"Schlechte Idee": Sarah Connor über Polyamorie
Mit „Freigeistin“ veröffentlicht Sarah Connor ihr drittes deutschsprachiges Studioalbum und das wohl persönlichste ihrer Karriere. Die Künstlerin spricht darin nicht nur über gesellschaftliche Themen, Verlust und Selbstfindung, sondern vor allem über das, was sie seit 15 Jahren begleitet: ihre Ehe mit Florian Fischer. In einem mutigen Spagat zwischen Nähe und Distanz, Romantik und Realismus zeichnet sie das Porträt einer Beziehung, die längst nicht mehr in Schwarz und Weiß funktioniert, sondern in all ihren Zwischentönen gelebt wird.
15 Jahre Liebe
Sarah Connor und Florian Fischer verbindet mehr als nur eine langjährige Partnerschaft. Sie sind Eltern, Kollegen, ein Team – auf der Bühne wie im Alltag. In Songs wie „Ich liebe dich“, „Tief wie das Meer“ oder „For Life“ zelebriert Connor diese tiefe Verbindung. Ihre Worte klingen aufrichtig und zärtlich, nicht kitschig oder idealisiert. Es sind Lieder voller Wärme, Respekt und Dankbarkeit für einen Menschen, der sie über Jahre begleitet hat. Doch genau darin liegt auch die Herausforderung: Wie bleibt man sich selbst treu, wenn das Leben dauerhaft geteilt wird?
Routine und Distanz
Connor scheut sich nicht, auch die dunkleren Seiten einer langen Beziehung zu zeigen. Der Titel „Warum sind wir so“ ist eine offene Reflexion über Entfremdung im Alltag. Die Zeile „Tage ohne Küsse, teure Geschenke statt inniger Briefe“ trifft mitten ins Herz. Es geht um den Moment, in dem zwei Menschen, die sich lieben, plötzlich nicht mehr miteinander sprechen. Um die Leere, die entsteht, wenn Gewohnheit die Leidenschaft ersetzt. Connor zeigt sich dabei verletzlich und stark zugleich: Sie benennt das Problem, ohne Schuldzuweisungen, sondern mit dem Wunsch nach Veränderung.
Polyamorie als Tabubruch
Ein besonderer Höhepunkt des Albums ist der Song "Schlechte Idee", in dem Connor das Konzept der Polyamorie aufgreift. Was passiert, wenn wir in einer festen Beziehung plötzlich Gefühle für jemand anderen entwickeln? Ist es wirklich eine "schlechte Idee", oder steckt dahinter nur die Angst vor Kontrollverlust? Die Sängerin stellt Fragen, die viele beschäftigen, aber kaum jemand laut ausspricht. Ihre Haltung ist klar: Sie plädiert für eine offene, angstfreie Kommunikation in Beziehungen. Für Räume, in denen Sehnsüchte ausgesprochen werden dürfen, ohne dass man sich dafür schämt. Damit bewegt sie sich mutig abseits traditioneller Liebesbilder und bleibt trotzdem authentisch.
Andeutungen statt Erklärungen
Auch Songs wie "My French Girlfriend" und "Die Fremde" werfen spannende Fragen auf. Hier klingt die Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen oder Erfahrungen an, doch Connor bleibt bewusst vage. Sie wolle, so sagt sie, keine konkreten Erklärungen liefern. Manche Songs seien autobiografisch, andere nicht. Genau das macht ihre Kunst so stark: Sie spricht Gefühle an, ohne sie einzuordnen. Und erlaubt damit den Hörerinnen und Hörern, ihre eigene Geschichte darin zu finden.
Liebesalltag statt Liebesmärchen
"Freigeistin" ist kein klassisches Liebesalbum. Es ist eine ehrliche Bestandsaufnahme einer Beziehung, die nicht perfekt, aber echt ist. Es zeigt, wie viel Arbeit, Offenheit und Selbstreflexion in einer Ehe stecken. Connor hebt die Ehe nicht auf ein Podest, sie entzaubert sie auch nicht. Sie zeigt sie, wie sie ist: manchmal wunderschön, manchmal kompliziert, aber immer ein Weg, den man gemeinsam geht. Mit diesem Album macht Sarah Connor klar: Liebe ist kein Stillstand, sondern Bewegung.