Der Wau! Effekt
Inhalt
- Die Bezos-Connection
- Gratis in Untermiete
- Der Mühlviertler Arnie
- Konzentrierte Ehrlichkeit
- Wichtig & richtig
Slapstick in Cupertino, Silicon Valley, Kalifornien. „Luna! Luuunaaa!“ Wo Apple residiert, wo AI stündlich schlauer wird, wo Digital ein neues Normal definiert, stellen wir uns nun bitte bildhaft vor: vier junge Männer in Sneakers, Jeans und Loose-Fit-Hoodies, der Uniform der kalifornischen Zukunftsbastler – plötzlich zurückgeworfen in die Steinzeit des Analogen. Einer von ihnen ist Michael Hurnaus: „Ein Freund hat mich angerufen, sein Hunderl, so ein kleiner Mischling, war auf einmal verschwunden.“ Ein pelziger Vierbeiner, aus Abenteuerlust entlaufen; vier ausgewachsene Zweibeiner – hechelnd, suchend, brüllend, kreuz und quer durch die glatt gebürstete Vorstadt mit ihren üppigen Palmen und pastellenen Einfamilienhäusern. „Luna! Luuunaaa!“ Und nach knapp einer Stunde – Lunas Comeback, so unvermittelt wie zuvor ihr Verschwinden. Mit einem Schwanzwedeln der Unschuld und einem Kopfschütteln der vier atemlosen IT-Kapazunder, allesamt völlig umsonst mit ihren hochgerüsteten Smartphones bewaffnet. Tenor: „Gibt’s denn wirklich noch keinerlei Such-Apps für Haustiere, keinen Tracker für Cats and Dogs? Das gibt’s doch nicht!“ Und nein, gab’s wirklich nicht. Aber nicht mehr lange. Denn der Irrlauf der Hurnaus-Gang war eine profunde Bedarfsanalyse. Samt Erfolgsrun: Heute ist Hurnaus mit seiner Firma Tractive von Pasching aus Weltmarktführer, hat rund 280 Beschäftigte aus 45 Nationen und macht 150 Millionen Euro Jahresumsatz: mit Haustier-Tracking. Und dank Laufen. „Meine tägliche Mittagsrunde ist die unverzichtbare Basis für mein Business.“ Und für den ganz persönlichen Wau-Effekt!
Die Bezos-Connection
Aber was läuft da wirklich? Hard- und Softwaretechniker Michael Hurnaus arbeitete im Jahr 2012, dem Jahr des verschwundenen Hundes, noch für Amazon. Als technischer Projektleiter für den Kindle Fire, Amazons Tablet-PC, stand er in direkter Verbindung mit einem gewissen Jeff Bezos. Doch plötzlich gründet „The Upper Austrian“-Wunderkind mit nichts als einer fixen Idee und der Unterstützung von Freund und Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner sein Startup. Selbst die eigenen Eltern, daheim in Aigen-Schlägl, Bezirk Rohrbach, verstanden die weite Welt nicht mehr: „Warum gibt der Bub nur seinen sicheren Traumjob auf?“ Und das für ein, nun ja, Hundeleben am Linzer Stadtrand. „Warum nicht?“, antwortete der transatlantische Junior trotzig und verpflanzte seinen kalifornischen Anything-Goes-Spirit ins Epizentrum des Des-geht-jo-nie. Doch anfangs schien es manchmal tatsächlich so, als läge in dem ganzen Projekt irgendwo der Hund begraben: „Es gab in der Frühphase einige Male die Situation, wo wir nicht wussten, ob wir die Gehälter noch zahlen können.“
Gratis in Untermiete
„Unser Goody: Wir durften in Pasching die Runtastic-Büros gratis mitbenutzen, bis wir uns unseren eigenen Campus aufbauen konnten.“ Und ja, er war naiv, so naiv zu glauben, ein kleines Elektronik-Tool zu bauen und zu vertreiben, das keine technische Revolution, wohl aber eine riesige Marktlücke darstellt – das könne doch sooo schwierig nicht sein. Aber es war schwierig, verdammt schwierig, und nur die eigene Naivität gab ihm überhaupt erst die Kraft, durchzuhalten. „Es ist ganz einfach: Du musst so naiv sein, an dich selbst zu glauben.“ Und, so formuliert das Hurnaus, „an neun von zehn Wochentagen arbeiten“. Genau dieses Mindset wurde während seiner Amazon-Zeit in Cupertino aktiviert: In der abgeschotteten Entwickler-Blase, sagt Hurnaus, zähle man im Job nicht die Stunden, nicht die Tage und schon gar nicht die vermeintlichen Wochenenden. Die privaten Freunde seien die Arbeitskollegen und der wichtigste Lebensinhalt die Topsecret-Produkte, an denen man gemeinsam tüftle.
Der Mühlviertler Arnie
Und der einzige Ausgleich? „Laufen, laufen, laufen“, fasst Hurnaus zusammen, aber weder hinter kleinen Hunden her noch vor großen davon. Und trotzdem so ausdauernd und zielorientiert wie möglich. „Ich wollte einfach immer der Schnellste sein, egal, ob auf zehn Kilometer oder im Marathon.“ Jeder Run habe ganz grundsätzlich nur dazu gedient, sich selbst zu verbessern. „Competitiveness only“, amerikanisiert Hurnaus und klingt phonetisch wie ein Mühlviertler Arnold Schwarzenegger. Doch plötzlich drehte er nicht mehr zwischen Cupertino und Palo Alto seine Highspeed-Runden, sondern – nein, nicht ganz im Mühlviertel –, aber immerhin zwischen der PlusCity Pasching, seinem Firmensitz, und dem Flughafen Hörsching, wo er, aus Kalifornien kommend, letztendlich wieder gelandet war. Viel Wald und viel Grün seien hier in der Pufferzone. Und Hurnaus durchkämmt sie Tag für Tag, ohne Rücksicht auf klimatische Ausreißer wie Frost oder Hitze, Schnee oder Regen, fast immer an der Seite seines Geschäftsführers Wolfgang Reisinger, manchmal nur 40 Minuten, selten länger als eine Stunde. Auf jeden Fall habe sich das Ganze im – ha, ha – Laufe der Jahre zu einer veritablen Sucht entwickelt. „Vielleicht ist es der Sauerstoff, der Körper und Hirn durchlüftet.“ Doch war es früher, als angestellter Entwickler, der Hang zu Superlativen, der ihm Beine gemacht hat, so ist es nun, als Unternehmer und Businessman, genau das Gegenteil: nämlich das Bedürfnis nach einer Art innerem Stillstand. Einem Standbild seiner eigenen Entwicklung.
Konzentrierte Ehrlichkeit
„Es ist eine Mischung aus körperlicher Beschleunigung und geistiger Entschleunigung. Mein Daily Business ist nichts anderes als eine Abfolge rascher Entscheidungen, an Eigendynamiken, die notwendig sind, um Entwicklung zu gewährleisten – aber völlig ungeignet, das große Ganze zu überschauen und zu reflektieren“, erklärt Hurnaus, der Hunde-Hunter, der, so ehrlich ist er, aus Zeitgründen noch nie Hundehalter war. „Manchmal führen Wolfgang und ich uns beim Laufen auch einfach vor Augen, was wir erreicht haben – da geht es darum, dir das Glück, das dir der Job bereitet, so richtig bewusst zu machen. Ohne Laufen würde es viel zu oft an dir vorbeiziehen.“ Andererseits geht es in diesen Phasen des beschleunigten Stillstands aber auch um absolute Ehrlichkeit. „Es ist die Zeit, wo wir uns ausschimpfen und die Themen verarbeiten, die man sonst runterschluckt, weil sie einfach keinen Spaß machen. Und – manchmal revidieren wir beim Laufen auch bereits getroffene Entscheidungen.“
Wichtig & richtig
Dabei, das weiß Michael Hurnaus heute, sind die richtigen Entscheidungen oft ganz einfach. Und die einfachen Entscheidungen die ganz wichtigen. Etwa jene, in Cupertino, Silicon Valley, Kalifornien, einem entlaufenen Mischlingshund nachzulaufen. Hechelnd, suchend, brüllend, kreuz und quer durch die glatt gebürstete Vorstadt. „Luna! Luuunaaa!“