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Julia Koch

Das Mädchen vom Land und die Eisprinzessin - Das Märchen von Sarah und Miri

11.09.2017 um 18:05, Julias Stadtgespräche
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Miri ist aus Wiener Neustadt. Sarah aus der Steiermark. Die eine tanzt am Boden, die andere am Eis. In Wien haben sich die beiden kennengelernt, und seither tanzen sie gemeinsam durch's Leben. Für viele Menschen ist eine Beziehung zwischen zwei Frauen oder zwei Männern immer noch fremd. Auch Miri und Sarah sind nicht mit dem Gedanken groß geworden, eines Tages eine Frau zu heiraten. Aber so kam es – mit Traumhochzeit und allem Drum und Dran.

Sarah: Ich bin quasi aus dem Wald. (sie lacht)

Sarah wollte Tanz, Gesang und Schauspiel studieren und kam dazu nach Wien. Sie hat eine Musical-Ausbildung absolviert, weil sie sich zwischen den drei Fächern nicht entscheiden konnte. Bis sie beschloss, in Richtung Schauspiel zu gehen.

Auch Miris Kindheitsberufswunsch war es, Schauspielerin zu werden.

Miri: Oder Ärztin. Aber dann haben wir in der Schule mal ein Auge seziert, und das war so widerlich, dass letzteres ausschied.

Trotzdem war Miris Weg zur Schauspielerei kein direkter. Als Kind und Jugendliche war sie Eistänzerin. Seit dem dritten Lebensjahr Sportgymnastin, und mit acht wechselte sie auf's Eis. Miri betrieb Leistungssport, bis sie 20 war. Sie hat in Frankreich, Schottland und Amerika mit der Weltklasse trainiert.

Miri: Meine Eltern haben Wege gesucht, mich zu beschäftigen. Ich hatte sehr viel Energie. Und so hat ganz lange Zeit das Eislaufen mein Leben bestimmt. Mit gewissen Erfolgen. Im Jugendlevel war ich zweimal Staatsmeisterin, und ich war bei Weltmeisterschaften und Grand Prix-Bewerben. 2001 war ich dann Staatsmeisterin in der allgemeinen Klasse. Eigentlich wollte ich nur Eislaufen.

Julia: Du hast das Eislaufen parallel zur Schule gemacht?

Miri: Nein, ich hab die Schule parallel zum Eislaufen gemacht. (Sie lacht.)

Aber Miris Traum hat sich nicht erfüllt, sagt sie. Verwundert frage ich nach, wie das gemeint ist? Für mich klingt das schließlich alles nach sehr erfolgreichem Eistanz.

Miri: Ich wollte immer Weltmeisterin werden. Aber es ist unglaublich schwierig weiterzukommen im Eiskunstlauf in einem Land wie Österreich, das so auf die Tradition und die Vergangenheit pocht und nicht fortschrittlich genug denkt, um den Nachwuchs zu fördern.

Dadurch war das Eislaufen ein sehr teurer Sport und irgendwann nicht mehr leistbar. Nach der Schule um am Ende des Eislauftraums entschied sich Miri wegen der guten Jobaussichten für ein Wirtschaftsstudium an der Uni Wien. Das Eislaufen wurde abgehakt. Zwar erfolgreich im Beruf war Miri dennoch enttäuscht vom Arbeitsalltag, der je acht Stunden pro Tag vor dem Computer mit sich brachte.

Sie begann sich weiterzubilden und Kurse für Stimme und Präsentations-Skills zu belegen. Und zwar an der Schauspielschule, die Sarah besuchte.

Miri: Ich bin in die Schauspielerei immer tiefer reingerutscht und plötzlich war das gleiche Gefühl wie beim Eistanzen da. Also bin ich geblieben.

So sind sich Miri und Sarah dann 2010 über den Weg gelaufen, haben aber nie miteinander gesprochen.

Miri: Anfangs nicht und auch die Jahre drauf haben wir nichts geredet.

Sarah: Ich hab mich unglaublich gefreut, zu sehen, dass Miri in der Klasse nach mir war und wusste gar nicht so genau, warum ich mich eigentlich so freu'.

Sarah hat sich immer schon von Miri angezogen gefühlt, traute sich aber nicht, die Kollegin anzusprechen. Und Miri schloss aus den langen und stummen Blicken von Sarah: Die ist halt komisch.

Sarah: Ich war nie gut darin, Leute anzusprechen. Ich bin meistens irgendwo herumgestanden und hab' geschaut.

Eine gemeinsame Freundin der beiden wurde lange Zeit von beiden Seiten über die jeweils andere ausgefragt und schlussendlich kam es doch zum Kontakt zwischen Sarah und Miri. Gemeinsame Tanzstunden führten dazu, dass die beiden begannen, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Aber immer noch bewunderten sie sich aus respektvoller Distanz.

Miri: Ich glaub', wir haben uns beide total angehimmelt, aber ...

Sarah: Man kommt irgendwie nicht auf die Idee, dass da mehr sein könnte, wenn das aus der eigenen Welt draußen ist.

Julia: Ihr wart also einfach gut befreundet?

Sarah: Na ja, für gut befreundet war es eigentlich viel zu peinlich. Also ich wär' natürlich gern gut befreundet gewesen, aber es ist dann nie diese Lockerheit entstanden.

Also wurde die gemeinsame Freundin immer dazu eingeladen. Als Peinlichkeitspuffer sozusagen. Eines Nachts waren die beiden dann aber doch zu zweit.

Miri: Eine sehr lange Nacht. Ich glaube, wir haben kaum geredet.

Sarah: Haben wir überhaupt geredet?

Miri: Na, ich glaub wir haben uns nur angestarrt. Aber schön diesmal, nicht creepy. Und wir sind uns immer nähergekommen - aber urlangsam.

Sarah: Wir sind sicher eine Stunde oder zwei so geblieben.

Miri: Dann haben wir uns geküsst ... Und da war's klar. Ich hatte im Kopf so ein Endlosschleife von "IchliebedichIchliebedichIchliebedich".

Und Sarah auch.

Sarah: Ich hab mir nur gedacht, das ist vollkommen lächerlich. Das kann ich jetzt nicht sagen.

Und es musste auch nichts gesagt werden. Am nächsten Tag in der Früh war beiden klar, dass sie zusammengehörten. Es wurde nie darüber gesprochen, keine Fragen gestellt, keine Spielchen gespielt. So Dinge wie: Wer ruft jetzt als erste an und so. Das ganze Drama, das oft am Anfang einer Beziehung steht – das gab's bei Miri und Sarah nicht. Nie. Es war einfach wie es war. Es war klar. Alles.

Sarah: Wir haben nie drüber geredet oder gefragt, was das jetzt ist. Es war einfach so. Selbstverständlich.

Miri: Wir haben ab diesem Kuss einfach keine Nacht mehr getrennt voneinander verbracht.

Sarah: Sicher für ein Jahr. Oder sogar zwei.

Nach drei Wochen ist Sarah bei Miri eingezogen, in eine klitzekleine Einzimmerwohnung im 5. Bezirk. Hochbett, Dusche in der Küche, Klo am Gang. Sarahs Kater Camino kam natürlich auch mit. Und das, obwohl Miri eigentlich eine Katzenhaarallergie hatte.

Miri: Aber das war dann plötzlich unwichtig.

Kein Niesen. Und auch sonst keine Schwierigkeiten. Das gemeinsame Wohnen war sogar leichter als das getrennte Wohnen.

Sarah: Sonst musste man ja nur ständig Sachen hin- und herschleppen.

Ein halbes Jahr später haben sich die beiden verlobt. Kein großes Ding, sagen die beiden. Es war einfach der logische nächste Schritt, da beiden klar war, dass sie das Leben weiterhin gemeinsam verbringen wollten.

Und so folgte bald darauf die Traumhochzeit, eine Drei-Tages-Feier mit Freunden und Familie, die in beider Erinnerung die schönsten Tage ihres Leben sind.

Schön, schön, denke ich. Wie im Märchen. Und jetzt möchte ich wissen, wie es weiterging. Happy ever after? Und in der Tat ist die Antwort ausschließlich positiv. Das gemeinsame Leben gestaltet sich harmonisch. Sarah und Miri scheinen sich einfach wunderbar zu ergänzen. Sogar in Sachen Lieblingsspeise sind sie sich einig.

Miri: Wie wir in Wien gewohnt haben, sind wir fast jeden Tag ins "Margerita" gegangen auf eine Pizza Bufala. Die haben wir uns immer geteilt. Dann war's eine Zeit lang der Bio-Inder, Nummer 29.

Sarah: Die Miri kocht aber auch unglaublich ausgezeichnet. In einer Phase war Miris Lasagne unsere Lieblingsspeise.

Miri: Und aktuell sind es Salbeinudeln. Letzte Woche gab's sicher fünf Mal Salbeinudeln ... Man wird so gleich.

Julia: Für was seid ihr an eurer Beziehung am meisten dankbar?

Sarah: Für mich sticht sehr das Gefühl hervor, dass ich bei der Miri wirklich so sein kann wie ich bin. Selbst wenn ich mich grad selber nicht mag. Sie nörgelt nicht an mir, nie!

Julia: Und was schätzt du an dir selber?

Sarah: Ich habe einen fast zwanghaften Drang, ehrlich zu sein und Dinge zu klären.

Miri: Ich mag an Sarah besonders, dass sie mich zum Reden bringt. Das kenne ich auf die Art nicht aus meiner Familie. Irgendwann hab ich angefangen, Sarah alles zu sagen, was ich denke. Und dadurch bin ich draufgekommen, dass das Mitteilen was total Schönes ist. Und ich hab die Angst davor verloren, dass man etwas erst aussprechen kann, wenn der Gedanke fertig gedacht und vollkommen ist. Durch das Mitteilen, kann Sarah meine Gedankengänge sogar weiterführen, und wir können gemeinsam weiterdenken. Dadurch kann ich auch in mir tiefer gehen und komm' weiter, als ich es allein gekommen wär.

Julia: Und was magst du dir selbst besonders gern?

Miri: Ich bin dem Leben gegenüber sehr offen. Ich sag immer erst mal gleich JA zu allem. Dadurch erlebe ich die Buntheit des Lebens.

Überhaupt ist es bei Sarah und Miri immer bunt. Buntes Geschirr, Malereien an den Wänden und bunte Lichterketten.

Sarah: Wir haben zusammengestückeltes Geschirr und Lichterketten wie im Heurigen. Wir hatten nämlich keine Deckenlampen in der kleinen Wohnung damals. Die Lichterketten waren also unser Licht, und dadurch hatten wir immer eine festliche Stimmung. Jeden Abend. Jeden Tag ein Fest sozusagen. Und das wurde zu unserem Motto: Das Leben ist ein Fest.

Und so steht es jetzt auch in Sarah und Miris Eheringe eingraviert: Das Leben ist ein Fest.

Auch die aktuelle Wohngemeinschaft ist bunt: Kater Camino, Hund Mikey und die Oma wohnen gemeinsam in Wiener Neustadt. Das jüngste Familienmitglied, der kleine Mikey, hat sich als unerwartet anstrengend (und entzückend) entpuppt und hat den Wunsch nach Kindern erst mal nach hinten verschoben. Aber wer weiß, was die Buntheit des Lebens Sarah und Miri noch bringen wird!

Julia Koch ist Schauspielerin. Ihre Leidenschaft: Lebensgeschichten - nicht nur von Menschen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Auf weekend.at präsentiert die in Wien lebende Vorarlbergerin ihre Stadtgespräche.

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