Koalitionskrach: SPÖ und NEOS empört über ÖVP-Alleingang
- Stockers Vorstoß zur EMRK
- NEOS und SPÖ lehnen Vorstoß ab
- Was ist die EMRK
- Scharfe Worte von Steger
- Unterstützung aus der eigenen Partei
Der türkis-rot-pinken Bundesregierung droht ein erster Koalitionskrach. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat sich einem Vorstoß von neun EU-Regierungschefs angeschlossen, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) neu interpretieren zu lassen. Das Ziel ist, ausländische Straftäter leichter abschieben zu können.
Stockers Vorstoß zur EMRK
„Wir sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben, um zu entscheiden, wann wir kriminelle Ausländer ausweisen“, meint Christian Stocker in einer Erklärung. Der Vorstoß erfolgte anscheinend ohne vorherige Absprache mit den Koalitionspartnern SPÖ und NEOS und sorgt für erhebliche Irritation.
NEOS und SPÖ lehnen Vorstoß ab
NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper bezeichnet den Schritt als „Alleingang“ und erklärt: „Aus NEOS-Sicht sind politische Zurufe an unabhängige Gerichte fehl am Platz.“ Österreichs völkerrechtliche Verpflichtungen und rechtsstaatliche Prinzipien stünden nicht zur Disposition.
Auch SPÖ-Außenpolitikerin Petra Bayr übt Kritik. Sie sagt gegenüber der APA: „Natürlich soll man mit Gerichten über ihre Rechtsprechung diskutieren können, aber im besten Fall nicht öffentlich. An der Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist für mich nicht zu rütteln.“
Was ist die EMRK
Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der grundlegende Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, ein faires Verfahren und das Verbot von Folter garantiert. Sie wurde 1950 beschlossen und trat 1953 in Kraft. Die Überwachung erfolgt durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Einzelpersonen können dort Beschwerde einlegen, wenn sie sich in ihren Rechten verletzt sehen und alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft haben.
Scharfe Worte von Steger
FPÖ-EU-Abgeordnete Petra Steger begrüßt die Initiative. Gleichzeitig kritisiert sie die ÖVP deutlich in einer Aussendung der Partei: „Nicht erst seit gestern verhindern europäische Gerichte durch eine ultra-exzessive und ideologisch aufgeladene Auslegung der EMRK wirksame Abschiebungen illegaler Einwanderer.“
Sie erinnert an eine frühere Initiative von FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Bereits im Jahr 2019 hat unser Bundesparteiobmann eine Weiterentwicklung der EMRK angeregt. Diese wurde damals von der ÖVP mit Entrüstung abgelehnt.“
Steger wirft der Kanzlerpartei Doppelmoral vor: „Damit offenbart sich erneut die ganze Heuchelei der ÖVP-Showpolitik.“ Sie fordert stattdessen klare gesetzliche Vorgaben: „In erster Linie ist die Politik als Gesetzgeber verpflichtet, einen klaren rechtlichen Rahmen zu schaffen.“
Unterstützung aus der eigenen Partei
Europaministerin Claudia Plakolm stärkt Stocker den Rücken. "Die Asyl- und Migrationspolitik kann nur dann funktionieren, wenn es möglich ist, straffällige Asylwerber abzuschieben", erklärt sie in Brüssel. „Aufgrund der EMRK sind uns hier die Hände gebunden.“ Das Rechtsdokument ist Teil der österreichischen Bundesverfassung.