Selenskyj in Wien: Zweifel an Neutralität
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Wolodymyr Selenskyj war am Montag zu einem Staatsbesuch in Österreich zu Gast. Der ukrainische Präsident wurde dabei von Bundeskanzler Christian Stocker und Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen. Bereits den ganzen Vormittag wurde die Innenstadt großflächig abgesperrt. Im Mittelpunkt standen bilaterale Beziehungen zum möglichen Wiederaufbau der Ukraine, sowie der Heimkehr ukrainischer Kinder nach Kriegsende.
Russische Aggression
Van der Bellen betonte, welch Freude es für Österreich gewesen sei, den ukrainischen Präsidenten zum zweiten Mal nach 2020 in Österreich begrüßen zu dürfen. In einem flammenden Appell macht er nochmals deutlich, dass die Menschen keine "russischen Untertanen" sein wollen. Dem "militärischen Wertesystem der Repression" Russlands stehe der Kampf für Demokratie und Freiheit gegenüber, welche die Ukraine im Namen Europas führe. Im Krieg stehe man seit Anbeginn der Kämpfe auf Seiten der angegriffenen Nation, auch wenn man militärisch neutral bleibe.
Gemeinsames Band
Laut dem Staatspräsidenten stünde die Ukraine weiterhin für Friedensverhandlungen bereit, man beteilige sich weiter an Sanktionen gegen Russland und leiste humanitäre sowie finanzielle Hilfe. Van der Bellen machte deutlich, dass die knapp 80.000 geflüchteten Personen das Band der beiden Staaten stärken würden.
Entführte Kinder
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in seiner Ansprache um internationale Unterstützung bei der Rückführung gewaltsam entführter Kinder aus Russland gebeten. Er hob die Bedeutung des Einfrierens russischer Vermögenswerte sowie die Hilfe beim Wiederaufbau hervor und zeigte sich dankbar für die bisherige Zusammenarbeit, insbesondere auf kommunaler Ebene. Zudem appellierte er an in Österreich lebende Oligarchen, mehr Verantwortung zu übernehmen und Unterstützung zu leisten.
Selenskyj betonte die emotionale Belastung durch den Verlust von Kindern und stellte eine Verbindung zur Tragödie in Graz her: "Nirgends soll man Kinder verlieren, nicht mal die Zeit könne diesen Schmerz heilen."
Neutralität
Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich skeptisch zur Idee der Neutralität. "2014 war die Ukraine ein blockfreier Staat", sagte er. "Wir sehen, wie das geendet hat. Mit der Annexion der Krim, einem Krieg im Osten und der Annexion von vier Oblasten." Die Ukraine habe damals "nicht die militärische Kraft gehabt, sich zu wehren" und Europa sei "nicht einig genug" gewesen. Auf die Frage, ob Neutralität heute eine attraktive Lösung sei, antwortete Selenskyj sinngemäß, dass seine Erfahrung eine andere Sprache spreche.
Auf die Frage, ob sich Österreich durch seine Haltung gegenüber der Ukraine von der eigenen Neutralität entferne, verwies Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf das geltende Recht. Zur militärischen Hilfe ließ er wissen, dass man der Ukraine militärisch nicht viel helfen könne, da Österreich selber gerade im Wiederaufbau der Ressourcen stecke. Mit Blick auf die eigene Verteidigungsfähigkeit betonte er, man habe das Thema "jahrelang nicht ernst genommen", arbeite aber nun daran, etwa durch die Erhöhung des Militärbudgets.