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Jan Marsalek in Moskau – neues Beweisfoto zeigt gesuchten Wirecard-Manager unter FSB-Schutz
Auf neuen Fotos ist Jan Marsalek in Moskau zu sehen. Die Recherche zeigt seine Nähe zur FSB-Zentrale.
Auf neuen Fotos ist Jan Marsalek in Moskau zu sehen. Die Recherche zeigt seine Nähe zur FSB-Zentrale.
Leopold Fiala Photography | Polizeipräsidium München

Jan Marsalek in Moskau: Neue Fotos belegen FSB-Schutz

17.09.2025 um 09:29, Stefanie Hermann
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Neue Recherche: Jan Marsalek lebt in Moskau. Fotos und Daten zeigen Nähe zur FSB-Zentrale und Reisen ins Kriegsgebiet. Was man weiß und wer ihn schützt.

Flucht 2020 und Route nach Moskau

Nach dem Kollaps von Wirecard im Juni 2020 verschwand der damalige Vorstand Jan Marsalek spurlos. Während CEO Markus Braun festgenommen wurde, gelang ihm die Flucht über den kleinen Flughafen von Bad Vöslau. Von dort aus reiste er nach Belarus und schließlich weiter nach Moskau. Seitdem wird der aus Klosterneuburg stammende Österreicher mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft ihm gewerbsmäßigen Bandenbetrug, besonders schwere Untreue und weitere Delikte vor.

Neue Fotos und Handydaten belegen Aufenthalt

Ein internationales Recherchekollektiv aus Spiegel, Standard, ZDF, The Insider und PBS hat aktuelle Fotos und Passdokumente veröffentlicht, die Marsalek eindeutig in Moskau zeigen. Ergänzend wurden Handydaten ausgewertet: Zwischen Jänner und November 2024 wurde seine Nummer 304-mal in der Umgebung der FSB-Zentrale am Lubjanka-Platz erfasst. Weitere 103 Ortungen erfolgten bei einer Filiale der Transkapitalbank, die von US-Behörden als Drehkreuz der russischen Sanktionsumgehung bezeichnet wird.

Leben unter FSB-Schutz

Die Daten legen nahe, dass Marsalek eng mit dem russischen Geheimdienst FSB verbunden ist. Ermittler ordnen ihn zudem auch dem Militärgeheimdienst GRU zu. Die Nähe zu den Geheimdienstzentralen, wiederholte Sichtungen in Moskau und russische Quellen deuten darauf hin, dass Marsalek unter dem direkten Schutz des FSB steht. Offiziell bestreitet Russland, seinen Aufenthaltsort zu kennen.

Reisen ins Kriegsgebiet Ukraine

Neben den Aufenthalten in Moskau zeigen Reisedaten, dass Marsalek mehrfach in die Ostukraine gereist ist. Dokumentiert sind Fahrten nach Mariupol und mindestens fünf Zugreisen auf die von Russland annektierte Krim. Fotos zeigen ihn in Militäruniform mit dem russischen Kriegssymbol Z. Quellen berichten, dass er für den FSB operative Aufgaben an der Front übernommen hat.

Sechs Identitäten und gefälschte Pässe

Marsalek verfügt über ein komplexes System an Tarnungen. Mindestens sechs verschiedene Identitäten sind dokumentiert, darunter „Alexander Nelidow“, ein angeblich in Riga geborener Russe, und „Alexandre Schmidt“ mit einem gefälschten belgischen Pass. Auch die Identität zweier orthodoxer Priester nutzte er. Mit diesen Papieren reiste er innerhalb Russlands, gründete Firmen und erhielt sogar eine russische Staatsbürgerschaft.

Partnerin Tatiana Spiridonova

Privat wird Marsalek regelmäßig in Begleitung der 41-jährigen Übersetzerin Tatiana Spiridonova gesehen. Sie soll selbst im Auftrag des FSB tätig sein und über exzellente Geheimdienstkontakte verfügen. 2022 übernahm sie in Istanbul mehrere Smartphones österreichischer Spitzenbeamter und brachte diese nach Moskau. Chats belegen, dass Marsalek diesen Transport koordinierte. Spiridonovas Kontakte reichen zu GRU-Offizier Stanislaw Petlinski, der schon während der Wirecard-Zeit enge Verbindungen zu Marsalek pflegte.

Spionagering in London

Auch in Großbritannien wird Marsalek eine zentrale Rolle in einem russischen Spionagering zugeschrieben. Ermittler enttarnten ein Netzwerk um den bulgarischen Geschäftsmann Orlin Roussev. Über 100.000 Chatnachrichten zwischen ihm und Marsalek wurden ausgewertet. Pläne zu Entführungen von Dissidenten und Journalisten, darunter Christo Grozev und Roman Dobrokhotov, konnten dadurch dokumentiert werden. In einer Nachricht aus 2021 schrieb Marsalek: „Wir haben jemanden zu entführen und nach Russland zu bringen. Es ist egal, wenn er stirbt, aber besser wäre, er käme lebend nach Moskau.“

Geldströme und Transkapitalbank

Unklar bleibt, wo die verschwundenen 1,9 Milliarden Euro aus der Wirecard-Bilanz geblieben sind. Spuren führen nach Singapur, in die Schweiz, nach Schottland und nach Russland. Auffällig ist, dass Marsaleks Handy mehrfach bei einer Filiale der Transkapitalbank in Moskau geortet wurde. Diese Bank wird von US-Behörden als „Herz der Sanktionsumgehung“ bezeichnet. Es gilt als wahrscheinlich, dass Marsalek dort Vermögen verborgen hält.

Ermittlungen in Österreich und Deutschland

Während Marsalek in Russland frei agiert, laufen in Österreich und Deutschland Verfahren im Umfeld seines Netzwerks. Gegen Egisto Ott, einen früheren Spitzenbeamten im Verfassungsschutz, wurde in Wien Anklage wegen geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil der Republik erhoben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Martin Weiss, ein weiterer ehemaliger BVT-Abteilungsleiter, lebt in Dubai. Deutsche Behörden haben ein Rechtshilfeersuchen an Moskau gestellt, bislang ohne Erfolg. Offiziell bestreiten die russischen Behörden, Marsaleks Aufenthaltsort zu kennen.

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