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Gastronom Sepp Schellhorn mit weißem Hemd und blauer Schürze
Sepp Schellhorn betreibt das exklusive Hotel „Der Seehof“ in Goldegg sowie vier weitere Gastronomiebetriebe in Salzburg
Sepp Schellhorn betreibt das exklusive Hotel „Der Seehof“ in Goldegg sowie vier weitere Gastronomiebetriebe in Salzburg
Ingo Pertramer

Sepp Schellhorn: „Uns droht ein Verlust der Wirtshauskultur!“

26.07.2022 um 14:46, Stefan Kohlmaier
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Erfolgsgastronom und Ex-Politiker Sepp Schellhorn gewährte uns einen Ausblick auf seinen Auftritt bei den Tagen der Alpen-Adria-Küche und teilte mit uns seine mitunter kritischen Gedanken zur Zukunft der heimischen Gastro-Szene.

Weekend: Was bekommen die Besucher Ihres Workshops im Rahmen der Tage der Alpen-Adria-Küche (09. bis 25. September 2022) in Klagenfurt geboten?
Sepp Schellhorn: Ich werde die Technik des Zerlegens eines Kalbs nach dem Nose to Tail-Prinzip demonstrieren, wobei nahezu sämtliche Teile des Tieres für die Verarbeitung zu einer Vielzahl unterschiedlichster Gerichte aufbereitet werden. Dadurch möchte ich auch das Kochen als anspruchsvolles Handwerk präsentieren, das Köchen deutlich mehr abverlangt als die Zubereitung von Filets oder das Zusammenstellen vorgefertigter Zutaten.

Weekend: Muss der Fleischkonsum vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht generell überdacht werden?
Sepp Schellhorn: Definitiv! Vor allem, wenn man sich für Augen führt, dass die landwirtschaftliche Produktion mehr CO2 ausstößt als der Verkehr. Unser Konsumverhalten, das einen täglichen Fleischgenuss als selbstverständlich erachtet, ist daher als krank zu bezeichnen und wir werden uns in Zukunft stärker in Verzicht üben müssen. In dem elterlichen Wirtshaus, in dem ich vor 40 Jahren aufgewachsen bin, kam beispielsweise nur zweimal pro Woche Fleisch auf den Tisch.

Porträt von Sepp Schellhorn, der ein blaues Hemd trägt
Von 2014 bis 2021 saß der ehemalige Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung für die NEOS im Nationalrat

Weekend: Besteht aufgrund der momentanen wirtschaftlichen Situation die Gefahr, dass sich ein erheblicher Teil der Bevölkerung einen Restaurantbesuch in Zukunft nicht mehr leisten kann?
Sepp Schellhorn: Ja, und ich befürchte, dass insbesondere das klassische mittelständische Wirtshaus ums Eck unter dieser Entwicklung leiden wird, weshalb uns ein Verlust unserer Wirtshauskultur droht. Anders als in südeuropäischen Ländern, in denen Lebensmitteln und Gastronomiebetrieben eine hohe Wertschätzung entgegengebracht wird, müssen heimische Wirte permanent eine absurde Preisdiskussion führen und beispielsweise mit Billigrestaurants in Möbelhäusern konkurrieren. Die ständig steigenden Personal- und Warenkosten verschärfen die Situation zusätzlich.

Weekend: Welche Fähigkeiten, die Sie sich in der Gastronomie angeeignet haben, sind Ihnen auch in anderen Lebensbereichen von Nutzen?
Sepp Schellhorn: Als Gastronom erfüllt man unzählige Funktionen, vom Hausmeister bis hin zum Manager, weshalb man über eine ausgeprägte Multitasking-Kompetenz verfügt. Die Tätigkeiten im Bereich des Hospitality-Managements haben mir außerdem zu einer umfassenden Menschenkenntnis verholfen.

Weekend: Wie würde einer Ihrer Lieblingsliteraten, Thomas Bernhard, die derzeitigen Zustände Österreichs beschreiben?
Sepp Schellhorn: Er würde zweifelsohne eine äußerst pessimistische Perspektive einnehmen, die sich eventuell am besten mit folgendem Zitat beschreiben ließe: „Der Tod ist für mich nichts Außergewöhnliches. Ich red‘ ja über das Sterben wie ein anderer über eine Semmel.“

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