Schiri-Mangel: Warum kaum noch jemand pfeifen will
Inhalt
- Rückgang mit Ansage
- „Beleidigungen gehören fast zum Alltag“
- Verantwortung ohne Rückhalt?
- Was braucht es für die Zukunft?
- Der Appell an den Nachwuchs
- Ohne Schiedsrichter? Kein Spielbetrieb.
- Andreas Peitler zur Lage
Sie sind die meistgescholtenen Personen auf dem Platz – und doch ist ohne sie kein geregeltes Spiel möglich: Die Schiedsrichter. Im Salzburger Fußball-Unterhaus schlägt ein Alarmsignal: Während rund 120 aktive Spielleiter gemeldet sind, ist längst klar, dass diese Zahl nicht ausreicht, um den wöchentlichen Spielbetrieb dauerhaft flächendeckend sicherzustellen.
Im Gespräch mit weekend.at zeigt Andreas Peitler, der seit 2018 als Schiedsrichter tätig ist und mittlerweile über 300 Spiele geleitet hat, deutlich: Der Mangel an Unparteiischen ist keine Randnotiz mehr – sondern eine Bedrohung für den Amateurfußball selbst.
Rückgang mit Ansage
„In den letzten Jahren haben wir an die 50 Schiedsrichter verloren“, schildert Peitler. Die Gründe dafür seien vielfältig: die Auswirkungen der Corona-Pandemie, altersbedingtes Aufhören oder fehlender Nachwuchs. Zwar wurde die Spieltermin-Regelung durch den Verband etwas entzerrt, dennoch kommt es immer wieder vor, dass Spiele ohne offiziellen Schiedsrichter ausgetragen werden – oder kurzfristig gar abgesagt werden müssen.
Egal ob jung oder junggeblieben – wir suchen Kollegen und Kolleginnen, die sportlich sind, Regeln lernen wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
„Beleidigungen gehören fast zum Alltag“
Ein Hauptgrund für den Rückgang liegt für Peitler in der zunehmenden Respektlosigkeit. „Beleidigungen und Bedrohungen gehören für viele inzwischen zum Alltag“, sagt er. Auch wenn er selbst noch keine Gewalt erlebt habe, sei der Ton rau geworden – auf dem Platz, aber auch in sozialen Medien. Besonders junge oder neue Spielleiter fühlten sich davon abgeschreckt. Die Kombination aus hohem Druck, geringem Lohn und fehlender Wertschätzung mache das Amt unattraktiv.
Verantwortung ohne Rückhalt?
Hinzu kommen organisatorische Herausforderungen. Ein Ganzjahresbetrieb mit Futsal im Winter, überregionale Einsätze im Damen- und Jugendbereich sowie kurzfristige Ausfälle durch Krankheit oder Verletzung lassen dem Besetzungsteam kaum Spielraum. Zwar ist jeder Heimverein verpflichtet, ausreichend Ordnerpersonal zu stellen, doch bei heiklen Spielen reichen diese Maßnahmen oft nicht aus. Im Ernstfall kann der Schiedsrichter zwar Meldung erstatten – doch ob Konsequenzen folgen, liegt beim Strafsenat.
Was braucht es für die Zukunft?
Damit sich wieder mehr Menschen für das Amt entscheiden, braucht es laut Peitler mehr als nur Durchhalteparolen. „Werbung, Aufklärung, Austausch mit Vereinen und gezielte Förderung sind notwendig.“ Salzburg sei hier zwar auf einem guten Weg – mit E-Learning-Angeboten, Fortbildungen, Social Media und regelmäßigen Stützpunkttrainings. Doch es brauche ein Umdenken im gesamten System. Auch junge Spieler sollten frühzeitig ermutigt werden, beide Rollen – Spieler und Schiedsrichter – auszuüben.
Der Appell an den Nachwuchs
Peitler richtet sich in seinem Fazit direkt an mögliche Interessenten: „Egal ob jung oder junggeblieben – wir suchen Kollegen und Kolleginnen, die sportlich sind, Regeln lernen wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“ Auch wenn nicht jeder den Sprung in den Profibereich schafft, bietet die Schiedsrichterkarriere viele Chancen: Bewegung, Persönlichkeitsentwicklung, soziale Kontakte und ein kleines Taschengeld inklusive.
Ohne Schiedsrichter? Kein Spielbetrieb.
Der Rückgang der Schiedsrichterzahlen ist nicht nur ein logistisches Problem, er gefährdet den Fortbestand des organisierten Amateurfußballs. Emotionen gehören zum Sport, meint Peitler. Doch ohne Respekt, Unterstützung und Anerkennung wird es bald niemanden mehr geben, der die Pfeife in die Hand nimmt.
Andreas Peitler zur Lage
Was hat Sie persönlich dazu bewogen, Schiedsrichter zu werden?
Andreas Peitler: Ich wollte Spiele aus einer anderen Warte als der eines Spielers oder Trainers sehen – das fehlte mir noch.
Wie hat sich die Situation rund um Schiedsrichtereinsätze in den letzten Jahren aus Ihrer Sicht verändert?
Andreas Peitler: Generell ist die Anzahl der verfügbaren Schiedsrichter in den letzten Jahren rückläufig, dies hatte zusätzlich zum allgemeinen Trend vor allem mit der Covid-Pandemie zu tun. Insgesamt haben wir in den letzten Jahren an die 50 Schiedsrichter verloren.
Haben Sie selbst schon erlebt, dass Spiele abgesagt oder ohne offiziellen Schiedsrichter ausgetragen wurden?
Andreas Peitler: Aufgrund des angesprochenen Personalmangels konnten in Einzelfällen einige Spiele nicht besetzt werden. Das Problem, dass die Vereine weiterhin zum Großteil an Samstagen spielen, hat sich mit der neu eingeführten Regelung, dass es vom Verband verordnete Pflichttermine an Freitagen/Sonntagen gibt, gebessert. Zusätzlich müssen neben dem geregelten Meisterschaftsbetrieb für Kampfmannschaften und Nachwuchs auch noch die überregionalen ÖFB-Jugendligen, ÖFB-Damenligen sowie einzelne Bayernspiele besetzt werden. Wenn hier ein Schiedsrichter erkrankt oder verletzungsbedingt ausfällt, hat unser Besetzungsteam neben dem hohen Zeitaufwand oft wenig Handlungsspielraum. Mittlerweile ergibt sich durch die im Winter stattfindenden Futsalturniere mehr oder weniger ein Ganzjahresbetrieb.
Warum, glauben Sie, wollen immer weniger Menschen dieses Amt übernehmen?
Andreas Peitler: Immer weniger Menschen entscheiden sich dafür, Schiedsrichter zu werden – ein besorgniserregender Trend, der den Sport langfristig gefährden kann. Einer der Hauptgründe ist der zunehmende Mangel an Respekt gegenüber Schiedsrichtern. Beleidigungen, Bedrohungen und sogar körperliche Angriffe gehören für viele inzwischen zum Alltag. Gerade junge oder neue Schiedsrichter fühlen sich dadurch abgeschreckt. Hinzu kommt, dass der Job mit hohem Druck, aber wenig Anerkennung verbunden ist. Fehler werden oft übermäßig kritisiert, während Lob selten ausgesprochen wird – besonders in sozialen Medien. Auch der zeitliche Aufwand und die vergleichsweise geringe Bezahlung machen die Tätigkeit unattraktiv. Wochenendarbeit, lange Anfahrten und intensive Vorbereitung stehen in keinem Verhältnis zur Entlohnung. Darüber hinaus fehlt es oft an systematischer Förderung und Mentoring. Junge Schiedsrichter werden zu schnell allein gelassen oder übernehmen Spiele, auf die sie nicht gut vorbereitet sind.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Respektlosigkeit, Beleidigungen oder gar Bedrohungen gemacht?
Andreas Peitler: Emotionen gehören dazu, der Sport lebt auch davon. Respektlosigkeit und Beleidigungen kommen für einen Schiedsrichter gefühlt jedes Wochenende vor, vor allem in intensiven Spielen, wenn Zuschauer ihren Verein von Herzen unterstützen wollen. Bedrohungen und Gewalt habe ich persönlich noch keine erlebt, diese haben im Sport im Allgemeinen nichts zu suchen und sind absolut zu verurteilen! Ich denke hier an das vor kurzem stattgefundene Pokalfinale in Spanien, und das provokant, aggressive Verhalten von einem deutschen Profifußballer, der eigentlich eine Vorbildwirkung in unserer Gesellschaft hat – dieser Vorfall unterstreicht für mich die Bedeutung von Disziplin und Respekt im Fußball, sowohl auf dem Spielfeld als auch außerhalb.
Wie reagieren Verbände oder Vereine, wenn solche Situationen auftreten?
Andreas Peitler: Jeder Heimverein muss eine gewisse Anzahl an Ordnerpersonal stellen, um auf solche Situationen vorbereitet zu sein. Dies sollte vorbeugend geschehen, jedoch spätestens im Ernstfall muss hier die Sicherheit des Schiedsrichterteams sichergestellt sein! Der Schiedsrichter hat die Möglichkeit etwaige Vorfälle von Spielern, Teamoffiziellen und Funktionären als Anzeige im Spielbericht zu vermerken – ebenso kann hier auf ein etwaiges Versagen des Ordnerdienstes aufmerksam gemacht werden. Der Strafsenat im Fußballverband entscheidet dann wöchentlich über das auszusprechende Strafausmaß.
Was müsste sich ändern, damit mehr Menschen bereit sind, Schiedsrichter zu werden?
Andreas Peitler: Neben den bereits genannten Punkten braucht es weitere Werbemaßnahmen und aktive Kommunikation des ÖFB. Ich bin im regelmäßigen Austausch mit den Vereinen, um darauf aufmerksam zu machen. Diese kämpfen ebenfalls mit den gleichen Problemen und wollen natürlich ungern noch zusätzlich jemanden auf diese wichtige Tätigkeit im Sport hinweisen, trotzdem sollte jedem klar sein, dass es ein Spiel ohne Schiedsrichter nicht geben sollte. Hier sollte definitiv mehr miteinander gearbeitet werden – ein junger Spieler kann trotz einer eventuellen Schiedsrichtertätigkeit noch weiterhin für seinen Verein Fußball spielen, kann sich auch erst später für eine Sache entscheiden. Im Umkehrschluss kann dieser z.B. dann auch nicht mehr besetzbare U11, U12 Spiele als zusätzliche Übung leiten, der zuständige Trainer spart sich dadurch die Suche nach einem Spielerpapa, der wohl eher unfreiwillig zur Pfeife greift.
Welche Maßnahmen oder Initiativen gibt es bereits – und greifen diese?
Andreas Peitler: Salzburg ist hier gut aufgestellt, so wurde zum Beispiel der Anfängerlehrgang auf ein E-Learning-System umgestellt, trotzdem gibt es die Grundausbildung zum Schiedsrichter auch als Präsenzlehrgang. Neben diversen Werbeaktivitäten wie z.B. Kinowerbung, Auftritt auf Messeständen und eigenen Social-Media-Kanälen (Instagram, TikTok, Facebook) finden auch regelmäßige Fortbildungsangebote und Workshops (Kommunikation, Sportpsychologen) statt, die eine qualitative Verbesserung verschaffen. Einer der wichtigsten Punkte ist für mich die regelmäßige Teilnahme am wöchentlichen Stützpunkttraining, um sich auch persönlich über Spiele, Allgemeines etc. auszutauschen, hier kommt auch der Spaß sicher nicht zu kurz!
Was würden Sie einem jungen Menschen sagen, der überlegt, Schiedsrichter zu werden?
Andreas Peitler: Starte jetzt mit dem nächsten Anfängerlehrgang! Egal ob jung oder junggeblieben, wir suchen speziell im Pinzgau/Pongau/Lungau Kollegen und Kolleginnen, die neben dem generellen Interesse an der Schiedsrichtertätigkeit und der Freude an der sportlichen Betätigung noch folgende Punkte mitbringen: Gute körperliche Fitness, um mit dem Spieltempo mitzuhalten – Entscheidungsfreude und Durchsetzungsvermögen – Regelfestigkeit und ständige Bereitschaft, sich weiterzubilden – Neutralität und Fairness – Bereitschaft, regelmäßig Spiele zu leiten (meist am Wochenende) – Kommunikationsfähigkeit mit Assistenten, Spielern, Trainern und Beobachtern. Wenn du früh genug beginnst, ist auch hier eine Karriere im Fußball bis in den Profibereich möglich – nicht jeder kann diesen Sprung schaffen, jedoch ergibt sich auch hier die Möglichkeit Spiele der dritthöchsten österreichischen Klasse (Regionalliga), tolle Cupspiele, überregionale Bayernspiele und auch internationale Testspiele zu leiten – ein tolles Hobby, das neben der regelmäßigen Bewegung am Platz auch soziale Kontakte, Persönlichkeitsentwicklung und ein zusätzliches Taschengeld bietet.