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Arbeitswelt am Kipp-Punkt
Arbeitswelt am Kipp-Punkt
filadendron / E+ / Getty images

Zu alt mit 55+!?

12.09.2025 um 00:00, Johanna Lengauer
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Demografische Zeitbombe. Die Generation 55+ will arbeiten, kann arbeiten und wird trotzdem übersehen. Dabei fehlen genau diese erfahrenen Köpfe am Arbeitsmarkt.

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Bereits sechs von zehn Österreicher:innen – genau 61,5 Prozent – sind überzeugt, dass ältere Arbeitnehmer:innen aufgrund ihres Know-hows gefragt sind und Unternehmen von ihrer Erfahrung und Kompetenz profitieren. Besonders die ältere Generation, also Menschen im Alter von 70 bis 75 Jahren, teilt diese Ansicht zu fast 49 Prozent. Die ­Gruppe der 20- bis 29-Jährigen hingegen stimmt dieser Aussage nur zu etwa 15,5  Prozent zu. Susanne Seher, geschäftsführende Gesellschafterin von Seher + Partner, betont die Kernaus­sage der Studie und ergänzt, dass die insgesamt positive Haltung der Gesellschaft gegenüber älteren Arbeitnehme­r:innen durch die detaillierten Ergebnisse der Untersuchung deutlich wird.  

Wer rastet, der rostet?!

73,5 Prozent der Babyboomer:innen – also jener Menschen, die zwischen 1955 und 1970 geboren wurden – stimmen der Aus­sage zu, dass Österreichs Unternehmertum profitiert, wenn Ältere eingestellt werden. In der Alters­gruppe der 50- bis 59-Jährigen mit 32,4 Prozent und bei den 60- bis 69-Jährigen mit 31,3 Prozent ist die Haltung gegenüber älteren Mitarbeitenden sehr positiv. Sie sind überzeugt, dass insbesondere ihr langjähriges Know-how am Arbeitsmarkt gefragt ist. „Wissen und Erfahrung sind unbezahlbar und natürlich nimmt dies zu, je länger jemand in einer Beschäftigung ist oder einen Beruf ausübt. Junge Menschen, die direkt aus dem Klassenzimmer oder dem Hörsaal ins Arbeitsleben einsteigen, sind eher up to date, ­müssen sich aber erst mühevoll ­praktische Kompetenzen aneignen“, so Helga Töpfl, geschäftsführende Gesellschafterin bei Seher + Partner. Dass hingegen nur rund die Hälfte der Generation Z, also der zwischen 1995 und 2010 Geborenen, der Meinung ist, Unternehmen würden von älteren Mitarbeitenden profitieren, führt die Expertin darauf zurück, dass jungen Menschen heute oft vermittelt werde, die Arbeitswelt gehöre ihnen.  
 

Helga Töpfl (50) studierte Handels­wissenschaften an der WU Wien mit Fokus auf Handel und Marketing.

Österreich verliert den Anschluss!

Ein internationaler Vergleich zeigt: In Japan werden bis 2031 voraussichtlich fast 40 Prozent aller Arbeitnehmer:innen 55 Jahre und älter sein – in Italien 32 Prozent, in den USA 25 Prozent und in Groß­britannien 23 Prozent. In Österreich sind jedoch Frühpensionen und ­weitere Anreize für Ältere, den Arbeitsmarkt verfrüht zu verlassen, en vogue. Vor allem im Süden und Westen Österreichs wird das Potenzial älterer Mitarbeitender als Wettbewerbsvorteil erkannt: In Kärnten sind es 69,7 Prozent, in Tirol und Vorarlberg 65,1 Prozent der ­Befragten.  Der Arbeitsmarkt muss sich daher rasch verändern – ebenso die Haltung von Entscheidungsträger:innen, Ge-
schäftsführer:innen und Eigentüme­r:in­nen gegenüber älteren Mitarbeitenden, davon ist Helga Töpfl überzeugt. Langjähriges Wissen und Erfahrung sind zu 63,2 Prozent der Hauptgrund, ältere Arbeitneh­mer:in­nen in ein Unternehmen zu holen. Darüber hinaus denkt mehr als die Hälfte der Befragten, dass die Älteren gebraucht und geschätzt werden ­wollen und ebenso knapp die Hälfte, dass sie ihr Wissen auch weitergeben ­wollen.

 

Susanne Seher (54) studierte Rechtswissenschaften und sammelte umfassende Berufserfahrung in verschiedenen Positionen bei SPAR und der VIVATIS Holding AG.

Chancen, aber auch Grenzen.

Wissen, Erfahrung und Kompetenz sind das eine – auf der anderen Seite zeigen sich in der aktuellen Studie auch klare Herausforderungen: vor allem die verminderte Belastbarkeit und ­fehlende Kenntnisse im Bereich neuer Technologien. 58 Prozent der Befragten glauben, dass es zu Schwierigkeiten kommt, weil ältere Arbeitnehmer:innen körperlich und mental nicht mehr so belastbar sind wie Jüngere. Dieses Bild teilen sowohl 36,8 Prozent der 20- bis 29-Jährigen als auch ebenso viele der 40- bis 49-Jährigen. Besonders auffallend: Die Sorge um mangelnde Belastbarkeit wird häufiger von Frauen geäußert – 63,1 Prozent im Vergleich zu 52,8 Prozent der Männer. Auch der Umgang mit digitalen Tools und neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz wird kritisch gesehen: 46,9 Prozent der Österreicher:innen machen sich hier Sorgen. Doch die ­Expertinnen von Seher + Partner widersprechen: „Themen wie Digitalisierung und KI betreffen uns alle. Können wirklich nur die Jüngeren behaupten, sie wüssten alles darüber – bei der Geschwindigkeit, mit der sich Algorithmen ­entwickeln?“ „Ganz gleich, wie alt jemand ist: Wir müssen uns ständig weiterbilden und neu einarbeiten. Genau das sehen wir bei älteren Arbeitnehme­r:innen – sie sind bereit zu arbeiten und auch weiterhin zu ­lernen“, ergänzt Helga Töpfl. 

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