele weiter unterstützen werden.
Ist der Politik das bewusst? Eine „Standortabgabe“ für Energieversorger wegen hoher Strompreise ist als Thema ja nicht vom Tisch.
Schitter: Die starken Verwerfungen bei den Energiepreisen begannen vor drei Jahren mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Als Energie AG mussten auch wir Preisanpassungen vornehmen. Gleichzeitig befindet sich die Energiewirtschaft wegen des Klimawandels in einem nie da gewesenen Umbruch. Jeder erwirtschaftete Euro wird von uns in den Ausbau erneuerbarer Energien und der Netze investiert, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort abzusichern. 2024 war es die Rekordinvestitionssumme von 317 Millionen Euro, die wir heuer mit 571 Millionen Euro erneut toppen werden. Das bedeutet Unabhängigkeit, die unsere Kunden entlasten und Strompreise senken soll. Was ja schon passiert: Am 1. April erfolgt die zweite spürbare Preissenkung bei Strom – nach zwei Preissenkungen bei Gas im vergangenen Jahr. Damit zählen wir zu den günstigsten Landesenergieversorgern in Österreich. Europaweit liegt Österreich bei den Strompreisen im guten Mittelfeld.

Welche Bausteine sind für die Erreichung dieses Ziels noch nötig?
Schitter: Österreichs Stromerzeugung basiert zu 86 Prozent auf erneuerbaren Quellen – vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 67 Prozent. Der Fortschritt ist sichtbar – und er geht weiter. Mit dem Pumpspeicherkraftwerk in Ebensee investieren wir 451 Millionen Euro in den Ausbau der Speicherkapazitäten, um den Strom aus Erneuerbaren bedarfsgerecht verfügbar zu machen. Es ist die größte Einzelinvestition in der 132-jährigen Unternehmensgeschichte. Die Baustelle beschäftigt aktuell 1.500 Mitarbeiter, mehr als 90 Prozent der Wertschöpfung bleiben in der Region. Zusätzlich planen wir eine Leistungsverdoppelung des Kraftwerks Traunfall – Kostenpunkt: 188 Millionen Euro. Auch bei der Dekarbonisierung durch Wasserstoff verfolgen wir ein klares Ziel und treten als Partner für Unternehmen auf.
Welche Rolle spielt die Windkraft für die Energie AG?
Schitter: Windkraft hat eine wesentliche Bedeutung. Bis 2035 plant die Energie AG, 1,2 Terawattstunden zu-sätzlich an erneuerbarem Strom für die Kunden zu erzeugen, 60 Prozent sollen davon Windenergie sein, der Rest ist Photovoltaik, aber auch Wasserkraft. Unser größtes Projekt ist im Kobernaußerwald mit geplanten 19 Windkraftanlagen. Aber wir investieren auch außerhalb Österreichs, etwa in Deutschland, Italien oder Slowenien. In Slowenien beteiligten wir uns an einer Gesellschaft, um große Photovoltaik- und Windprojekte zu realisieren.
War es politisch klug, das Windkraftprojekt „Sandl“ abzublasen?
Schitter: Es steht mir nicht zu, politische Maßnahmen zu kommentieren. Wir als Energie AG treiben unsere Energieprojekte voran mit Lösungen für Kunden, etwa beim Thema „E-Mobilität“. E-Fahrzeuge eignen sich auch als Speicher. Dafür sind entsprechende Netzinfrastruktur, Energiemanagement und Abrechnungsmodalitäten nötig. In diesen Bereichen sind wir führend und können der E-Mobilität einen Schub verleihen. Wir investieren aber auch in eigene Großspeicherbatteriesysteme. 30 Megawatt sind in Planung am Kraftwerksstandort in Timelkam.
Was erwarten Sie sich von bundespolitischer Seite?
Schitter: Es braucht ein klares Bekenntnis aller, die Energiewende als Wirtschafts- und Nachhaltigkeitsprogramm zu verstehen. Zum anderen sind zentrale gesetzliche Maßnahmen wie das Elektrizitätswirtschaftsgesetz überfällig. Es ist quasi die Bibel der Stromwirtschaft, die alle Themen von der Netztarifierung bis zu regulatorischen Maßnahmen regelt. Der zweite große Bereich ist das Erneuerbare-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das dringend benötigt wird, um Verfahren schneller umsetzen zu können.