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Bücher mit Popcorn | Credit: iStock.com/Gergelyne Koczka
Buchverfilmungen: Top oder Flop?
Buchverfilmungen: Top oder Flop?
iStock.com/Gergelyne Koczka

Das Problem mit Literaturverfilmungen

08.10.2023 um 11:32, Artikel von Passion-Autor: Cara Krist
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Auf Netflix läuft aktuell die Miniserie „Liebes Kind“. Die Buchvorlage von Romy Hausmann kennen nur wenige. Vielleicht nicht verwunderlich bei dieser Umsetzung?

Was ist eine Literaturverfilmung?

Wie der Name bereits sagt, handelt es sich dabei um eine Umsetzung eines literarischen Werkes – meist ein Buch – in einen Film oder eine Serie. Filmemacher entscheiden dabei, ob das Buch nur als vage Vorlage gilt oder genau verbildlicht wird. Doch meist müssen viele, vor allem kleinere, Details schon aufgrund der Länge des Buches weggestrichen werden.

Oft hilft eine Verfilmung, den Verkauf des Buches anzukurbeln, wie man am Beispiel der Bridgerton-Serie sehen kann. Der Verkauf wurde hier nämlich vor einigen Jahren sogar eingestellt, weil sich die Romane nur mäßig verkauften. Heute herrscht online ein regelrechter Bieterkampf um die alten Ausgaben. Und „Liebes Kind“ kann man seit dem 7. September nicht nur lesen, sondern auch in 6 Folgen auf Netflix sehen.

Vorstellungen werden zum Leben erweckt

Als Leser tauchen wir gerne in die Welt unserer liebsten Bücher ein. Schon während des Lesens stellen wir uns unsere liebsten Protagonisten vor, malen uns ihre Welt im Kopf aus und sind stilles Mäuschen bei intimen Gesprächen, Familienfesten, aber auch Streits. All das existiert in unserem Kopf. Wir erwecken die Worte des/der Autoren/in selbst zum Leben. Verfilmungen helfen uns dabei und geben uns eventuell noch einmal einen neuen Blickwinkel auf die Reise unserer liebsten Helden.

Literaturverfilmung: ein anderer Blickwinkel

Die Geschichten, die bis dato nur in unseren Köpfen gelebt haben und nun auf einer großen Leinwand abgespielt werden, hat sich jede/r Leser/in anders vorgestellt. Klar, dass man da einen anderen Zugang dazu hat. Was war in meiner Vorstellung anders, oder welche/r Schauspieler/in sieht in meiner Vorstellung genauso aus wie der/die Protagonist/in der Geschichte? Viele denken wahrscheinlich nicht daran, dass eine Verfilmung die Geschichte auch für ein breiteres Publikum zugänglich machen kann.

Außerdem gibt es Menschen, die zum Beispiel nicht lesen können, es zeitlich nicht schaffen, oder nach einem langen Arbeitstag keine Energie mehr haben, ein Buch aufzuschlagen. Ein Film oder eine Folge einer Serie ist da wesentlich schneller angesehen als ein dicker Roman durchgelesen. Manche werden durch die Verfilmung eventuell motiviert, die Literaturvorlage zu lesen und kommen so in den Genuss der Bücherwelt. Dabei merkt man vielleicht, dass die Geschichte im Buch ganz anders ist, vielleicht sogar besser.

„Liebes Kind“: Eine schwierige Buchverfilmung

Romi Hausmanns „Liebes Kind“ ist ein packender Roman über ein junges Mädchen – Hanna –, welches das Leben nur eingesperrt in einer Hütte ganz tief im Wald kennt. Das ist ihr Leben, ihre Welt, alles, was sie für normal hält. Es gibt Regeln, nach denen es zu leben gilt und eine Mama – Lena –, die regelmäßig Anfälle hat und aus Versehen den Papa getötet hat. All das bietet schon sehr viel Potenzial für Kino im Kopf. Vor allem, wenn man weiß, wie der Autorin die Idee zur Geschichte kam. Sie selbst lebt etwas weiter weg von der großen Stadt. Dort sieht sie eines Tages im Wald eine verlassene Hütte und spinnt den Gedanken weiter, jemand würde darin gefangen gehalten.

„Liebes Kind“ und Netflix

Leider hat sich Netflix die Geschichte wohl etwas anders vorgestellt. Charaktere wurden verändert oder hinzugefügt, Storylines abgewandelt und Schicksale dazuerfunden, die absolut übertrieben waren. Die Geschichte an sich ist schon spannend genug, brauche ich da wirklich einen Ermittler mit mentalen Problemen? Natürlich handelt es sich um ein wichtiges Thema, welches mehr Aufmerksamkeit verdient, hier war es jedoch auf Kosten der Unterhaltung. Da passt die Kollegin, die verbissen die Karriereleiter hochklettern will, schon etwas besser ins Bild, obwohl das Buch auch fesselnd war, ohne zu tief in die Persönlichkeit der Ermittler einzutauchen.

Zu viele Details würden hier natürlich die Geschichte vorwegnehmen, jedoch ist vor allem das Ende für viele Leser eine Enttäuschung. Besonders frustrierend an der Arbeit von Netflix ist jedoch, dass kaum zu erkennen ist, von wem die Geschichte stammt. Die Autorin des packenden Thrillers wird im Abspann für eine Millisekunde erwähnt, nicht zu erkennen, wenn man nicht danach sucht. Hausmann würde die Aufmerksamkeit für ihre Arbeit jedoch verdienen.

Frau schaut sich einen Film an | Credit: iStock.com/evgenyatamanenko
„Liebes Kind“: Ist die Serie schlecht oder liegt es an der Umsetzung?

Ist die Serie deshalb schlecht?

Keinesfalls! Hat man das Buch nicht gelesen, ist man vermutlich großer Fan der Geschichte. Die Miniserie ist aufregend und packend von der ersten Minute an. Die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, jede Folge auf ein anderes Detail fokussiert, macht es besonders spannend; da immer nur Einblicke gewährt werden, die man erst ganz am Ende zu einem großen Ganzen zusammensetzen kann.

Es geht hier nicht darum, eine Serie als schlecht abzustempeln oder eine „Negativ-Empfehlung“ auszusprechen. Die Verfilmung vermag den Zuschauer an die Couch zu fesseln und am Ende geschockt sitzen zu lassen. Die Schauspieler, vor allem die kleine Hanna – gespielt von Naila Schuberth – wirkt mit ihrer Rolle verschmolzen. Kritisiert wird lediglich die Umsetzung des Buches, das man nur noch als groben Rahmen erkennen kann, und dass der Autorin viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Mann liest ein Buch | Credit: iStock.com/vadimguzhva
Viele Geschichten werden für die Verfilmung geändert

Fazit: „Liebes Kind“

Das Fazit zu Buchverfilmungen wie „Liebes Kind“ ist also, dass es faszinierend ist, wenn unsere Vorstellungen zum Leben erweckt werden. Das gruselige Haus im Wald, mit dem Zirkulationsappart lässt den Zuschauer wie im Buch schaudern. Es ist spannend, sich mit anderen begeisterten Lesern darüber auszutauschen, ob sie sich Hannah, Jonathan und Co. auch so vorgestellt haben oder ob die Protagonisten in ihrem Kopf ganz anders aussahen.

Jedoch muss man auch auf die Enttäuschung gefasst sein, wenn manche Handlungsstränge ganz anders verlaufen, als erwartet und uns am Ende woanders hinführen als in unserem geliebten Roman. Es bleibt also jeden selbst überlassen, ob man sich entscheidet, zuerst das Buch zu lesen oder die Verfilmung zu sehen – oder sich gleich nur für eines entscheidet, um sich Enttäuschungen zu ersparen.

Zur Autorin

Cara Krist liest leidenschaftlich gerne und hat für Leseratten den einen oder anderen vielversprechenden (Geheim) Tipp auf Lager! Auf www.weekend.at stellt sie uns ihre Empfehlungen vor.

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