Macron unter Druck: Frankreich vor Stillstand
- Vertrauensfrage mit Ansage
- Macrons knappe Optionen
- Sparpaket spaltet das Land
- Reaktionen auf den Sturz
- Frankreich vor der nächsten Protestwelle
- Europäische Nervosität
Frankreich steht ohne Premierminister da. François Bayrou ist mit seiner Vertrauensfrage im Parlament gescheitert. Der Sparkurs, den er verteidigte, hat ihm das Amt gekostet. Damit gilt die Regierung als gestürzt. Präsident Emmanuel Macron bleibt wenig Spielraum, um das hoch verschuldete Land politisch zu stabilisieren.
Vertrauensfrage mit Ansage
François Bayrou hatte sich keine Illusionen gemacht. „Sie haben die Macht, die Regierung zu stürzen, aber Sie haben nicht die Macht, die Realität auszulöschen“, sagte er den Abgeordneten der Nationalversammlung. Vor der Abstimmung sprach der 74-Jährige von der „Verantwortung für das Überleben des Landes“. Doch seine Mahnungen verhallten. 364 Abgeordnete stimmten gegen ihn, nur 194 signalisierten Vertrauen.
Bayrou hatte die Vertrauensfrage selbst gestellt. Er wollte mit einem Sparkurs in Höhe von 44 Milliarden Euro die Schulden des Landes bekämpfen. Diese lagen zuletzt bei rund 3300 Milliarden Euro. Im Flur des Parlaments stand für ihn fest: „Ein Land, das nicht in der Lage ist, seine öffentlichen Finanzen auszugleichen, ist ein Land, das sich selbst aufgibt.“
Macrons Knappe Optionen
Präsident Emmanuel Macron hat die Wahl – doch keine einfache. Neuwahlen schließt er aus. Auch einen Rücktritt will er nicht erwägen. Er könnte erneut einen Premier aus dem eigenen Lager ernennen. Als mögliche Nachfolger gelten Justizminister Gérald Darmanin, Finanzminister Eric Lombard oder Verteidigungsminister Sébastien Lecornu. Auch Catherine Vautrin wird genannt.
Für Unruhe sorgt die Überlegung, einen Premier aus dem linken Lager zu nominieren. Macron hatte den Sozialisten Olivier Faure bereits sondiert. Dieser aber fordert, das Budgetdefizit nicht mit Härte, sondern mit Maß zu reduzieren. Statt 44 Milliarden will die Linke nur 21,7 Milliarden Euro einsparen. Das sei für Macron schwer tragbar. „Wir werden keinen Sparkurs mittragen, der das Land sozial zerreißt“, sagte Faure am Montag.
Sparpaket spaltet das Land
Bayrou wollte unter anderem zwei Feiertage streichen und Sozialleistungen einfrieren. Der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten. „Wie konnte Bayrou nur hoffen, dass die Franzosen die Streichung von Ostermontag und dem Gedenktag des Weltkriegsendes akzeptieren würden?“, kommentierte der Journalist François Lenglet. Für viele galt der Sparkurs als Angriff auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Sozialisten sprachen von „sozialer Kälte“, die Linken warfen Bayrou „asoziale Einschnitte“ vor. Jean-Luc Mélenchon, Anführer der radikalen Linken, nannte die Pläne „neoliberalen Wahnsinn“ und kündigte Widerstand an, sollte Macron einen Premier aus dem Regierungslager ernennen.
Reaktionen auf den Sturz
Macrons autoritärer Stil gerät zunehmend in die Kritik. Seit 2017 hat er sieben Premierminister verschlissen. Der frühere Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einem „ständigen Verschleiß durch politische Isolierung“. Der Rückhalt für Macron ist angeschlagen. Zwei Drittel der Franzosen befürworten laut Ifop-Umfrage vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Macron selbst schließt das kategorisch aus.
François Bayrou, der das Amt im Dezember übernommen hatte, könnte derweil selbst Kandidat für 2027 werden. In Paris wird spekuliert, ob er mit dem Misstrauensvotum eine letzte Bühne gesucht hat. Es wäre sein vierter Anlauf auf das höchste Amt.
Frankreich vor der nächsten Protestwelle
Bereits ab Mittwoch droht eine neue Protestwelle. Die Bewegung „Bloquons tout“ ("blockiert alles" dt.) ruft zur Blockade öffentlicher Einrichtungen auf. Für den 18. September planen die Gewerkschaften einen Generalstreik. Der öffentliche Verkehr wird lahmgelegt. Auch Fluglotsen wollen die Arbeit niederlegen. Sicherheitsbehörden rechnen mit bis zu 100.000 Demonstrierenden.
Ein Regierungssprecher sagte am Dienstag: „Der Präsident wird schnell handeln.“ Macron plant eine rasche Neuernennung, um die aufkochenden Proteste kleinzuhalten.
Europäische Nervosität
In Brüssel wächst die Sorge. Frankreichs Haushaltsloch beträgt aktuell 5,8 Prozent des BIP – erlaubt sind drei. Das Ziel von drei Prozent bis 2029 gilt als unrealistisch. Der Ökonom Eric Maurice vom Thinktank EPC warnt: „Frankreich ist zu groß, um zu scheitern, aber zu starr, um sich zu reformieren.“
Die Ratingagentur Fitch bewertet Frankreichs Bonität am Freitag neu. Ein Abstieg von AA- auf A+ ist laut Expertin Anne-Sophie Alsif nicht zu erwarten. Dennoch mahnt sie: „Die Märkte bleiben ruhig, doch das Fenster für strukturelle Reformen schließt sich.“
Wirtschaftsminister Eric Lombard sagte am Dienstag, ein Eingreifen des Internationalen Währungsfonds könne „nicht ausgeschlossen“ werden. Für Europa wäre das ein Tabubruch. Denn noch nie musste eine der führenden Volkswirtschaften des Kontinents auf den IWF zurückgreifen.