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America's Cup: Alinghi Red Bull Racing-Team
Trainingsfahrt des Alinghi Red Bull Racing-Teams auf der „fliegenden“ AC75.
Trainingsfahrt des Alinghi Red Bull Racing-Teams auf der „fliegenden“ AC75.
amo Vidic/Alinghi Red Bull Racing

America's Cup: Formel 1 auf hoher See

11.09.2023 um 17:04, Klaus Schobesberger
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Steinalte Regeln, modernste Technik und irre viel Geld: Superreiche duellieren sich in der prestigeträchtigsten Regatta der Welt. Das fasziniert bis heute.

Bis zu hundert Stundenkilometer schnell fliegt die 22 Meter lange AC75 des Alinghi Red Bull Racing-Teams über dem Wasser. Fliegt? Ja, fliegt. Wenn der Wind die Segel der Rennjacht bläht, hebt sich der 6,5 Tonnen schwere Rumpf und gleitet fast magisch eineinhalb Meter über der Wasseroberfläche. Nur die Unterwasserflügel, auch bekannt als Foils, schaffen minimale Berührungspunkte. Der America’s Cup ist die Formel 1 im Segelsport. Trotz dieser Innovationen ist die Mannschaft entscheidend, wer den Pokal der ältesten und prestigeträchtigsten Segelregatta der Welt erringt, die nächstes Jahr zum 37. Mal vor der Küste Barcelonas ausgetragen wird. „Da geht es um sekundenschnelle Entscheidungen und die richtige Taktik eines eingespielten Teams“, sagt Stefan Frauscher von der Frauscher Bootswerft in Gmunden.

Wie man Millionen versenkt

Es ist der ideelle Wert des 68 Zentimeter hohen versilberten Cups, der Reiche und Superreiche wie Oracle-Gründer Larry Ellison oder Medienmogul Ted Turner entgegen aller Geschäftslogik anspornt, aberwitzige Summen in den Sieg zu investieren – oder besser: zu versenken. Allein das Startgeld für 2024 beträgt 1,5 Millionen Dollar (1,39 Mio. Euro); die Budgets der Teams liegen jenseits von 100 Millionen Dollar. Gestiftet wurde der Wanderpokal mit dem Spitznamen „the auld mug“ („der alte Becher“) von Königin Victoria 1851 anlässlich einer Wettfahrt rund um die Isle of Wight. Dass sich Großbritannien vom einzigen Herausforderer aus Übersee und seinem vom New York Yacht Club gestifteten Schiff „America“ geschlagen geben musste, erschütterte die Seefahrernation bis ins Mark. Auf die Frage der Queen, wer Zweiter nach den Yankees geworden sei, erhielt sie die Antwort: „Majestät, es gibt keinen Zweiten.“ Damit wurde das bis heute geltende Prinzip festgezurrt: Nur der Sieg zählt. Der America’s Cup, der seinen Namen dem Siegerschiff von 1851 verdankt, ist ein Duell am Wasser. Die Boote treten einzeln gegeneinander an, Land gegen Land, in sieben Rennen. Die erste Mannschaft, die vier Rennen gewinnt, erhält den Cup.


 

Thomas Sopwith mit seiner Frau Phyllis am Steuer der Jacht Endeavour, 1934.

132 Jahre ohne Niederlage

Wo der Mittelpunkt der Segelwelt ist, daran ließen die Amerikaner nie Zweifel aufkommen: Nämlich in Newport, im Bundesstaat Rhode Island, dem Hafen des New York Yacht Clubs (NYYC). Seinen Sitz hat der Club in einem mondänen sechsstöckigen Gebäude in der 44. Straße Manhattans. Dort versammelte sich der alte amerikanische Geldadel rund um J.P. Morgan, David Rockefeller und Cornelius Vanderbilt. Im NYYC stand der Pokal 132 Jahr lang angeschraubt in einer Vitrine. Von britischer Seite wurden zahllose Versuche unternommen und Vermögen im Wert einiger Windsor-Schlösser verschleudert, um den Cup zurückzuholen. Der Teekönig Thomas Lipton versuchte es fünfmal. Vergeblich. Flugpionier Thomas Sopwith trat zweimal an und verpasste den Sieg so knapp, dass der Spruch die Runde machte: „Britannia rules the waves and America waives the rules“ (Britannien herrscht über die Meere und Amerika biegt sich die Regeln zurecht). Die Amerikaner hatten das meiste Geld, die besten Bootsbauer, die findigsten Anwälte – und mit Dennis Conner das größte Segeltalent auf ihrer Seite. Der vierfache Cup-Gewinner machte aus einem Zeitvertreib für reiche englische und amerikanische Schnösel einen Profisport für Crews aus anderen Staaten. Und er war der Erste, der den America’s Cup 1983 an die Australier, die mit einem revolutionären Flügelkiel angetreten waren, verlor. Im NYYC galt das Motto: Wer den Cup verliert, dessen Kopf kommt in die Vitrine. Der am Boden zerstörte Conner war nach der Niederlage pleite, arbeitete als Teppichverkäufer – und holte den Pokal vier Jahre später wieder zurück. 

„Mr. America’s Cup“ Dennis Conner vor dem Gebäude des New York Yacht Club in Manhattan (2002).

Nur einer kann gewinnen

Mindestens eine ebenso große Sensation war der Sieg des Schweizer Teams Alinghi im Jahr 2003 sowie die Verteidigung des Cups in Valencia 2007. Ein Binnenland als AC-Sieger – wer hätte das je für möglich gehalten? Der milliardenschwere Alinghi-Chef Ernesto Bertarelli wurde zum Bernie Ecclestone des Segelsports. Big Business und globale Medienpräsenz waren angesagt. Hunderte Millionen flossen als Vorbereitung in den Austragungsort Valencia. Stararchitekt Renzo Piano baute für das Jachtsyndikat Luna Rossa ein Bootshaus, David Chipperfield plante mit dem America’s Cup Building eine Aussichtsplattform für Sponsoren. Nach dem Triumph von 2007 versank der America’s Cup in einen millionenschweren Rechtsstreit. Es ging (wieder einmal) um die korrekte Regelauslegung, die Larry Ellison nach zwei Instanzen für sich entschied. Die 2021 beschlossene Partnerschaft von Alinghi mit Red-Bull-Chef und Hobbysegler Dietrich Mateschitz (†78) war ein logischer Schritt. Red Bull bringt nicht nur die so wichtige Finanzkraft mit ein, sondern auch das Know-how eines Formel-1-Weltmeisters in die Welt des Segelsports. Denn schließlich zählt nur eines beim America’s Cup: gewinnen!

Jackie und John F. Kennedy beobachten das Rennen um den America’s Cup vor Newport, Rhode Island (1962).

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