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Carmen Bischof

Ennstal Classic: Mit Oldtimern über Serpentinen

31.07.2017 um 12:46, Weekend Online
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Wien ist leer, und auf den Bergstraßen tobt das Leben. Seit 1993 fährt man im Ennstal und im benachbarten Murtal die Ennstal Classic.

Im Juli entvölkern sich die österreichischen Großstädte. In einem Wien ohne Wiener kommt man mit dem Auto so gut voran wie sonst nie. Damit die Bevölkerung nicht allzu übermütig wird, montiert die weise und vorausschauende Stadt Wien ein paar Baustellentafeln auf den Hauptverkehrsadern und dämmt so die Geschwindigkeit auf ein verträgliches Maß ein. Auf der Tangente, die sonst als größter Parkplatz Ostösterreichs fungiert, hilft die Asfinag alljährlich mit einem Hilfskonstrukt. Es trägt den schönen Namen Fly Over, was ebenfalls so viel heißt wie Baustelle.

Dabei sein ist alles

Mitten in diesem Sommerloch trumpft die ansonsten ruhige Obersteiermark mit einem glamourösen Motorsportereignis auf. Seit 1993 fährt man im Ennstal und im benachbarten Murtal die Ennstal Classic. Teilnehmen dürfen Autos, die vor dem 31. Dezember 1972 zugelassen wurden. Wenn ich ein Auto wäre, dann würde ich glatt noch mitfahren dürfen. Leider habe ich keine Motor- und auch keine Chassisnummer. Mit 2.500 Euro ist das Nenngeld nicht gerade das, was im menschen- und autoleeren Wien als Mezie bezeichnet wird. Aber schließlich haben die Autobesitzer ohnehin schon die teure Aufgabe übernommen, einem Oldtimer einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen. Außerdem ist es eine Ehre, überhaupt mitfahren zu dürfen.

Außer mechanischen Uhren und Hilfsmitteln, die bereits 1972 verwendet wurden, ist nichts an Technik zugelassen. Wer jetzt bei Rallye an brüllende Motoren und Sprünge mit allen vier Rädern in der Luft denkt, liegt völlig falsch. Hier geht es um Präzision. Das rechte Bein durchstrecken und sinnlos schnell fahren kann jeder, und für derart primitives Vergnügen eignet sich auch die Indy 500 besser als das schöne steirische Gebirge.

Auf den Beifahrer kommt's an

Um bei der Ennstal erfolgreich zu sein, braucht man nicht nur einen gepflegten Oldtimer, sondern auch einen wirklich guten Beifahrer. Der (oder die) hat wie der Fahrer alle Hände voll zu tun, und damit ist nicht Small Talk mit dem Fahrer gemeint. Erstaunlicherweise fahren relativ viele Ehepaare mit. Meistens ist die Dame am Beifahrersitz und damit Herrin über Uhr, Road Book und sonstige Aufzeichnungen. Derart gut funktionierende Ehen müssen im Himmel geschlossen worden sein.

Etwas fürs Auge, etwas fürs Magerl

Wenn es sich vom Terminkalender halbwegs ausgeht, pilgern wir immer gerne in die obersteirische Heimat, um ein bisschen Benzingeruch zu tanken, wirklich gut erhaltene alte Autos zu bewundern und Rallye-Legenden wie den Finnen Rauno Altonen aus der Nähe zu erleben.

Wer so gar nichts für Autos übrig hat, darf als Zugabe TV-Stars wie Patrick Dempsey und Formel 1-Größen aus nächster Nähe sehen. Die Obersteiermark ist ansonsten schon hübsch, aber mit einem wunderbaren Auto nach dem anderen ist die Gegend am allerschönsten.

Nebenbei kann man als Zuseher ein kühles Murauer Bier in seiner angestammten Umgebung genießen, was eine ausgesprochen angenehme Begleiterscheinung ist. Dass man als Heimkehrer überall auf der Welt bekocht wird wie der verlorene Sohn, muss nicht weiter erwähnt werden.

Heuer hat der Wettergott ein Erbarmen – im Gegensatz zu 2014 (oder war es 2013?). "Wenn’s bei uns regnet, dann regnet's, nur manchmal waschlt's", kommentieren die Ortsansässigen. Es hört dann auch nicht auf zu regnen, und es wird gleich so richtig kalt.

Für die Ennstal Classic hieß das damals: Schauer im oberen Murtal und ordentliche Regengüsse im Ennstal. Dazwischen liegt der Sölkpass, der mit 1.788 Meter Seehöhe gleich viel näher am Himmel und damit an den Regenwolken liegt. Bei Schönwetter lieben ihn die Motorradfahrer, die zum Leidwesen der Einheimischen und der Kühe mit ihren Zweirädern die Serpentinen hinauf- und hinunterbrettern. Bei Schlechtwetter meidet ihn jeder vernünftige Mensch. Schwere dunkle Regenwolken in den Bergen heißen so viel wie Matsch, Geröll und Bäche neben sowie auf den Straßen.

Ende gut, alles gut

Im heurigen Sommer jedoch präsentierte sich die Ennstal zur Freude der Fahrer, Zuseher und sicher auch der Kühe am Streckenrand bei absoluten Topbedingungen.

Am Ende gewinnt natürlich immer ein wunderschönes altes Auto, heuer ein Lagonda LG 6 Le Mans Special. Alle anderen Teilnehmer fragen sich besorgt, ob es bei der Zeitnehmung wirklich immer mit rechten Dingen zugegangen ist, denn an den eigenen Fahrkünsten kann es wirklich nicht liegen. Aber das ist der Sport – es geht schließlich ums Gewinnen und nicht ums Dabeisein.

Carmen Bischof ist gebürtige Murauerin ("die Stadt mit dem besten Bier", betont sie!), beruflich und privat gerne auf Reisen, beruflich in Sachen Vertriebssteuerung für die Senzor Industries AB aus Schweden unterwegs und privat auf der Suche nach schönen Orten, gutem Bier und lässigen Aktivitäten.

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