Reisewarnung Thailand: Konflikt mit Kambodscha eskaliert
- Kampfjets, Minen und gegenseitige Schuldzuweisungen
- Auslöser im Mai: Verbotene Hymne, politische Krise, Truppenbewegungen
- Auswärtiges Amt warnt dringend vor Reisen ins Grenzgebiet
- Diplomatischer Tiefpunkt, Vermittlung unerwünscht
- Jahrzehntelanger Konflikt mit kolonialem Ursprung
Die militärische Lage an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha hat sich dramatisch zugespitzt. Nachdem es bereits seit Wochen zu Spannungen kam, meldet Thailand schwere Gefechte in mehreren Grenzprovinzen. Kambodscha habe thailändische Stellungen mit Artillerie und Raketen angegriffen, darunter auch zivile Ziele, so der Vorwurf aus Bangkok.
Das thailändische Gesundheitsministerium bestätigte mindestens 15 Todesopfer, darunter 14 Zivilisten. Mehr als 100.000 Menschen wurden aus 86 Dörfern in den Grenzprovinzen Surin, Si Sa Ket, Ubon Ratchathani und Buriram in Notunterkünfte evakuiert. Ein Krankenhaus in Surin wurde durch den Beschuss beschädigt. Kambodscha hat bisher keine Angaben zu eigenen Verlusten gemacht.
Kampfjets, Minen und gegenseitige Schuldzuweisungen
Die Eskalation hatte sich bereits Tage zuvor angekündigt: Am 28. Mai 2025 ist es zu einem ersten Schusswechsel im Grenzgebiet Chong Bok gekommen. Ein kambodschanischer Soldat hat sein Leben verloren. Wenige Wochen später wurden bei der Explosion mehrerer Landminen in der Grenzregion zwei thailändische Soldaten schwer verletzt. Thailand wirft Kambodscha vor, diese Minen kürzlich neu verlegt zu haben. Phnom Penh seinerseits spricht von Relikten des Bürgerkriegs.
Am 24. Juli hat Thailand erstmals F-16-Kampfjets gegen kambodschanische Stellungen eingesetzt. Laut thailändischem Militär wurden dabei zwei gegnerische Kommandoposten „eliminiert“. Kambodscha wiederum erklärt, Thailand habe gezielt zivile Infrastruktur bombardiert. Beide Seiten werfen einander vor, den bewaffneten Konflikt begonnen zu haben.
Auslöser im Mai: Verbotene Hymne, politische Krise, Truppenbewegungen
Der aktuelle Konflikt hat sich seit dem Frühjahr 2025 schrittweise zugespitzt. Im Februar ist es zu diplomatischen Verstimmungen gekommen, nachdem Thailand kambodschanischen Besuchern am Tempel Prasat Ta Muen Thom das Singen der kambodschanischen Nationalhymne untersagt hatte. Parallel dazu beobachteten thailändische Truppen die Errichtung von Schützengräben auf kambodschanischer Seite.
Ein weiterer Wendepunkt war ein geleaktes Telefongespräch zwischen Thailands Premierministerin Paetongtarn Shinawatra und dem kambodschanischen Senatspräsidenten Hun Sen, in dem sie einen eigenen Militärkommandanten der „politischen Gegenseite“ zuordnete. In der Folge trat die Bhumjaithai-Partei aus der Regierung aus, Shinawatra wurde suspendiert. Die Regierungskrise erschütterte Bangkok und führte zu einem sicherheitspolitischen Vakuum.
Auswärtiges Amt warnt dringend vor Reisen ins Grenzgebiet
Aufgrund der aktuellen Entwicklung haben mehrere europäische Staaten, darunter Deutschland und Österreich, ihre Reisehinweise für Thailand drastisch verschärft. Das österreichische Außenministerium stuft die Region Preah Vihear und Umgebung auf Sicherheitsstufe 3 (hohes Risiko). Für die an der malayisischen Grenze gelegenen Regionen Narathiwat, Yala, Pattani, und Songhkla gilt Sicherheitsstufe 5 von 6. Von Reisen in die thailändischen Grenzprovinzen zu Kambodscha wird dringend abgeraten.
In mehreren Provinzen gelten Notfallpläne. Die thailändischen Behörden haben alle Grenzübergänge zu Kambodscha geschlossen. Auf thailändischen Nachrichtenseiten kursieren Videos, die Explosionen und Evakuierungen zeigen. Auch in sozialen Netzwerken mehren sich Bilder von beschädigten Gebäuden und Notunterkünften.
Diplomatischer Tiefpunkt, Vermittlung unerwünscht
Beide Länder haben inzwischen ihre Botschafter gegenseitig ausgewiesen. Thailand ruft seine Bürger in Kambodscha zur sofortigen Ausreise auf. Die Regierung in Phnom Penh beschuldigt Thailand der „brutalen Aggression“, während Thailand seinerseits „unprovozierten Raketenbeschuss“ beklagt. Zuletzt verschärften auch wirtschaftliche Maßnahmen wie Exportverbote und Stromlieferstopps die Lage zusätzlich.
Der UN-Sicherheitsrat wird auf Antrag Kambodschas am 25. Juli in einer Dringlichkeitssitzung beraten. Während Malaysia, China und die USA ihre Vermittlung anbieten, lehnt Thailand externe Mediation bislang ab.
UNO-Generalsekretär António Guterres appelliert an beide Seiten zur „maximalen Zurückhaltung“. Die Lage sei extrem gefährlich, ein umfassender Krieg nicht ausgeschlossen, warnt Thailands Interims-Regierungschef Phumtham Wechayachai.
Jahrzehntelanger Konflikt mit kolonialem Ursprung
Der Konflikt um den Tempel Preah Vihear ist mehr als ein Jahrhundert alt. Er begann mit der Grenzziehung in der französischen Kolonialzeit. Obwohl der Internationale Gerichtshof 1962 die Zugehörigkeit des Tempels zu Kambodscha bestätigte und 2013 auch das Umland zusprach, erkennt Thailand diese Entscheidung nicht vollständig an.
Bereits 2008 bis 2011 kam es zu wiederholten Gefechten, unter anderem mit Artillerie, Raketen und Bodentruppen. Damals wurden Teile der historischen Tempelanlage beschädigt. Die Angst ist groß, dass sich dieses Szenario wiederholen könnte.
Die Region bleibt nicht nur wegen alter Landkarten, sondern auch wegen wirtschaftlicher Interessen ein Pulverfass: Tourismus, Rohstoffe und strategische Positionierung machen das Grenzgebiet für beide Seiten interessant.