Im Body Talk
Sie sind Fachärztin für Physikalische Medizin & Rehabilitation in Micheldorf – was begeistert Sie besonders an Ihrem Beruf?
Ich kombiniere Diagnostik, therapeutische Planung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Psycholog:innen und teilweise auch Logopäd:innen oder Diätolog:innen – genau diese Mischung macht meine Arbeit abwechslungsreich. Zudem ist der Einsatz moderner physikalischer Verfahren – wie Elektrotherapie, Ultraschall, Thermotherapie oder manuelle Medizin – ein spannender Teil der Tätigkeit. In der klinischen Praxis arbeitet man weiters eng mit vielen unterschiedlichen Fachbereichen zusammen, etwa bei der Behandlung nach Schlaganfällen, Wirbelsäulenoperationen, rheumatologischen Erkrankungen oder Tumortherapien. Die Vielfalt der physikalischen Therapie und die Chance, Patient:innen in nahezu allen Fachrichtungen gezielt zu helfen, machen diesen Beruf so faszinierend.
Stoßwellen kommen oft nur begrenzt zum Einsatz. Wo aber liegen die großen Chancen dieser Therapie?
Die Stoßwellentherapie ist ein etabliertes Verfahren in der konservativen Schmerz- und Rehabilitationsmedizin und reicht weit über die klassische Behandlung von Fersensporn oder Kalkschulter hinaus. Dabei unterscheidet man zwischen radialer und
fokussierter Stoßwelle, die sich in Eindringtiefe und Wirkmechanismus unterscheiden und so gezielt an unterschiedliche Gewebestrukturen angepasst werden können. Die radiale Stoßwelle eignet sich vor allem für oberflächlich gelegene Strukturen wie Muskeln und Sehnen, die fokussierte hingegen wirkt präzise in tiefer liegenden Geweben und ermöglicht so auch die Behandlung komplexerer Diagnosen. Unterschiedlichste Aufsätze sowie Einstellungen am Gerät und die Kombination beider Techniken ermöglichen eine individuelle Behandlung der Struktur je nach aktueller Situation.
Sie setzen zudem auf Schmerzbehandlung ohne Medikamente – was bedeutet das für Ihre Patient:innen?
In erster Linie bedeutet es, den Schmerz ganzheitlich zu betrachten – nicht nur als Symptom, das unterdrückt werden muss, sondern als Ausdruck eines Ungleichgewichts. Ziel ist es, die Ursachen zu behandeln und langfristige Verbesserungen zu erreichen – möglichst ohne oder mit deutlich weniger Medikamenten. Eine Tablette allein hilft nicht, wenn die Ursache bestehen bleibt. Gleiches gilt für Verspannungen: Wer sich nur massieren lässt, ohne aktiv an den Auslösern zu arbeiten, dreht sich im Kreis.
Viele Patient:innen greifen dennoch zu Tabletten. Wie schaffen Sie es, ihnen Alternativen näherzubringen?
Die Aufgeschlossenheit von Patient:innen, die zu mir in Bezug auf alternative Therapiemöglichkeiten in die Ordination kommen, ist sehr groß. Insbesondere bei chronischen Verläufen möchte man natürlich den Medikamentenkonsum reduzieren. Ich versuche, verständlich zu erklären, wie Bewegungstherapie, manuelle Techniken, Elektro- sowie Wärme- und Kältetherapie dazu beitragen können, die Ursachen der Beschwerden zu behandeln und Schmerzen zu reduzieren. Die Bandbreite der physikalischen Medizin zur Schmerzbehandlung ist groß und muss individuell auf die spezielle Situation und den Pathomechanismus abgestimmt sein. Daher gibt es je nach individueller Therapieverträglichkeit für jede und jeden abgestimmt ein „Kochrezept“. Allein die Möglichkeiten der Elektrotherapie sind vielfältig, und Ähnliches gilt für alle weiteren physikalischen Therapien.
Ihre Lanie hat gerade die Ausbildung zum Therapiebegleithund, Sie zur -hundeführerin absolviert. Was bewirkt ein Hund in der Behandlung, was Menschen nicht schaffen?
Dieser kann Dinge bewirken, die Menschen oft schwer oder gar nicht erreichen und das auf eine ganz besondere Weise. Ein Hund urteilt nicht. Er begegnet jedem mit Offenheit – unabhängig von Aussehen oder Krankheitsbild. Diese bedingungslose Akzeptanz kann das Selbstwertgefühl stärken und Hemmschwellen abbauen. Allein die Anwesenheit eines Hundes senkt nachweislich Stresshormone wie Cortisol und kann Angstzustände lindern. Hunde spüren Stimmungen und reagieren intuitiv, etwa durch Nähe oder Aufmerksamkeit. Sie können Gespräche anregen und den Kontakt zwischen Menschen erleichtern – kurz: Ein Therapiebegleithund baut Brücken zwischen Gefühl und Verstand sowie zwischen Menschen.
In der Palliativmedizin, in Schulen oder in Seniorenheimen: Welche Einsätze mit Lanie berühren Sie am meisten?
Während der Ausbildung hatten wir Kontakt mit Kindern in Pflegeeinrichtungen, mit beeinträchtigten Personen und palliativen Patient:innen. Mir war daher wichtig zu sehen, wie Lanie auf unterschiedliche Situationen reagiert. Jegliche Einsätze sind für Hund und Hundeführer:in sehr anstrengend. Besonders berührend war der Kontakt mit beeinträchtigten Personen, die trotz anfänglichem Respekt Lanie mit Freude begegneten. Beim ersten Einsatz auf der Palliativstation war Lanie von den vielen Eindrücken erschöpft – ihr ausgeprägter Geruchssinn macht das Verarbeiten solcher Situationen besonders herausfordernd. Hier ist es meine Aufgabe, ihre Grenzen und mögliche Überlastungen sorgfältig einzuschätzen.
Was haben Sie von Lanie gelernt?
Obwohl ich mit Katzen aufgewachsen bin, wollte ich immer einen Hund und entschied mich nach gründlicher Recherche für einen Golden Retriever. Besonders am Anfang half mir der Züchter, der eng mit einer Veterinär-Universität zusammenarbeitet, um aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, etwa zur Hundeernährung, zu verstehen.
In der Therapiehunde-Ausbildung lernte ich, wie Kommandos verständlich vermittelt werden – eine andere Denkweise, die mir auch hilft, komplexe Inhalte verständlicher zu erklären. Beruflich wie privat lerne ich viel von Lanie, die ein Gespür für Menschen hat, fast wie ein „Bauchgefühl“. Insgesamt ist es eine große Bereicherung, Verantwortung für sie zu tragen und sie zu erziehen.
An einem Tag ohne Termine ...
... würde ich eine Bergtour mit Lanie machen, im Garten relaxen, etwas basteln oder backen und abends ein gutes Essen bei einem Lagerfeuer genießen.