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Frauenfußball: Freundschaftsspiel zwischen Wales und Schottland | Credit: JOHN SIBLEY / REUTERS / picturedesk.com
Frauenfußball hat sein Schattendasein überwunden
Frauenfußball hat sein Schattendasein überwunden
JOHN SIBLEY / REUTERS / picturedesk.com

Einst verboten, heute gehypt: Die Geschichte des Frauenfußballs

23.06.2021 um 08:55, Isabel Folie
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Nicht nur Männer lieben Kicken: Frauenfußball wird immer populärer. Dabei ist es alles andere als eine Neuerung, dass auch Frauen hinter dem Ball herjagen. Dennoch kämpft der Frauenfußball immer noch um Anerkennung.

Millionen Zuschauer verfolgten 2021 gebannt die Fußball-EM – der Männer. Was viele immer noch nicht wissen: Es gibt auch eine Fußballmeisterschaft der Frauen, die durchaus sehr erfolgreich gewesen ist. Zuletzt fand diese 2017 statt, amtierender Europameister im Frauenfußball sind die Niederlande. Wenn auch weniger medial gehypt, gibt es die EM der Frauen schon länger: Inoffiziell wurde in Italien bereits im Jahr 1969 und 1979 eine EM im Frauenfußball ausgetragen, offiziell und von der UEFA organisiert gibt es die Fußball-Europameisterschaft der Frauen seit 1984. Die Meisterschaft findet alle vier Jahre statt, stets ein Jahr nach dem EM-Turnier der Männer. Rekordsieger des Wettkampfs ist Deutschland, insgesamt holten die deutschen Frauen bereits acht Mal den Titel.

Eine lange Tradition

Die Geschichte des Frauenfußballs begann in Großbritannien. 1894 wurde das erste britische Team gegründet, ein Jahr darauf kam es zum ersten offiziellen Wettkampf. 10.000 Zuschauer verfolgten gebannt das Match. Während der beiden Weltkriege mussten viele Männer ihren Dienst an der Front ableisten, viele Fußballclubs verfügten deswegen nicht mehr über genügend Spieler. Dies war der große Aufschwung des Frauenfußballs. In Großbritannien hatte gar jede Ortschaft eine eigene Mannschaft, aber auch in Frankreich wurde der Frauenfußball immer populärer.

Frauenfußball: Nicht immer gern gesehen

Nicht alle waren begeistert davon, dass Frauen nun in kurzen Hosen über das Spielfeld jagen wollten. Besonders in Deutschland war Frauenfußball während der Zeit des Nationalsozialismus alles andere als gern gesehen. Aber auch Jahre später sprach sich der DFB gegen den Frauenfußball aus, mit der Begründung, dass bei dem Kampf um den Ball die weibliche Anmut verschwinden würde und Körper und Seele Schaden nehmen würden. Dies war 1955. Ebenso in Österreich: Der ÖFB verbot 1957 Frauenabteilungen in Fußballvereinen. Die Lösung: Genau wie in Frankreich gründeten die Frauen in Deutschland und Österreich eigene unabhängige Vereine. In Österreich wurde diese Damenliga erst zehn Jahre nach Gründung, nämlich im Jahr 1982, vom ÖFB anerkannt.

Gleiche Regeln für alle?

Wenn auch von ÖFB und DFB anerkannt, herrschten am Anfang für den Frauenfußball andere Regeln. So betrug die Spielzeit nur 70 Minuten, und die Frauen spielten mit einem kleineren, leichteren Ball. Erst seit Mitte der 1990er-Jahre sind die Regeln für Frauen und Männer gleich.

Gleiche Aufmerksamkeit für alle?

Auch wenn die Regeln dieselben sind, das mediale Interesse ist es keinesfalls. Wo die Männerfußball-EM Millionen Zuschauer vor die Bildschirme und in die Stadien lockt, erfährt die Frauenfußball-EM weitaus weniger Aufmerksamkeit. Zum Vergleich: Das Gruppenspiel Österreich gegen die Ukraine am 21. Juni verfolgten mehr als 1,6 Millionen Menschen. Bei der Frauenfußball-EM im Jahr 2017 musste es schon das Semifinale gegen Dänemark sein, dass etwa 1,3 Millionen Menschen in Österreich ein nervenaufreibendes Elfmeterschießen verfolgten, das die Österreicherinnen leider verloren. Nichtsdestotrotz wurde die Mannschaft bei der Wahl zu Österreichs Sportlern des Jahres zur Mannschaft des Jahres gekürt.

Gleiches Gehalt für alle?

Verdient eine Fußballerin genauso viel wie ihr männlicher Kollege? Leider nein. In Österreich verdiente im Jahr 2019 ein Fußballer der Bundesliga mehr als 100.000 Euro im Jahr, die Frauen erreichen hingegen in der Bundesliga gerade einmal einen Schnitt von 18.000 Euro Jahreseinkommen. Das gleiche Bild in Deutschland: In der ersten Bundesliga erhält ein Fußballer etwa 30.000 Euro pro Monat, plus Bonus. In der Frauenbundesliga erhält eine Spielerin ca. 43.000 Euro – pro Jahr!

Die Gehaltsschere klafft auch bei weltweiten Großereignissen wie der WM auseinander: Die Fifa zahlte 2018 bei der WM der Männer insgesamt ca. 353,6 Millionen Euro an Prämien aus. Bei der Frauenfußball-WM 2019 waren es hingegen nur 30 Millionen Euro.

Es gibt Bemühungen, die Gehälter anzugleichen – beispielsweise erhalten in Norwegen Spielerinnen des Nationalteams das gleiche Gehalt wie männliche Nationalspieler. Bis weitere Nationen diesem Beispiel folgen und auch in den unterschiedlichen Fußball-Ligen gleiche Bezahlung herrscht, ist es aber noch ein sehr langer Weg.

Mehr Aufmerksamkeit schaffen

Was würde helfen, den Frauenfußball zu stärken? Männliche Fußballer rechtfertigen ihr höheres Gehalt damit, dass sie höhere Werbeeinnahmen erzielen. Es ist somit höchste Zeit, den Frauenfußball zu pushen. Das haben auch DFB und ÖFB erkannt. Anstatt den Frauenfußball zu bekämpfen, versucht man nun den Sport verstärkt zu promoten und zu einem ähnlichen Großevent wie Männerfußball werden zu lassen. Die sportlichen Erfolge gibt es – allerdings wird nur sehr selten, meist bei Großereignissen, in den Medien darüber berichtet. Experten sehen deswegen auch die Medien in der Pflicht, verstärkt über den Frauenfußball zu schreiben.

Deswegen schon mal ein Tipp für nächstes Jahr: Am 6. Juli wird die Frauenfußball-EM in England eröffnet. Wie die Herrenfußball-EM wurde auch diese um ein Jahr verschoben. Österreich, Platz 21 im Fifa-Ranking, ist als einer der drei besten Gruppenzweiten mit von der Partie. Man darf also gespannt sein – und sich bereits jetzt auf ein weiteres spannendes Fußballjahr 2022 freuen.

Zur Person

Die aus Südtirol stammende Schriftstellerin Isabel Folie ist Mitglied des intermedialen Kunstkollektiv Grauer Greif. Im Herbst 2021 ist ihr erster lyrischer Kurzprosa-Band "In meiner Mitte Kohle, in meinen Armen der Wind" erschienen. Als "Passion Author" für www.weekend.at schreibt sie regelmäßig über Frauen in der heutigen Gesellschaft.

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