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In der Bibliotherapie ist das Buch der Therapeut 
In der Bibliotherapie ist das Buch der Therapeut 
Kuzmichstudio/iStock/Thinkstock

Bibliotherapie: Bücher als Balsam für die Seele

22.03.2021 um 08:42, Isabel Folie
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Bücher entführen einen in fremde Welten und lassen Alltagssorgen verschwinden. Sie können aber auch ganz konkret bei psychischen Problemen helfen. In der Bibliotherapie gibt es für jedes Wehwehchen die passende Lektüre.

Probleme, Kummer, Sorgen? Die meisten würden nun wohl die beste Freundin anrufen oder einen Psychologen aufsuchen, um sich das Leid von der Seele zu reden. Dabei ginge auch der umgekehrte Weg: Still sein, lesen und die Worte eines anderen in sich aufnehmen und wirken lassen. Mit dieser Methode arbeitet ein Bibliotherapeut: Er empfiehlt seinen Patienten passende Bücher bei Selbstzweifeln, Depression oder Liebeskummer.

Altbewährt

Was vielleicht wie eine neumodische Erscheinung klingen mag, gibt es schon seit dem 18. Jahrhundert. Bereits damals gaben Ärzte ihren Patienten Leseempfehlungen mit auf den Weg. Heutzutage ist die Bibliotherapie besonders in den USA und Skandinavien verbreitet. Im deutschsprachigen Raum gibt es rund über 100 Bibliotherapeuten, 18 davon in Österreich. Wer also einmal den umgekehrten Weg versuchen möchte und anstatt beim Psychologen auf der Couch zu liegen lieber das hauseigene Sofa mit einem guten Buch in Beschlag nehmen würde, der kann sich die passende Literatur empfehlen lassen. Dabei sollte einem aber immer klar sein, dass nur durch das Lesen eines Buches nicht alle Probleme auf wundersame Art und Weise gelöst werden können. Aber ein Buch und die darin enthaltenen Gedanken des Autors helfen, bestimmte Situationen aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Ein Text kann einen Gedankenanstoß geben, der wiederum mentale Prozesse in Gang setzt, die die persönliche Entwicklung fördern.

Welches Buch bei Liebeskummer?

Am liebsten hätte man jetzt natürlich eine Art Gebrauchsanweisung, in der einem für jedes Problem das passende Buch angeboten wird (ob es vielleicht sogar eines geben könnte, das bei Schnupfen hilft?). Aber so einfach ist das leider nicht. Jedes Buch wirkt individuell. Und nicht nur von Mensch zu Mensch unterscheidet sich die Wirkung, auch die Zeit, in der das Buch gelesen wird, spielt eine Rolle. Gab mir in meiner Jugend ein bestimmtes Buch Kraft und Mut, kann es Jahre später auch den gegenteiligen Effekt haben. Ebenso sollte bei der Auswahl darauf geachtet werden, die psychischen Probleme nicht noch zu verstärken. Wer bei Liebeskummer "Die Leiden des Jungen Werthers" von Goethe liest, ein Werk, das mit einem tragischen Selbstmord endet, der wird davon vielleicht nicht gerade aufgemuntert werden …

Sind nur Klassiker erlaubt?

Wer Gefallen an der Idee der Bibliotherapie findet, nun aber Angst davor hat, verstaubte Klassiker wälzen zu müssen, der kann beruhigt sein: Auch zeitgenössische Literatur wird gerne verschrieben. Wie wäre es beispielsweise mit "Der Sommer ohne Männer" von Siri Hustvedt? Darin geht es um Bücher, um eine Mutter-Tochter-Beziehung und ja, ein wenig Mann kommt auch vor.

Worte wirken

Nicht nur ganze Bücher, die uns Geschichten erzählen, haben eine Wirkung auf uns. In Hirnscans konnte gezeigt werden, dass Wörter bestimmte Regionen im Hirn aktivieren können, je nachdem, ob sie positiv oder negativ besetzt sind. Das kann man ganz einfach selbst ausprobieren: Lassen Sie einfach einmal die Worte "glücklich" und "freudig" auf sich wirken … Und nun zum Vergleich: "zerknirscht" und "missmutig". Na, Unterschied bemerkt?

Aber wie ist das nun mit dem Schnupfen?

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Es gibt tatsächlich ein Buch, das bei Schnupfen hilft – nämlich eins mit mindestens 1.000 Seiten. Legen Sie sich ins Bett, lesen Sie das Buch und wenn sie nach einigen Tagen damit durch sind, fühlen Sie sich bestimmt besser.

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