Je diverser, desto besser
Wie lässt sich heute mit Werbung eigentlich noch Aufmerksamkeit generieren?
Sargon Mikhaeel: In einer Welt voller Social Media ist Aufmerksamkeit zu erregen die falsche Zielsetzung. Man muss vielmehr beim Produkt oder bei der Dienstleistung ansetzen und schauen, dass es inhaltlich relevant, spannend und sinnvoll ist und das schließlich authentisch kommunizieren. Bloße Aufmerksamkeit verfliegt sehr schnell wieder. Man kann heute der größte Star der Welt sein und ein paar Tage später kennt einen niemand mehr. Langfristig erfolgreich ist man nur mit Authentizität.
Bindung sichert gute Arbeitskräfte. Der Personalstand Ihrer Agentur hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Wie finden und binden Sie Ihr Team?
Mikhaeel: Indem man Freiheiten, Vertrauen und Verantwortung gibt – etwa durch flexible Arbeitszeiten. Präsenz per se ist nicht gleich Arbeit. Ich komme selber gerade von einer zweiwöchigen Workation aus Valencia. Mit einem Frauenanteil von rund 60 Prozent beschäftigt unsere Agentur zudem viele Mütter, die ins Berufsleben zurückkehren – darunter auch Agenturleiterin und Partnerin Sandra Hörschläger.
Sandra Hörschläger: Nach einem -längeren Auslandsaufenthalt kehrte ich vor zwölf Jahren nach Österreich zurück und absolvierte meinen Master an der JKU. Meine Tochter war damals vier und ich suchte einen 20-Stunden-Job im Office Management. Beim Vorstellungsgespräch meinte Sargon, ich sei überqualifiziert, und schlug vor, Kundenberatung und Projektmanagement zu übernehmen. Ich wuchs in meine Rolle hinein, stockte meine -Stunden auf und übernahm 2017 die Agenturleitung. Zu dieser Zeit bot mir -Sargon auch die Partnerschaft an – obwohl ich nur rund 32 Stunden arbeitete. Flexibilität und Vertrauen gibt es bei uns also von beiden Seiten. Unser Team muss keinen Stress haben, wenn etwa die Kinder krank werden. Im Gegenzug geben alle ihr Bestes. Alle kennen ihren Verantwortungsbereich, Deadlines und Aufgaben. Natürlich sind eine gewisse Präsenz und physische Anwesenheit wichtig. Wir sind ein Team, keine Einzelkämpfer:innen, weshalb es eine gute Mischung braucht.
Unterschätzen Frauen im Beruf ihre Möglichkeiten? Wie können diese entfaltet werden?
Mikhaeel: Viele Frauen, wie Sandra damals, trauen sich oft weniger zu, als sie können. Bei Männern ist das umgekehrt. Junge Mitarbeiter:innen brauchen anfangs mehr Führung, doch es ist wichtig, ihnen früh Verantwortung zu übertragen und Vertrauen zu zeigen – einschließlich gewisser Freiheiten bei Arbeitszeit und -ort. Das Mantra „Lebenszeit ist Arbeitszeit“ ist Blödsinn, und die Denkweise, ein guter Arbeitstag bedeute acht abgesessene Stunden, ist längst überholt.
Hörschläger: Ein Großteil unserer Mannschaft arbeitet aus verschiedenen Gründen in Teilzeit und bringt individuelle Skills mit. Dadurch beschäftigen wir mehr Personen, was unser Portfolio und unsere Kompetenzen erweitert – etwa mit einem eigenen Video- und Motion Graphics Designer.

Ihre Agentur lebt Diversity – mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Ländern, Kulturen und Altersgruppen. Warum ist das gerade in der Kreativwirtschaft wichtig?
Hörschläger: Herkunft, Religion, Lebensweisen, Alter – je diverser, desto besser. Durch unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten bekommt man einen breiteren und kritischeren Blick auf alles. Wenn ich immer nur mit denselben Menschen arbeite, bleibt mein Blick auf die Dinge begrenzt. In unserer Branche ist es aber ganz wichtig, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Mit 48 Jahren zähle ich zu den Ältesten im Team. Für Zielgruppen wie Lehrlinge bin ich nicht die ideale Ansprechpartnerin, da jüngere Teamplayer einen viel besseren Zugang zu deren Bedürfnissen und Lebenswelt haben. Zudem bringen die Jungen Know-how und Wissen ein, das für sie als Natives völlig selbstverständlich ist. Sie sind auch deutlich besser darin, Trends zu erkennen. Erfahrung ist wichtig, aber frisches Denken genauso, und es gibt dabei keine Hierarchie.
Mikhaeel: Junge Menschen haben oft andere Lebensziele und Perspektiven. Ich freue mich für sie, denn ihre Ziele sind oft deutlich spannender als jene, die meiner Generation vermittelt wurden. Werfen wir einen Blick darauf, wie viele 40- bis 70-Jährige mit Antidepressiva, Alkoholproblemen oder Burn-out kämpfen. Diese Lebensweise ist nicht erstrebenswert. Die junge Generation erkennt das bei ihren Eltern und möchte vieles anders machen.