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Flüchtlinge an der polnischen Grenze | Credit: Sergei Grits / AP / picturedesk.com
Ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze.
Ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze.
Sergei Grits / AP / picturedesk.com

Flüchtlinge: Wiederholt sich das Krisenjahr 2015?

29.04.2022 um 10:03, Gert Damberger
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Wieviel Ukraine-Flüchtlinge nach Österreich kommen, hängt vom Kriegsgeschehen ab, aber es könnten bis zu 200.000 sein. Dazu kommen möglicherweise noch 40.000 Asylsuchende.

Der Ukraine-Krieg hat die Zahl der österreichischen Bevölkerung über die Neun-Millionen-Grenze katapultiert. Am 1. April 2022 lebten laut Statistik Austria 9,028 Millionen Menschen in Österreich, um rund 48.100 mehr als zu Jahresbeginn. Gut 40.000 davon waren ukrainische Flüchtlinge. Die vielen Ankünfte haben sich binnen drei Wochen ereignet, zwischen dem Tag des Kriegsbeginns und Mitte März. Zu diesem Zeitpunkt rechnete der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus noch mit bis zu 200.000 Menschen, die schon bald aus der Ukraine nach Österreich flüchten würden. „Die Situation ist erst“, sagte Knaus und riet der Regierung dringend, Massenquartiere zu organisieren.

64.000 Ukraine-Flüchtlinge in Österreich

So schlimm, wie Knaus befürchtete, ist es dann doch nicht geworden. Derzeit befinden sich 64.400 Geflüchtete aus der Ukraine in Österreich (Stand: 28. April). Kinder und Jugendliche eingerechnet, handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um Frauen. Nur etwa 38.000 von ihnen haben bisher die Grundversorgung beantragt. Ukrainerinnen und Ukrainer bekommen als Vertriebene ein Aufenthaltsrecht bis März nächsten Jahres und dürfen mit ihrer „blauen Karte“ nicht nur Sozialhilfe beziehen, sondern auch arbeiten. Laut Arbeitsmarktservice ist die Integration in den Arbeitsmarkt bereits in mehreren Bundesländern gut angelaufen.

Vertriebenausweis | Credit: TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com
Vertriebene bekommen diesen Ausweis und dürfen sofort arbeiten.

Hauptfluchtland ist derzeit Moldau

Entwickeln sich die Ankünfte aus der Ukraine weiter wie bisher, könnten bis Ende des Jahres 150.000 bis 160.000 Menschen in Österreich Schutz suchen. Es können auch mehr sein. Wie sich die Lage tatsächlich entwickelt, kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden und hängt davon ab, wie gut sich die ukrainische Armee schlägt und ob sie Gebiete wieder zurückerobern kann. Derzeit flüchten die Menschen aus der Ostukraine vor der in den Bezirken Donezk und Lugansk anlaufenden russischen Offensive – und sie retten sich vorzugsweise in das nahegelegene Moldawien. An die 100.000 Flüchtlinge hat die kleine Republik Moldau bereits aufgenommen, an die 20.000 davon erhalten Hilfe vor Ort von der österreichischen Caritas und der Hilfsorganisation Concordia.

Weiterer Anstieg bei den Asylanträgen

Neben der Fluchtbewegung aus der Ukraine geht auch die „normale“ Migration über die bekannten Routen (Mittelmeer, Balkan) weiter. 2021 gab es über 38.000 Asylanträge in Österreich, heuer sind es auch bereits wieder einige Tausend. Hochgerechnet auf das ganze Jahr könnte das heuer rund 40.000 Ansuchen ergeben. Zum Vergleich: im Rekordjahr 2015 wurden über 88.000 Anträge gestellt.

Migration| Credit: Europäische Union 2022
Die Entwicklung der "irregulären Migration" in die EU seit 2015. Seit dem Vorjahr steigen die Zahlen wieder.

Zurück in die Ukraine

Während die (überwiegend männlichen) Asylsuchenden kommen, um zu bleiben, ist die Motivation der (meist weiblichen) Flüchtlinge aus dem Ukraine-Krieg eine andere. Sie suchen vorübergehend Schutz und wollen, sobald es nur irgendwie geht, wieder zurück. Derzeit ist in Polen, Deutschland und auch Österreich ein Rückreisetrend zu beobachten. Der Grund dafür ist meist die Sorge um die Familienangehörigen, die in der Ukraine geblieben sind. Der ORF berichtete vor kurzem, dass der Nachtzug von Wien über Budapest nach Kiew derzeit ausgebucht ist.

 

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