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Vom Polster zum Faktor
Vom Polster zum Faktor
Nattakorn Maneerat / iStock / Getty Images Plus, Galeanu Mihai / iStock / Getty Images Plus

Vermögen im Wandel

20.10.2025 um 00:00, Friederike Ploechl
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Zeitenwende. Sparen war lange ein Synonym für Sicherheit. Heute spart Österreich so viel wie selten zuvor – doch die Sparform hat sich gewandelt.

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Sparen war in Österreich nie nur eine Frage der Mathe­matik, sondern immer auch Ausdruck von ­Lebenshaltung. Wer Geld zur Seite legte, tat dies nicht allein für sich, sondern auch für Kinder und Enkel:innen. Es war eine Geste der Verantwortung, ein Versprechen an die Zukunft. Diese Haltung hat das Land geprägt wie kaum ein anderes. Sie war so selbstverständlich, dass man sich ihrer Bedeutung oft erst bewusst wurde, als sie ins Wanken geriet. In kaum einem europäischen Land spielt(e) das Sparbuch eine so große Rolle wie in Österreich. Es war Symbol für Fleiß, Sicherheit und Verlässlichkeit – Werte, die nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit besonders hochgehalten wurden. Die Bankenlandschaft mit ihren regionalen Strukturen sorgte dafür, dass Sparen nicht anonym, sondern nahbar war. Man kannte die Bank, oft auch den Filialleiter, und vertraute darauf, dass das eigene Geld in guten Händen war. Vertrauen war das Fundament einer Spar­kultur, die ­Österreich über Jahrzehnte trug.

Als Zukunft planbar schien.

Von den 1960er bis in die 1990er Jahre hinein befand sich das Sparbuch auf seinem Allzeithoch. Zinsen von bis zu sechs Prozent machten es zu einem mächtigen Instrument für ­Vermögensaufbau. Es genügte, ­diszipliniert einzuzahlen – der Zinseszins erledigte den Rest. Ganze Lebensentwürfe waren auf dieser Logik aufgebaut. Das Sparbuch ­hatte darüber hinaus eine symbolische ­Dimension. Wer eines besaß, ­demonstrierte Verlässlichkeit. Während in anderen ­Ländern Aktien und Börsen­spekulationen zur Kultur gehörten, vertrauten Österrei­cher:innen auf die stille Stärke des ­Sparbuchs. Parallel dazu stieg der Bauspar­vertrag zur nationalen Insti­tution auf. Mit staatlicher Förderung und einem klaren Ziel – der Weg zum Eigenheim – wurde er zu einem festen Bestandteil nahezu jeder Finanz­planung. Kaum ein Haushalt ohne Bausparvertrag – stand er doch für Sicherheit, Zukunft und für den Traum von den eigenen vier Wänden. In einem Land, in dem Wohnen und Eigentum nicht nur Notwendigkeit, sondern vor allem Ausdruck von Lebensqualität sind, war der Bausparvertrag weit mehr als bloßes Produkt: Er war Teil der österrei­chischen Identität. Auch Kapitallebensversicherungen hatten in dieser Zeit Hochkonjunktur. Sie kombinierten Vorsorge mit dem Versprechen, die Familie abzusichern. Wer eine solche Versicherung hatte, galt als verantwortungsvoll. Zusammen mit Sparbuch und Bau­sparer bildeten sie ein Dreigestirn der Sicherheit, das über Jahrzehnte die ­Finanzarchitektur Österreichs bestimmte.

Sparen ist weit mehr, als Geld beiseitezulegen – es ist ein Versprechen an die Zukunft.

Alpenrepublik-DNA.

Warum spielt(e) Sicherheit in Österreich eine so zentrale ­Rolle? Ein Blick auf seine Geschichte und Gesellschaft gibt die Antwort. Österreich ist geprägt von regionaler Verwurzelung, von einem Denken in Generationen und vom hohen Stellenwert der Familie. Geld wurde nicht als Mittel zum schnellen Reichtum verstanden, sondern als Schutzschild. Diese Haltung war nicht zuletzt auch eine Reak­tion auf historische Brüche. Wer die Hyperinflation der Zwischenkriegszeit oder die Verluste in der Nachkriegszeit noch miterlebt hatte, sehnte sich nach Stabilität. Der Gedanke, durch Spekulation alles verlieren zu können, war für viele unvorstellbar. ­Sicherheit, Beständigkeit und Bodenständigkeit wurden zu Leitwerten. Auch die Topografie des Landes, mit seinen kleineren Städten, Dörfern und engen Gemeinschaften, förderte diese Haltung. Man sparte nicht verdeckt über internationale Märkte, sondern bei der Bank­filiale im Ort, wo man die Menschen bestens kannte. Vertrauen war als zentraler Pfeiler wichtiger als Rendite. Diese Kultur prägte Generationen und machte Österreich zu einem Land, in dem Sparen eine fast schon moralische Dimension hatte.  
 

Die Zeitenwende.

Alles änderte sich mit der Finanzkrise 2008. Plötzlich wurden Gewissheiten erschüttert. Banken gerieten ins Wanken, die Zinsen fielen ins Boden­lose. Was jahrzehntelang funktioniert hatte, verlor seine Grundlage. Das ehrwürdige und verlässliche Sparbuch wurde zu einem Symbol für Stillstand. Statt Ver­mögen aufzubauen, bedeutete es plötzlich Wertverlust. Die Ära der Nullzinsen war für Österreichs Sparer:innen ein Schock. Ganze Generationen hatten gelernt, dass Sicherheit immer belohnt wird. Nun mussten sie feststellen, dass diese teuer werden konnte. Auch die Inflation der vergangenen Jahre verschärfte dieses Gefühl: Wer sein Geld ungenutzt liegen ließ, verlor an Kaufkraft. Banken reagierten mit neuen Produkten. Wertpapierdepots rückten ins ­Zentrum, Fonds und Vermögensmanagement wurden beworben. Doch die Skepsis blieb. ­Viele Österreicher:innen mussten erst lernen, mit Risiken, die sie bisher nicht kannten, umzugehen. Das Spiel mit Märkten war ein Mysterium – ein Reich aus ­Zahlen und Zufällen. Dennoch wuchs das Bewusstsein, dass Wohlstand ohne Investitionen in neue Formen nicht mehr möglich war. Im digitalen Takt. Während Fonds schon länger bekannt waren, brachten ETFs (ex-change-traded fund) eine neue Qualität: Sie waren transparent, effizient und boten Zu-gang zu globalen Märkten mit vergleichs­weise geringen Beträgen. Besonders für ­jüngere Generationen wurden sie zum Einstieg in die Welt der Investments. Die österreichischen Banken griffen diesen Trend auf. Raiffeisen, Erste Bank und Oberbank modernisierten ihre Plattformen und machten den Zugang leichter. Digitale Depots, Smart­phone-Apps und Online-Banking wurden zum Standard. Parallel dazu traten Fintechs auf den Plan, die mit niedrigen Gebühren und benutzerfreundlichen Apps neue Zielgruppen erschlossen. Damit wurde Investieren demokratisiert. Was früher als exklusive Welt der Wohlhabenden galt, wurde plötzlich breiten Schichten zugän­g­lich. Geld anzulegen war nicht länger Expert:innen vorbehalten, sondern wurde Teil des Alltags.

Die Jungen machen‘s vor. Investieren verlagert sich vom Sparbuch auf digitale Börsenplätze.

Beton(-Gold).

Trotz aller Neuerungen blieben Gold und Immobilien unerschütterliche Konstanten. Gold gilt seit Jahrhunderten als sicherer Hafen, und in Österreich strahlt es eine besondere Symbolkraft aus. Münzen wie der Philharmoniker sind nicht nur An­lageobjekte, sondern auch kulturelle Ikonen. In unsicheren Zeiten steigt die Nachfrage, und viele Familien betrachten Gold als unverzichtbaren Bestandteil ihres Vermögens. Österreich gilt als wahres Goldland – mit rund 561 Tonnen Gold, die in privatem Besitz sind, übertreffen die Österreicher:innen ihre staatlichen Gold­reserven von 280 Tonnen. Das entspricht durchschnittlich fast einem halben Kilogramm Gold pro Erwachsenem und unterstreicht die symbolische und materielle Bedeutung dieses ­Edelmetalls. Es gilt als sicherste, wertbeständigste und krisenresistenteste Anlageform – noch vor ­Immobilien. Aber zurück zum Traum vom Eigenheim, denn dieser prägt Österreich wie kaum ein anderes Land. Ein Haus am Land, eine Wohnung in der Stadt – Eigentum ist nicht nur Sicherheit, sondern auch Lebensqualität. Grundstücke und Immobilien sind mehr als Investitionen, sie sind Ausdruck von Verwurzelung und Beständigkeit. Trotz ­steigender Preise und regulatorischer Hürden bleibt der Wunsch nach Eigentum ­ungebrochen. 2024 lebten knapp 50 Prozent aller Haushalte im Eigentum. Seit 2010 sank die Eigentumsquote laut Statistik Austria zwar nur leicht – von 50,2 auf 47,9  Prozent im Jahr 2021 –, doch sie bleibt hoch. Die regio­nale Verteilung zeigt starke Unter­schiede: In Wien leben nur rund 20  Prozent im Eigentum, während im Burgenland fast 70 Prozent eigenheimbesitzend sind. Eigentum wird nicht nur als finanzielle Absicherung, sondern auch als Ausdruck von Zugehörigkeit, Identität und Lebensqualität verstanden.

Früher wurden Münzen gezählt, heute werden Kurse verfolgt – Sparen im Zeichen von Digitalisierung.

Nachhaltigkeit oder Prestigeobjekte.

Ein weiterer Trend der vergangenen Jahre ist das nachhaltige Investieren. Österreichische Anleger:innen achten zunehmend darauf, dass ihr Geld nicht nur Rendite bringt, sondern auch Wirkung entfaltet. Laut Finanzmarktaufsicht sind bereits rund 60  Prozent der in Österreich vertriebenen Fonds nach ESG-Kriterien klassifiziert. Green Bonds, nachhaltige ETFs und Impact Investments gewinnen stetig an Beliebtheit. Die Geldanlage soll mit den eigenen Wertvorstellungen übereinstimmen – sei es durch aktiven Klima­­schutz, soziale Verantwortung oder eine ethische Unternehmensführung. Damit wandelt sich das klassische Bild von Investo­r:innen hin zu aktiven Mitgestalte­r:innen gesellschaftlicher Entwicklungen. Parallel dazu wuchs auch das Segment des Lifestyle-Investing. So bleiben Oldtimer, edle Uhren, Kunstwerke, erlesene Weine oder Whisky-Raritäten nicht nur Sammlerobjekte, sondern werden zu begehrten Anlageformen. Sie verbinden Rendite mit Prestige, Kultur- / Kunstgenuss und Ästhetik. In Österreich hat diese Form des Investierens bereits Tradition – sei es in Form von Kunstsammlungen, Weinbau oder Sammlerleidenschaften. Luxus wird neu definiert: nicht mehr nur Konsum, sondern Wertebewahrung und kulturelles Erbe. Für viele Anleger:innen sind ein Gemälde oder eine Rarität aus dem Weinkeller nicht nur Kapital, sondern Ausdruck von Identität und Stil. Es gilt jedoch zu prüfen, was Bestand hat – eine Garantie auf Weiter­entwicklung oder gar nur Bestand gibt es bei diesen Anlageformen nicht.
 

WER SPART, DER HAT. Selbstbestimmt leben beginnt mit finanzieller Selbstständigkeit.

Lust auf bittersüße Bitcoins?

Krypto­währungen sind Teil der österreichischen Finanzkultur geworden. Sie faszinieren vor allem jüngere Generationen, die technik­affin und experimentierfreudig sind. Rund 15  Prozent der unter 35-Jährigen besitzen laut OeNB bereits Bitcoin, Ethereum oder andere digitale Währungen. Sie symboli­sieren Unabhängigkeit, Schnelligkeit und Innovationskraft. Doch ihre Volatilität macht sie riskant. Viele nutzen sie daher als Bei­mischung – spannend, aber nicht zen­tral. Fintechs und digitale Broker:innen haben das Investieren revolutioniert: Über die ­Hälfte aller neuen Wertpapierdepots wird mittlerweile online eröffnet. Junge Anleger:innen handeln Aktien, ETFs und Kryptowährungen am Smartphone. Geld­anlage wird so zu einer Alltagserfahrung, vergleichbar mit Online-Shopping. 
 

"In meiner Praxis zählt das Thema ‚Geld‘ neben der Liebe und dem Job für meine Kundinnen und Kunden zu den relevantesten." Gerda Rogers Star-Astrologin

Hybride Aussichten.

Die Zukunft des ­Sparens in Österreich ist hybrid. Ein Teil bleibt klassisch, ein Teil digital. Das Sparbuch mag seinen Glanz verloren haben, doch fast 80 Prozent der Haushalte besitzen es noch – oft als emotionales Sicherheitsnetz. Parallel dazu wachsen digitale Investments, nachhaltige Fonds und exklusive Werte. Sicherheit und Flexibilität sind keine Gegensätze mehr, sondern Teil einer Gesamtstrategie. Anlege­r:innen gestalten ihr Vermögen nicht mehr nur nach Renditezielen, sondern auch nach ihren Werten. Für die einen bedeutet das Nachhaltigkeit, für die anderen Exklusivität, für wieder andere technologische Pionierarbeit. Sparen in Österreich ist mehr als Kapitalvermehrung. Es ist Kultur, Menta­lität und Lebenskunst. Vom Sparstrumpf über das goldene Zeitalter des Sparbuchs bis zum digitalen Depot spannt sich eine Geschichte, die zugleich die Entwicklung unseres Landes widerspiegelt. Jede Gene­ration hat ihre Schwerpunkte gesetzt, doch das Grundbedürfnis bleibt gleich: Sicherheit, Stabilität und die bewusste Gestaltung der Zukunft. Wer heute seine Finanzen struk­turiert, schafft Sicherheit – und öffnet Türen für Chancen. Das Sparbuch war Sicherheit im Kleinen, das Wertpapierdepot ist Freiheit im Großen. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte unseres Landes, das Sparen als Teil seiner Identität verstand und bereit ist, ­diese Tradition in die Zukunft zu tragen.

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