Tote Hose im Bett: Ist das noch Liebe?
- Sexlos ≠ lieblos
- Schleichendes Phänomen
- Anfang vom Ende?
- Schwung fürs Liebesleben
- Lustkiller Nähe
- Ausweg: Therapie
- Wege aus der Bettflaute
- „Fixtermin“ als Lösung?
Sophie und Martin sind seit acht Jahren zusammen, haben kaum Streit, keine Affären und sind auch nicht unzufrieden. Und doch: Im Bett läuft nichts mehr, die Leidenschaft ist verschwunden. Das sogenannte Panda-Syndrom – benannt nach den sexfaulen Pandabären – beschreibt einen Beziehungszustand, in dem körperliche Intimität trotz emotionaler Nähe kaum bis gar nicht mehr stattfindet. Damit sind die beiden nicht allein: Betroffen sind vor allem Langzeitpaare oder Eltern kleiner Kinder. Eine US-Studie zeigt beispielsweise, dass rund 10 bis 20 Prozent aller verheirateten Paare kaum oder gar keinen Sex mehr haben.
Sexlos ≠ lieblos
Experten sprechen von einer sexlosen Beziehung, wenn über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine sexuellen Handlungen stattfinden. Entscheidend ist laut Sexualtherapeutin Lisa Fischinger jedoch nicht die Häufigkeit, sondern die Zufriedenheit. Wer wenig oder keinen Sex hat, ihn aber nicht vermisst, lebt in einer funktionierenden Beziehung. Doch häufig sieht es anders aus: Zumindest bei einem Partner ist der Wunsch nach mehr da, klappen will es aber nicht. Das Ergebnis: Frust, Scham, Schweigen.
Schleichendes Phänomen
„Sexuelle Unzufriedenheit ist ein häufiges Thema in meiner Praxis“, klärt Fischinger auf. „Es ist ein sehr verbreitetes Phänomen, dass Sexualität im Laufe einer längeren Beziehung an Spontaneität und Intensität verliert.“ Der Rückzug ist meist kein bewusster Akt, er passiert im Alltag, irgendwo zwischen Jobs, Routinen und Kinderbetreuung. Die Gründe sind vielfältig: Der Alltag fordert Aufmerksamkeit, Beruf und Familie nehmen Raum ein, es entstehen neue Verantwortlichkeiten. Paare geraten in einen Funktionsmodus, der kaum Raum für Spontaneität lässt, und schon gar nicht für Erotik. Auch hormonelle Schwankungen, Krankheiten oder psychische Belastungen wirken sich auf das sexuelle Erleben und die Libido aus.
Anfang vom Ende?
„Eine Phase mit wenig oder keinem Sex ist nicht automatisch ein Zeichen für das Scheitern einer Beziehung“, macht Fischinger Hoffnung. In langjährigen Partnerschaften ist das sogar eher die Regel als die Ausnahme. „Entscheidend ist, ob das Thema besprechbar bleibt.“ Wichtig sei, die Flaute als vorübergehend oder als Anstoß für neue Entdeckungen zu sehen. Ein Neubeginn muss zudem nicht radikal sein, oft reichen kleine Veränderungen im Alltag aus.
Schwung fürs Liebesleben
Sexuelle Lust ist kein Dauerzustand, Begehren entsteht nicht von selbst – genau wie die Beziehung muss auch die Lust gepflegt werden. Als ersten Schritt empfiehlt die Therapeutin, Erwartungen zu senken, offen darüber zu sprechen und sich wieder bewusst Zeit füreinander zu nehmen. Das können gemeinsame Erlebnisse, Auszeiten oder auch mehr körperliche Berührungen im Alltag sein. Auch das Wiederentdecken der eigenen Sexualität spielt eine Rolle. Masturbation kann Inspirationen liefern und wird häufig unterschätzt. Wer früh gegensteuert, kann die emotionale und körperliche Verbindung rechtzeitig stärken – und zwar bevor sich Frust und Resignation festsetzen.
Lustkiller Nähe
Was wir uns in Beziehungen wünschen – Nähe, Sicherheit, Verlässlichkeit – kann paradoxerweise genau das ersticken, was Erotik braucht: Spannung, Geheimnis, Unbekanntes. Sexualforscher sprechen vom Nähe-Distanz-Dilemma. Je mehr wir miteinander verschmelzen, desto mehr verlieren wir das Spannungsfeld, das sexuelles Verlangen nährt. „Wenn beide Partner sich auch als Individuen mit eigenen Impulsen und Fantasien erleben, kann sich das erotische Spannungsfeld erhalten oder wieder neu entwickeln“, erklärt Fischinger.
Ausweg: Therapie
Ernst wird es, sobald einer oder sogar beide Partner unter der Situation leiden, Dauerstreit und Rückzug sich breitmachen. Auch Unsicherheiten wie „Passen wir noch zusammen?“ sind Anzeichen dafür, dass eine neutrale Therapie nötig ist. „Viele Paare kommen leider sehr spät – oft erst dann, wenn Verletzungen bereits tief sitzen oder Sprachlosigkeit den Alltag bestimmt. Dabei kann frühzeitige Unterstützung helfen, festgefahrene Muster gar nicht erst chronisch werden zu lassen.“
Wege aus der Bettflaute
- Offene Kommunikation ohne Schuldzuweisung,Fantasien teilen (erotische Wunschliste oder Tagebuch)
- Gemeinsame (Aus-)Zeiten (ein abendlicher Spaziergang oder ungestörter Kaffeetermin) in den Alltag integrieren
- Bewusster Körperkontakt (Umarmungen, Händchenhalten, Kuscheln, Streicheleinheiten, Massagen)
- Fixe „Date-Nights“ einführen
- Wiederentdecken der eigenen Sexualität (Selbstfürsorge, Achtsamkeit, Masturbation)
„Fixtermin“ als Lösung?
Können fest eingeplante „Sextermine“ wirklich helfen? Und gibt es eigentlich Anzeichen dafür, dass das Panda-Syndrom zuschlägt?
weekend: Gibt es Anzeichen dafür, dass man in eine sexlose Beziehung rutscht?
Fischinger: Erste Anzeichen sind der Rückgang körperlicher Nähe im Alltag: Küsse werden seltener, Berührungen finden nur noch funktional statt, etwa beim Vorbeigehen oder Gute-Nacht-Sagen, aber nicht mehr aus Zuneigung oder Lust. Viele Paare schlafen irgendwann in getrennten Betten, etwa wegen der Kinder oder unterschiedlicher Schlafgewohnheiten. Ohne bewusste Nähe als Ausgleich kann dies zur Entfremdung führen.
weekend: Wie kann man Druck rausnehmen, wenn das Thema schon massiv präsent ist?
Fischinger: Indem Erwartungen gesenkt werden und der Fokus weg vom „Ergebnis“ hin zum „Erleben“ gelenkt wird. Das heißt: Nähe darf ohne Druck da sein, etwa durch Händchenhalten, Umarmungen oder Kuscheln auf dem Sofa – ohne das Ziel von Sex. Wichtig ist, das Gespräch offen zu halten und Gefühle ehrlich zu teilen, ohne sich unter Druck zu setzen.
weekend: Die Frage der der Fragen: Sind „fixe Termine“ eine Lösung?
Fischinger: Manche Paare profitieren davon, weil sie bewusst Zeit füreinander schaffen und so den Alltagstrott durchbrechen. Aber nur dann, wenn kein Pflichtprogramm mit Leistungsdruck entsteht.