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Annemarie Mauracher

Himmel oder Hölle? Jedermann denkt nach

31.08.2017 um 10:41, Weekend Online
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Wie jedes Jahr ist das Kultstück vom Sterben des reichen Mannes fixer Bestandteil und vorprogrammierter Höhepunkt der Salzburger Festspiele. Wie jedes Jahr strömen tausende Besucher an den Spieltagen gen kitschig-schöner Freiluftbühne, dem Salzburger Domplatz. Wie jedes Jahr gibt es zum Abschluss begeisterte Zurufe und tosenden Applaus. Und wie jedes Jahr hagelt es Kritik.

Die Neuinszenierung von Michael Sturminger sei sehr gelungen und habe Aktualitätsbezug, sagen die einen. Leblos, bieder und unwürdig, sagen die anderen. Meiner Meinung nach ist (und bleibt!) das bekannte kulturelle Highlight äußerst sehenswert für Jedermann und jede Frau!

Ein paar Daten und Fakten vorweg

Die Entstehung des Stücks geht auf die im späten Mittelalter traditionsgemäß aufgeführten "Mysterienspiele" zurück. Insbesondere nach dem Vorbild von "Everyman" (16. Jahrhundert), wurde das Werk des österreichischen Lyrikers Hugo von Hoffmannsthal (1874 – 1929) schließlich Ende 1911 im Zirkus Schumann, Berlin, uraufgeführt. Seit 1920 wird "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen aufgeführt.

Der Inhalt des Werks - Dramatik pur

Um ein Exempel zu statuieren, wird der Tod von Gott beauftragt, den reichen Jedermann zu holen. Der Ungläubige hat Geld im Überfluss, er prahlt mit seinem materiellen Reichtum. Tugenden wie Erbarmen, Güte und Glaube scheinen ihm unwichtig zu sein. Hingegen frönt Jedermann einem Luxusleben, so will er zum Beispiel für seine Buhlschaft einen Lustgarten errichten. Für seinen verarmten ehemaligen Nachbarn, der ihn um Geld bittet, hat er nichts übrig. Auch für seinen verhafteten Schuldner zeigt der Lebemann kein Erbarmen – immerhin aber ist er bereit für die in Not geratene Frau und die Kinder den Unterhalt zu übernehmen. Die Worte seiner Mutter, die ihn zu einem gottesfürchtigen Leben mahnt, weil jeder allezeit mit Tod und Gericht rechnen müsse, belächelt er.

Bei der Feier im Haus fühlt sich Jedermann unwohl, durch seine eigenartigen Worte befremdet er die Gäste. Jedermann hört Totenglocken und vernimmt eine Stimme, die eindringlich seinen Namen ruft. Zum Entsetzen der Gäste taucht der Tod auf und will den wohlhabenden Mann sofort mitnehmen. Nach langem Flehen gibt ihm der Tod jedoch Aufschub: Solange, bis der Ungläubige jemanden findet, der ihm vor das Gericht begleitet.

Jedermann bittet seinen Gesellen, seine Vettern, seine Knechte und die Buhlschaft – doch niemand hat den Mut, ihn zu begleiten. Schließlich will Jedermann seinen Reichtum (Mammon) auf die letzte Reise mitnehmen. Nach einem heftigen Streit, wer nun das Sagen habe, verweigert auch Mammon den Gehorsam. Nun erscheint "Werke" in Form einer gebrechlichen Frau und ruft Jedermann zu sich. Sie ist jedoch zu kraftlos, um ihn zu begleiten. Schließlich erkennt Jedermann, dass er für die Schwäche von Werke verantwortlich ist und empfindet großes Bedauern und tiefe Reue. "Glaube" scheint nun die letzte Hoffnung zu sein. Der reiche Mann wirft sich auf den Boden und fleht Gott um Gnade an. Jedermanns Umkehr zu Gott macht Werke gesund und stark genug, um dem Reumütigen beizustehen.

Der Teufel ist sich sicher, die Seele des Ungläubigen holen zu können. Groß ist sein Verdruss, als er von Jedermanns Reue und Wandel erfährt. Schließlich geht der geläuterte Jedermann in Begleitung von Glaube und Werke zu seinem Grab. Begleitet von Engelsstimmen findet Jedermanns Seele schließlich Einlass in den Himmel.

Bleibende Erinnerungen statt bitterem Ende

Ich denke, nicht nur die hochkarätige Besetzung sorgte für ein unvergessliches Theatererlebnis. Die grandiose Kulisse, das warme Sommerwetter und die überwältigende Atmosphäre der weltberühmten Salzburger Festspiele haben ebenso das Ihre zu dem unvergesslichen Abend getan. Unter anderem trug auch das Foto- und Video-Verbot dazu bei, dass sich die Zuschauer ungestört auf die Aufführung fokussieren konnten. Bestimmt bleiben die unzähligen Eindrücke und die schönen Erinnerungen bei vielen Kulturbegeisterten ohnehin in fotografischer Weise und für sehr sehr lange Zeit in ihrem Gedächtnis verankert ...

Einige der Besucher haben vermutlich in recht nachdenklicher Stimmung ihren Heimweg angetreten. Wie steht es mit meinen guten Werken? Regiert Geld mein Leben? Ist auf Familie, auf gute Freunde und Bekannte Verlass? Sind sie für mich da, wenn's ernst wird? Wer begleitet mich am Ende des Weges? Welchen Stellenwert hat der Glaube für mich?

Fragen und Gedanken wie diese kommen vielleicht nicht nur notorischen Zweiflern und Grüblern in den Sinn ... Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, in unserer Leistungsgesellschaft und digitalisierten Welt, in denen die "wahren Werte" vielerorts vergebens gegen Statussymbole und Stress ankämpfen, scheint der Inhalt des Stücks aktueller denn je.

"Des Teufels Netzwerk in der Welt hat nur den einen Namen – 'Geld'."

Mit diesem Zitat von Hugo von Hofmannsthal (der übrigens als Mitbegründer der Salzburger Festspiele gilt!) verabschiede ich mich für heute,

Herzlichst,

Annemarie Mauracher

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